Schuhe für die Apokalypse Kostümbildnerin Bettina Werner über ihre Inspirationsquelle zu Blue Skies, 3D-Drucker und dämonische Outfits
Liebe Bettina, viele Kostüme von Blue Skies kommen einem bekannt vor und wirken trotzdem fremd. Woran liegt das?
Die Grundidee ist, dass die Figuren Alltagskleidung tragen, wie man sie auf der Straße sieht, allerdings ein bisschen verzogen und verzerrt.
Es gibt zwei Welten in dem Stück, in denen sich der Klimawandel unterschiedlich darstellt und das Leben immer bedrohlicher wird für die Menschen. In Kalifornien ist alles ausgedörrt und gibt es keinen Regen mehr. Die Waldbrände und das Buschfeuer nehmen zu und es wird immer heißer. Die Familie, die dort lebt, trägt helle, verblichene Kleidung, die teilweise dreckig verfärbt ist. Die Kleidung soll staubig und vertrocknet aussehen. In Florida wiederum sind die Menschen mit Dauerregen und Überschwemmungen konfrontiert. Die Kostüme dort sind düster, erinnern an Regenkleidung, die nass am Körper klebt.
Ein gutes Beispiel für Verzerrung als Leitmotiv sind diese merkwürdig spitzen Schuhe. Wie kam es dazu?
Ich wollte für die Kostüme unbedingt seltsame Schuhe mit verlängerten Spitzen und habe mit einer Freundin gebrainstormt. Wir haben uns überlegt, ob wir die Spitzen mit verstellbaren Schienen auf normale Schuhe drauf bauen können. Dann habe ich bei Instagram eine kleine Londoner Firma Body Amplification Devices gefunden, die Schuhe und Taschen in 3D-Drucker herstellt. Deren Schuhe sehen aus wie irgendetwas zwischen Cowboyboots und Badeschuhe. Das war schon ziemlich passend. Sie haben dann genau nach meinem Design eine Verlängerungsspitze gebaut und dann die Schuhe gedruckt. Und der Berliner Bühnenservice hat die Schuhe dann noch farblich angesprüht.
Welche Vision steckt hinter dieser verzerrten Ästhetik?
Es ging mir eher um die Gesamtsilhouette, inspiriert von dem Künstler Tobias Spichtig. Er kreiert giacomettigartige Figuren, mit ganz langen, dünnen, ausgemergelten Gliedmaßen und spitzen Kapuzen und langen Füße. Manchmal tragen die Figuren sogar Taucherflossen.
Ich wollte mit den Schuhen die Silhouetten nach oben und nach vorne verlängern, so dass die Körper in die Höhe und nach unten in die Länge gestreckt aussehen. Das ist eigentlich die Idee dieser Spitze. Außerdem finde ich es interessant, wenn die Spieler:innen auf der Bühne nicht irgendwelche Turnschuhe tragen, wie man sie von der Straße kennt. Ich wollte hier eine Überhöhung: komisch-verzerrt in die Länge gezogen, vergrößert, verschmälert. Ich liebe das.
So cool, wie die Schuhe aussehen: Sind das die Schuhe einer nachhaltigeren Zukunft oder sogar schon jetzt etwas für unseren Alltag?
Ich glaube, die Spieler:innen würden sie jetzt nicht in ihrem Alltag anziehen, weil man natürlich mit extralangen Füßen und so langen Spitzen anders läuft.
Aber ich selbst habe ein anderes 3D-gedrucktes Modell der Firma und bin sehr zufrieden. Die Schuhe bestehen aus dem Naturmaterial Gummi, sind vegan und recycelbar. Außerdem sind sie aus einem Stück gegossen, so dass man keine Verschnittreste produziert.
Auch ein Vorteil dieser Produktionsart: Die Sohle kann sich nicht lösen,Verschlüsse nicht kaputt gehen. Aber ob die Schuhe jetzt länger halten werden, weiß ich nicht.
Neben den verfremdeten Alltagslooks gibt es auch Figuren, die nicht von dieser Welt scheinen. Was hat es mit ihrem Kostümbild auf sich?
In T.C. Boyles Text gibt es einen biblischen Apokalypse-Aspekt, den wir mit den Dämonen aufgreifen. Sie tauchen ab und an auf und suchen die Figuren heim. Sie tragen entweder komplett neue monsterartige Kostüme, oder verwandeln sich, in dem sie zu ihrem Kostüm eine Maske tragen.
Inwiefern habt ihr Aspekte der Nachhaltigkeit im Kostümbild von Blue Skies berücksichtigt?
Neben den verfremdeten Alltagslooks gibt es auch Figuren, die nicht von dieser Welt scheinen. Was hat es mit ihrem Kostümbild auf sich?
Generell haben wir ziemlich viele Kostüme geupcycelt und viele Sachen aus dem Theaterfundus verwendet. Aus zwei alten Hosten haben wir beispielsweise eine neue genäht. Eine Freundin von mir betreibt ein Denim Upcycling Label Radical Decisions: Für Julischka Eichels Figur hat sie aus altem Jeansstoff eine Fashion-Abendrobe gefertigt.