
Alte Meister
nach Thomas Bernhard
Fassung von Thom Luz und David Heiligers
Obwohl er beides hasst – Spazierengehen wie Museumsbesuche – spaziert der Musikkritiker Reger seit über dreißig Jahren ins Kunsthistorische Museum, wo er im Bordone-Saal seine Vormittage verbringt. Dort betrachtet er die sogenannten Meisterwerke, vornehmlich Tintorettos Weißbärtigen Mann, um mit großer Lust und Akribie in ihnen das Unfertige, das Fragmentarische und Fehlerhafte zu entdecken. Stets an seiner Seite: der Saaldiener Irrsigler, der ihm als Ansprechpartner und Sprachrohr dient. Eigentlich nämlich ist Reger die Museumssitzbank über die Jahrzehnte zum Denk- und Lesezimmer geworden. Umgeben von den Alten Meistern, inmitten der idealen Raumtemperatur und perfekten Lichtverhältnisse, durchblättert er die Bücher der Großen Geister, sucht die Wahrheit und findet ihre Lücke. Im Grunde genommen aber sichert ihm diese verrückte Gewohnheit das Überleben – vor allem nach dem Tod seiner Frau, der ihn die eigene Unvollkommenheit schmerzhaft deutlich spüren lässt.
Thom Luz inszeniert Thomas Bernhards 1985 erschienen Roman als helle, verzweifelte Hommage an die speziellen Talente einsamer Menschen und macht sich auf die Suche nach der Liebeserklärung hinter der Hasstirade.
Ausgezeichnet als "Beste Inszenierung" beim International Festival of Plays Pleasant and Unpleasant in Łódź 2019.
Obwohl er beides hasst – Spazierengehen wie Museumsbesuche – spaziert der Musikkritiker Reger seit über dreißig Jahren ins Kunsthistorische Museum, wo er im Bordone-Saal seine Vormittage verbringt. Dort betrachtet er die sogenannten Meisterwerke, vornehmlich Tintorettos Weißbärtigen Mann, um mit großer Lust und Akribie in ihnen das Unfertige, das Fragmentarische und Fehlerhafte zu entdecken. Stets an seiner Seite: der Saaldiener Irrsigler, der ihm als Ansprechpartner und Sprachrohr dient. Eigentlich nämlich ist Reger die Museumssitzbank über die Jahrzehnte zum Denk- und Lesezimmer geworden. Umgeben von den Alten Meistern, inmitten der idealen Raumtemperatur und perfekten Lichtverhältnisse, durchblättert er die Bücher der Großen Geister, sucht die Wahrheit und findet ihre Lücke. Im Grunde genommen aber sichert ihm diese verrückte Gewohnheit das Überleben – vor allem nach dem Tod seiner Frau, der ihn die eigene Unvollkommenheit schmerzhaft deutlich spüren lässt.
Thom Luz inszeniert Thomas Bernhards 1985 erschienen Roman als helle, verzweifelte Hommage an die speziellen Talente einsamer Menschen und macht sich auf die Suche nach der Liebeserklärung hinter der Hasstirade.
Ausgezeichnet als "Beste Inszenierung" beim International Festival of Plays Pleasant and Unpleasant in Łódź 2019.
Inszenierung Thom Luz
Musikalische Leitung Mathias Weibel
Bühne Wolfgang Menardi, Thom Luz
Kostüme Sophie Leypold
Licht Thomas Langguth
Dramaturgie David Heiligers
Premiere
14. September 2018, Kammerspiele
14. September 2018, Kammerspiele
Katharina MatzFrau Reger

