
Drei Fragen an Kamilė Gudmonaitė, Regisseurin von UNSPOKEN

Liebe Kamilė, dies ist deine erste Inszenierung am Jungen Deutschen Theater. Wie ist die Idee für UNSPOKEN entstanden?
Ich habe schon mehrere recherchebasierte Inszenierungen mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen durchgeführt: Gefangene, Menschen mit Behinderungen. Das erste Mal habe ich 2020 mit jungen Menschen in Tallinn im Vaba Lava Theater gearbeitet, wo ich eine Performance zum Thema Generationenkonflikt entwickelt habe. Dafür habe ich unter anderem meine eigene Mutter interviewt. Während der Proben wurde mir klar, dass ich das Video unseres Gesprächs auf der Bühne verwenden muss. Das Gespräch selbst und auch die Tatsache, dass es Teil der Aufführung wurde – und meine Mutter es sah – , begann unsere Beziehung zu verändern. Es war der Anfang dafür, dass wir uns füreinander öffneten, uns anfreundeten und uns besser kennen lernten. Mir wurde klar, dass dies das größte Geschenk ist, das ich den jungen Menschen mit Theater geben kann: ein echtes, ehrliches Gespräch mit ihren eigenen Eltern. Also wollte ich diese Erfahrung weitergeben.
Ich habe schon mehrere recherchebasierte Inszenierungen mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen durchgeführt: Gefangene, Menschen mit Behinderungen. Das erste Mal habe ich 2020 mit jungen Menschen in Tallinn im Vaba Lava Theater gearbeitet, wo ich eine Performance zum Thema Generationenkonflikt entwickelt habe. Dafür habe ich unter anderem meine eigene Mutter interviewt. Während der Proben wurde mir klar, dass ich das Video unseres Gesprächs auf der Bühne verwenden muss. Das Gespräch selbst und auch die Tatsache, dass es Teil der Aufführung wurde – und meine Mutter es sah – , begann unsere Beziehung zu verändern. Es war der Anfang dafür, dass wir uns füreinander öffneten, uns anfreundeten und uns besser kennen lernten. Mir wurde klar, dass dies das größte Geschenk ist, das ich den jungen Menschen mit Theater geben kann: ein echtes, ehrliches Gespräch mit ihren eigenen Eltern. Also wollte ich diese Erfahrung weitergeben.
Die Beziehung zwischen Kindern und Eltern ist ein Mikrokosmos, ist eine Zelle unserer Gesellschaft, die alle gesellschaftlichen Traumata, die wir haben zeigt und widerspiegelt. Und je früher wir beginnen zu kommunizieren, desto besser können wir mit allem umgehen, was uns umgibt: Menschen, Bäume, Kristalle - andere Lebewesen. Als wir begannen, gemeinsam mit jungen Erwachsenen zu forschen, war der Prozess schon erfüllend, bevor wir überhaupt die Probebühne betreten hatten. Und dann gab es noch andere Aspekte, die mich interessierten: Welche Fragen haben die Jugendlichen in Berlin an ihre Eltern? Sind sie so viel anders als meine Generation? Was ist ihr Hauptanliegen in Bezug auf die Welt und Beziehungen? Ich war erstaunt, wie tiefgründig sie denken und für welche Themen sie sich interessieren.
In der Inszenierung UNSPOKEN begegnen wir der Frage: Eine Doku-Oper, was ist das eigentlich? Wie würdest Du Deine Arbeitsweise und den künstlerischen Ansatz für dieses Genre erklären?
Ich interessiere mich sehr für zwei Dinge: den anthropologischen Ansatz im Theater und Sounds. Es macht mir Spaß, verschiedene Aspekte der Menschheit zu erforschen. Dafür tauche ich in Subkulturen, Kulturen, Randsituationen und verschiedene menschliche Verhaltensweisen ein. Aber ich bleibe nicht beim wortwörtlichen oder dokumentarischen Theater stehen – ich verwende die Elemente daraus und schaffe mit der Hinzufügung von Sound und Bild Neuland, welches die Bedeutung des dokumentarischen Materials selbst erweitert.
Diese beiden scheinbar unvereinbaren Phänomene, die an verschiedenen Polen des Theaters existieren, geben mir eine neue künstlerische Herangehensweise und ermöglichen es mir, die Realität zu vermitteln und dabei sehr nah an verschiedenen sozialen Themen zu sein, die ich normalerweise anspreche. So ist die Doku-Oper entstanden.
Woher nimmst du den Mut, solch intensive Themen mit jungen Menschen anzugehen und auf der Bühne künstlerisch zu bearbeiten?
