

Regisseurin Katharina Bill
im Interview
Katharina Bill studierte in Hildesheim Szenische Künste und arbeitet seither als Regisseurin, Performerin und Fettaktivistin. Am Jungen DT bringt sie am 21. Oktober die Graphic Novel Im Spiegelsaal von Liv Strömquist in der Box des Deutschen Theaters zur Uraufführung. Gemeinsam mit Dramaturgin Christiane Lehmann hat sie eine Stückfassung erarbeitet, die von sieben Performerinnen auf die Bühne gebracht wird. Kurz vor der Premiere nimmt sich Regisseurin Katharina Bill zwischen ihren Proben Zeit für ein Interview mit uns. Wir treffen uns im Park vor dem Deutschen Theater in der Sonne.

Katharina, wie bist Du darauf gekommen, Liv Strömquists Graphic Novel Im Spiegelsaal zu inszenieren?
Die Leiterinnen des Jungen DT, Maura Meyer und Christiane Lehmann, haben mich direkt gefragt. Und als ich die Graphic Novel gelesen habe, war ich sofort begeistert, weil ich mich in meinen Arbeiten grundsätzlich für Machtdiskurse interessiere, die an den Körper gekoppelt sind. Gewisse Körperlichkeiten haben mehr Macht als andere und die Im Spiegelsaal verhandelt Schönheit und ist damit der absolut richtige Stoff für Privilegiendiskurse. Besonders toll ist für mich, dass es sich um einen Sach-Comic handelt, der uns die Möglichkeit gibt, das Verhältnis zu Schönheit auf einer sachlichen Ebene auf die Bühne zu bringen. Dafür brauchten wir auch keine Sekundärliteratur – Im Spiegelsaal ist schon so reich an Diskursen. Wir haben eher kleine eigene Kommentare ins Stück eingebaut.
Wie habt Ihr Euch dann dem Material genähert?
Wir haben natürlich erstmal eine Textfassung gemacht, was bei einer Graphic Novel speziell ist, weil wir gucken mussten, was auf der Bühne stattfinden soll und welche Texte dorthin passen.
Die Leiterinnen des Jungen DT, Maura Meyer und Christiane Lehmann, haben mich direkt gefragt. Und als ich die Graphic Novel gelesen habe, war ich sofort begeistert, weil ich mich in meinen Arbeiten grundsätzlich für Machtdiskurse interessiere, die an den Körper gekoppelt sind. Gewisse Körperlichkeiten haben mehr Macht als andere und die Im Spiegelsaal verhandelt Schönheit und ist damit der absolut richtige Stoff für Privilegiendiskurse. Besonders toll ist für mich, dass es sich um einen Sach-Comic handelt, der uns die Möglichkeit gibt, das Verhältnis zu Schönheit auf einer sachlichen Ebene auf die Bühne zu bringen. Dafür brauchten wir auch keine Sekundärliteratur – Im Spiegelsaal ist schon so reich an Diskursen. Wir haben eher kleine eigene Kommentare ins Stück eingebaut.
Wie habt Ihr Euch dann dem Material genähert?
Wir haben natürlich erstmal eine Textfassung gemacht, was bei einer Graphic Novel speziell ist, weil wir gucken mussten, was auf der Bühne stattfinden soll und welche Texte dorthin passen.
Liv Strömquist hat ihr Buch in fünf Essays gegliedert, wir haben uns an die Struktur gehalten und sukzessive an diesen Teilen gearbeitet. Die Texte selbst haben wir langsam in der Probenzeit verteilt und geschaut, welche Performerin worauf Lust hat.
Es werden sieben Performerinnen zu sehen sein. Ein rein weibliches Ensemble ist noch immer eine Seltenheit auf den Bühnen – Wie kam es zu dieser Setzung?
Die sieben Personen haben in den Auswahl-Workshops besonders überzeugt und wurden nicht aufgrund ihres Genders ausgewählt. Es ist traurig, dass man das betonen muss – bei einem reinen Männerensemble käme auch keiner auf die Idee, nachzufragen, bei weiblichen Ensembles wird das Stück dann ganz schnell als Frauenstück gelabelt. Aber es ist ein Stück. Punkt. Ich habe schon oft mit reinen Frauenensembles gearbeitet und es ist immer ein Thema. Wir müssen damit aufhören, das als speziell oder außergewöhnlich zu betrachten. Diese sieben Personen sind für uns und die Inszenierung die richtigen.
Schönheitsideale üben seit Jahrtausenden Druck aus, besonders auf Frauen. Welchen Einfluss haben die sozialen Medien auf Schönheitsideale und ihre Rezeption?