Mein Mut für diese Arbeit kommt in erster Linie aus einer inneren Unzufriedenheit, aus einem Wunsch, etwas zu verändern. Manchmal ist es aber auch einfach der Wunsch verschiedene Teile der Gesellschaft und mich selbst zu verstehen. Der Wunsch, unverbundene Gebiete miteinander zu verbinden. Das ständige Bemühen, den Dialog zu suchen und zu lernen, wie man spricht, rührt offenbar von meinen Kindheitserfahrungen in einem postsowjetischen Land her. Ich gehöre zur ersten Generation, die im unabhängigen Litauen aufgewachsen ist und meine Kindheit und Jugend waren von bestimmten Traumata begleitet: In der sowjetischen Realität war es nicht möglich, über Dinge zu sprechen, die von Bedeutung waren. Also lernten meine Großeltern, meine Eltern und dann ich, uns anzupassen und überhaupt nicht zu sprechen: über Gefühle, innere Erfahrungen, Ereignisse, Beziehungen. In den 90er Jahren gab es die meisten Selbstmorde. Nach der Unabhängigkeit stimmten die neuen Werte nicht mehr mit der alten Geschichte überein, die meine Eltern ihr Leben lang in den sowjetischen Schulen gelernt hatten. Die ersten zehn Jahre waren ziemlich chaotisch: Die neue Welt musste sich erst einmal etablieren und es war nicht einfach, mit dem umzugehen, was von der Sowjetunion übriggeblieben war. Dies führte dazu, dass meine Generation in einer Atmosphäre aufwuchs, in der Alkohol, Gewalt und wenig psychologisches Wissen zum Alltag gehörten. Wenn man niemanden hat, mit dem man über seine Erfahrungen sprechen kann, werden sie leider noch verstärkt. Wenn der Schmerz oder die Unzufriedenheit so stark werden, dass man sie nicht mehr ertragen kann, hat man keine andere Wahl, als über sich selbst hinauszuwachsen und Antworten auf seine Fragen zu finden. Auf diese Weise kommt der Mut. So beginnt man zu tun, was man nicht lassen kann. Die unausgesprochenen und unverstandenen Gefühle müssen ihren Weg finden. Die Antwort ist also wahrscheinlich einfach: Ich möchte die Risse in den Familien und in der Gesellschaft finden, um meine eigenen zu kitten.
Die Fragen stellte Christiane Lehmann.
In der Inszenierung UNSPOKEN begegnen wir der Frage: Eine Doku-Oper, was ist das eigentlich? Wie würdest Du Deine Arbeitsweise und den künstlerischen Ansatz für dieses Genre erklären?
Ich interessiere mich sehr für zwei Dinge: den anthropologischen Ansatz im Theater und Sounds. Es macht mir Spaß, verschiedene Aspekte der Menschheit zu erforschen. Dafür tauche ich in Subkulturen, Kulturen, Randsituationen und verschiedene menschliche Verhaltensweisen ein. Aber ich bleibe nicht beim wortwörtlichen oder dokumentarischen Theater stehen – ich verwende die Elemente daraus und schaffe mit der Hinzufügung von Sound und Bild Neuland, welches die Bedeutung des dokumentarischen Materials selbst erweitert.
Diese beiden scheinbar unvereinbaren Phänomene, die an verschiedenen Polen des Theaters existieren, geben mir eine neue künstlerische Herangehensweise und ermöglichen es mir, die Realität zu vermitteln und dabei sehr nah an verschiedenen sozialen Themen zu sein, die ich normalerweise anspreche. So ist die Doku-Oper entstanden.
Woher nimmst du den Mut, solch intensive Themen mit jungen Menschen anzugehen und auf der Bühne künstlerisch zu bearbeiten?
Mein Mut für diese Arbeit kommt in erster Linie aus einer inneren Unzufriedenheit, aus einem Wunsch, etwas zu verändern. Manchmal ist es aber auch einfach der Wunsch verschiedene Teile der Gesellschaft und mich selbst zu verstehen. Der Wunsch, unverbundene Gebiete miteinander zu verbinden. Das ständige Bemühen, den Dialog zu suchen und zu lernen, wie man spricht, rührt offenbar von meinen Kindheitserfahrungen in einem postsowjetischen Land her. Ich gehöre zur ersten Generation, die im unabhängigen Litauen aufgewachsen ist und meine Kindheit und Jugend waren von bestimmten Traumata begleitet: In der sowjetischen Realität war es nicht möglich, über Dinge zu sprechen, die von Bedeutung waren. Also lernten meine Großeltern, meine Eltern und dann ich, uns anzupassen und überhaupt nicht zu sprechen: über Gefühle, innere Erfahrungen, Ereignisse, Beziehungen. In den 90er Jahren gab es die meisten Selbstmorde. Nach der Unabhängigkeit stimmten die neuen Werte nicht mehr mit der alten Geschichte überein, die meine Eltern ihr Leben lang in den sowjetischen Schulen gelernt hatten. Die ersten zehn Jahre waren ziemlich chaotisch: Die neue Welt musste sich erst einmal etablieren und es war nicht einfach, mit dem umzugehen, was von der Sowjetunion übriggeblieben war. Dies führte dazu, dass meine Generation in einer Atmosphäre aufwuchs, in der Alkohol, Gewalt und wenig psychologisches Wissen zum Alltag gehörten. Wenn man niemanden hat, mit dem man über seine Erfahrungen sprechen kann, werden sie leider noch verstärkt. Wenn der Schmerz oder die Unzufriedenheit so stark werden, dass man sie nicht mehr ertragen kann, hat man keine andere Wahl, als über sich selbst hinauszuwachsen und Antworten auf seine Fragen zu finden. Auf diese Weise kommt der Mut. So beginnt man zu tun, was man nicht lassen kann. Die unausgesprochenen und unverstandenen Gefühle müssen ihren Weg finden. Die Antwort ist also wahrscheinlich einfach: Ich möchte die Risse in den Familien und in der Gesellschaft finden, um meine eigenen zu kitten.
Die Fragen stellte Christiane Lehmann.