Ich habe das Gefühl, dass einige aus unserer Gruppe dem überdrüssig sind, obwohl wir alle auch Instagram-Accounts haben. Die Beschäftigung damit kommt also genau zur richtigen Zeit, indem ein Moment der Reflexion passiert und wir uns fragen, was hier mit uns und der Gesellschaft passiert. Dieser soziale Druck knüpft dann wieder an Machtfragen.
Dafür haben wir viel über Selfies gesprochen, was auch bei Liv Strömquist das Hauptthema ist. Sie arbeitet das Sich-Anschauen auf vielen Ebenen auf: So wie sich damals Kaiserin Sissi in ihrem Spiegelsaal selbst ansah, so schauen wir uns eben in unserem Handyspiegel an und machen ein Foto von uns. Darüber haben wir viel gesprochen, analysiert und uns gefragt, welche Bedeutungen und Bewertungen dahinterstecken. Und wie wir mit dem eigenen Bild und dem, dem wir entsprechen sollen, umgehen können.
Es geht in den sozialen Medien sowie im Leben häufig um Selbstinszenierungsstrategien, die auch empowernd sein können. Wie gelingt die Übertragung dieser Reflexionsprozesse dann auf der ganz analogen Bühne?
Wir haben uns sehr intensiv mit Inszenierungsmechanismen am Theater auseinandergesetzt und versucht, zu kommentieren, dass das Theater auch ein Ort des Ideals und der Ästhetik ist. Die Inszenierung geht also genau damit um: angeblickt zu werden und welche Bedeutung es hat, auf der Bühne zu stehen. Es ist ein sehr lustvolles Arbeiten und ein lustvoller Umgang. Das ist für uns vielleicht der wichtigste Schritt: Die Erkenntnis darüber, welche Strukturen dahinterstecken. Auf Plattformen wie Instagram wird deutlich, dass nach wie vor besonders weiße, schlanke, able-bodied Personen präsent und erfolgreich sind. Es ist ganz wichtig zu wissen, dass der Algorithmus genau so programmiert ist und ich als Nutzerin nicht selbst danach suche. Viele Influencer:innen sind erfolgreich, weil sie in ein Schema passen und nicht, weil sie so interessant sind. Sich dessen bewusst zu werden, welche misogynen, sexistischen, rassistischen, klassistischen und ableistischen Strukturen sich da wiederfinden, darüber haben wir viel gesprochen. Daraus ergibt sich für uns, dass Selbstinszenierungen immer eine Konsequenz haben. Und die Konsequenz ist in solchen Fällen, dass marginalisierte Körper öffentlich noch mehr in den Hintergrund rücken.
Da sind wir schnell wieder bei der Frage nach der Repräsentation auf der Bühne und wem Gehör geschenkt wird.
Genau. Es wird einen von einer Performerin selbstgeschriebenen Text geben, der mit der Angst umgeht, dass die Stimmen von Frauen weniger wichtig sind als das Bild von ihnen. Dass Schönheit wichtiger ist als das, was sie sagen, denken, fühlen und auch im politischen Sinne zur Gesellschaft beitragen. In den sozialen Medien findet über diverse Hashtags ein antifeministischer Backlash statt, der jungen Frauen ein veraltetes Klischee von Weiblichkeit propagiert. Der gesamte Algorithmus geht von einem male gaze aus, dem wir etwas entgegensetzen müssen. Als Aktivistin versuche ich meinen Feed und die Reichweite zu nutzen.
Ihr solidarisiert Euch mit den Protestierenden im Iran. Gerade dort findet momentan ein Großteil der Aufklärungsarbeit über Social Media statt.
Man darf auf keinen Fall vergessen, dass im Iran das Internet immer wieder lahm liegt und wir durch das Material, das uns erreicht, auch einen politischen Druck erhöhen können. Social Media bietet durch viele Follower:innen hohe Klickzahlen, die durch öffentliches Teilen verstärkt werden können. Mit unserer Solidaritätsbekundung wollen wir sagen, dass Feminismus intersektional sein muss, auch wenn wir aus einer vornehmlich weißen Position sprechen. Letztendlich ist es eine globale Angelegenheit und weiße Privilegien müssen reflektiert werden.
Das Gespräch führte Inke Johannsen.
Es werden sieben Performerinnen zu sehen sein. Ein rein weibliches Ensemble ist noch immer eine Seltenheit auf den Bühnen – Wie kam es zu dieser Setzung?
Die sieben Personen haben in den Auswahl-Workshops besonders überzeugt und wurden nicht aufgrund ihres Genders ausgewählt. Es ist traurig, dass man das betonen muss – bei einem reinen Männerensemble käme auch keiner auf die Idee, nachzufragen, bei weiblichen Ensembles wird das Stück dann ganz schnell als Frauenstück gelabelt. Aber es ist ein Stück. Punkt. Ich habe schon oft mit reinen Frauenensembles gearbeitet und es ist immer ein Thema. Wir müssen damit aufhören, das als speziell oder außergewöhnlich zu betrachten. Diese sieben Personen sind für uns und die Inszenierung die richtigen.
Schönheitsideale üben seit Jahrtausenden Druck aus, besonders auf Frauen. Welchen Einfluss haben die sozialen Medien auf Schönheitsideale und ihre Rezeption?
Ich habe das Gefühl, dass einige aus unserer Gruppe dem überdrüssig sind, obwohl wir alle auch Instagram-Accounts haben. Die Beschäftigung damit kommt also genau zur richtigen Zeit, indem ein Moment der Reflexion passiert und wir uns fragen, was hier mit uns und der Gesellschaft passiert. Dieser soziale Druck knüpft dann wieder an Machtfragen.
Dafür haben wir viel über Selfies gesprochen, was auch bei Liv Strömquist das Hauptthema ist. Sie arbeitet das Sich-Anschauen auf vielen Ebenen auf: So wie sich damals Kaiserin Sissi in ihrem Spiegelsaal selbst ansah, so schauen wir uns eben in unserem Handyspiegel an und machen ein Foto von uns. Darüber haben wir viel gesprochen, analysiert und uns gefragt, welche Bedeutungen und Bewertungen dahinterstecken. Und wie wir mit dem eigenen Bild und dem, dem wir entsprechen sollen, umgehen können.
Es geht in den sozialen Medien sowie im Leben häufig um Selbstinszenierungsstrategien, die auch empowernd sein können. Wie gelingt die Übertragung dieser Reflexionsprozesse dann auf der ganz analogen Bühne?
Wir haben uns sehr intensiv mit Inszenierungsmechanismen am Theater auseinandergesetzt und versucht, zu kommentieren, dass das Theater auch ein Ort des Ideals und der Ästhetik ist. Die Inszenierung geht also genau damit um: angeblickt zu werden und welche Bedeutung es hat, auf der Bühne zu stehen. Es ist ein sehr lustvolles Arbeiten und ein lustvoller Umgang. Das ist für uns vielleicht der wichtigste Schritt: Die Erkenntnis darüber, welche Strukturen dahinterstecken. Auf Plattformen wie Instagram wird deutlich, dass nach wie vor besonders weiße, schlanke, able-bodied Personen präsent und erfolgreich sind. Es ist ganz wichtig zu wissen, dass der Algorithmus genau so programmiert ist und ich als Nutzerin nicht selbst danach suche. Viele Influencer:innen sind erfolgreich, weil sie in ein Schema passen und nicht, weil sie so interessant sind. Sich dessen bewusst zu werden, welche misogynen, sexistischen, rassistischen, klassistischen und ableistischen Strukturen sich da wiederfinden, darüber haben wir viel gesprochen. Daraus ergibt sich für uns, dass Selbstinszenierungen immer eine Konsequenz haben. Und die Konsequenz ist in solchen Fällen, dass marginalisierte Körper öffentlich noch mehr in den Hintergrund rücken.
Da sind wir schnell wieder bei der Frage nach der Repräsentation auf der Bühne und wem Gehör geschenkt wird.
Genau. Es wird einen von einer Performerin selbstgeschriebenen Text geben, der mit der Angst umgeht, dass die Stimmen von Frauen weniger wichtig sind als das Bild von ihnen. Dass Schönheit wichtiger ist als das, was sie sagen, denken, fühlen und auch im politischen Sinne zur Gesellschaft beitragen. In den sozialen Medien findet über diverse Hashtags ein antifeministischer Backlash statt, der jungen Frauen ein veraltetes Klischee von Weiblichkeit propagiert. Der gesamte Algorithmus geht von einem male gaze aus, dem wir etwas entgegensetzen müssen. Als Aktivistin versuche ich meinen Feed und die Reichweite zu nutzen.
Ihr solidarisiert Euch mit den Protestierenden im Iran. Gerade dort findet momentan ein Großteil der Aufklärungsarbeit über Social Media statt.
Man darf auf keinen Fall vergessen, dass im Iran das Internet immer wieder lahm liegt und wir durch das Material, das uns erreicht, auch einen politischen Druck erhöhen können. Social Media bietet durch viele Follower:innen hohe Klickzahlen, die durch öffentliches Teilen verstärkt werden können. Mit unserer Solidaritätsbekundung wollen wir sagen, dass Feminismus intersektional sein muss, auch wenn wir aus einer vornehmlich weißen Position sprechen. Letztendlich ist es eine globale Angelegenheit und weiße Privilegien müssen reflektiert werden.
Das Gespräch führte Inke Johannsen.

Die Regisseurin und Fettaktivistin Katharina Bill kämpft gegen Body Shaming, Diskriminierung und Marginalisierung mehrgewichtiger Personen und sagt in einem Interview mit der Berliner Zeitung: "Mein Fett ist politisch."