Christoph FrankenIrrsigler

Camill JammalIrrsigler

Wolfgang MenardiIrrsigler

Daniele PintaudiAtzbacher

Camill JammalKlaviere

Daniele PintaudiKlaviere

Frau Reger
Irrsigler
Atzbacher
Klaviere
Thom Luz zelebriert diese Schrullen, wenn er seinen Pianisten Daniele Pintaudi mit schonungsloser Penetranz endlos den salonsüßlichen Steiermärker von Anton Bruckner repetieren lässt. Er findet surreale Momente, wo seine Museumswärter fast wie die Anzugträger auf Gemälden von René Magritte durchsichtig werden, ihre Köpfe durch die Museumswände stecken oder durch diese Wände (die sich dabei als Vorhänge entpuppen) ganz entschwinden. Die Bühne von Thom Luz und Wolfgang Menardi ist fraglos ein Wurf. [...] Bernhards Roman-Komposition wurde mit der Kunst der Fuge verglichen, als gleichsam musikalische Durchführung, Variation und Umkehrung von Themen. Und mindestens darin müsste sein Werk Thom Luz liegen. Zumal sich in den Themen eine Liebe zum Schrulligen und Eigentümlichen niederschlägt, die Luz nicht fremd ist. Bernhards Figuren sind ja im Kern ungewöhnliche Gewohnheitsmenschen, Pedanten, die sich auf abseitige Routinen verlegen, die sich gleichsam aus dem Alltag verrücken. Das Wort "verrückt" bekommt bei Bernhard eine sehr fassliche Bedeutung. [...]
Thom Luz zelebriert diese Schrullen, wenn er seinen Pianisten Daniele Pintaudi mit schonungsloser Penetranz endlos den salonsüßlichen Steiermärker von Anton Bruckner repetieren lässt. Er findet surreale Momente, wo seine Museumswärter fast wie die Anzugträger auf Gemälden von René Magritte durchsichtig werden, ihre Köpfe durch die Museumswände stecken oder durch diese Wände (die sich dabei als Vorhänge entpuppen) ganz entschwinden. Die Bühne von Thom Luz und Wolfgang Menardi ist fraglos ein Wurf. [...]
Der Nebel im Bühnenraum, der hier also für eine nicht reale, sondern eine erinnerte, vielleicht sogar nur imaginierte Welt steht und dem Regisseur Tür und Tor für eine surreale Geisterstunde öffnet, hat sich inzwischen langsam verzogen. Ein weißer, klassizistisch anmutender Museumssaal tut sich auf. Man sieht Schatten, die sich bald als eine verdreifachte Version Irrsiglers herausstellen, gespielt von Christoph Franken, Camill Jammal und Wolfgang Menardi. [...]
Wo sie sich aber definitiv treffen, Thomas Bernhard, der Beschimpfer, und Thom Luz, der sanfte Bühnenpoet, das ist in der Musik. Bernhards Text ist komponiert aus Wiederholungen, Umkehrungen, Reprisen. Und auch Thom Luz hat seinen Abend sorgsam choreografiert und arrangiert [...]
Mit Musik und Licht, mit großer Freude an absurden Details in einem einnehmenden Bühnensetting. Das ist fraglos hübsch anzusehen, bisweilen auch komisch. Viel vom Theatermagier Thom Luz ist hier zu sehen. [...] Natürlich ist da wieder Nebel. Eine fette weiße Wand trennt die Rampe vom Bühnenraum der Kammerspiele im Deutschen Theater. Ein halb durchsichtiger Gazevorhang davor macht das bisschen Licht, was nach und nach durchbricht, noch extra diffus. Es ist ja immer Nebel, wenn der Schweizer Regisseur Thom Luz inszeniert. In seinen Inszenierungen verschleiert er mit dicken Schwaden die Realität, baut aus ihnen Zwischenräume, haucht allem wabernde Vergänglichkeit ein. [...]
Der Nebel im Bühnenraum, der hier also für eine nicht reale, sondern eine erinnerte, vielleicht sogar nur imaginierte Welt steht und dem Regisseur Tür und Tor für eine surreale Geisterstunde öffnet, hat sich inzwischen langsam verzogen. Ein weißer, klassizistisch anmutender Museumssaal tut sich auf. Man sieht Schatten, die sich bald als eine verdreifachte Version Irrsiglers herausstellen, gespielt von Christoph Franken, Camill Jammal und Wolfgang Menardi. [...]
Wo sie sich aber definitiv treffen, Thomas Bernhard, der Beschimpfer, und Thom Luz, der sanfte Bühnenpoet, das ist in der Musik. Bernhards Text ist komponiert aus Wiederholungen, Umkehrungen, Reprisen. Und auch Thom Luz hat seinen Abend sorgsam choreografiert und arrangiert [...]
Mit Musik und Licht, mit großer Freude an absurden Details in einem einnehmenden Bühnensetting. Das ist fraglos hübsch anzusehen, bisweilen auch komisch. Viel vom Theatermagier Thom Luz ist hier zu sehen. [...]
Thom Luz inszeniert Regers unedliche Suada über die Unmöglichkeit der Welt und die Unerträglichkeit Österreichs inklusive der Werke von Adalbert Stifter, Anton Bruckner und Martin Heidegger als anmutig komischen, grotesk präzisen Leerlauf durch die Schattenzonen des Absurden. [...]
Die Textblöcke werden von den Museumswärtern mal chorisch versetzt, mal einzeln oder als bizarre Dialoge aufbereitet. In der wattigen Weiße des Saales finden sie einen verstörend unbeteiligten Echoraum, was ihnen aber nicht die Schlagkraft nimmt, im Gegenteil: Je zielloser die Worte zu fallen scheinen, desto energischer zielen sie ins Publikum und ziehen es, magisch aufgeladen, in ihren Bann. [...]
In der geistreichen, filigran-schönen Inszenierung von Thom Luz verliert "Alte Meister" an Bedeutungslast, gewinnt dafür an dynamischer Dramatik und anarchischer Unterhaltsamkeit. Wie ein vorzügliches Streichquartett bringt das Ensemble das Romanstück subtil und emphatisch in herzinnglichen Schwung. Und so bekommt Thomas Bernhards mürrische Kunstbetrachtung eine ganz neue Dimension: Sie lässt sich mit den Augen anhören und mit den Ohren ansehen. Was für ein Vergnügen! In den Kammerspielen des Deutschen Theaters Berlin dreht der Regisseur Thom Luz die Spirale der gebrochenen Darstellung in seiner liebevollen Fassung "nach Thomas Bernhard" noch weiter. Denn hier gibt es kein Gemälde, sondern einen offenbar leeren, jedenfalls strahlend weißen Raum, der an die begehbaren Lichtinstallationen von James Turrell erinnert. [...]
Thom Luz inszeniert Regers unedliche Suada über die Unmöglichkeit der Welt und die Unerträglichkeit Österreichs inklusive der Werke von Adalbert Stifter, Anton Bruckner und Martin Heidegger als anmutig komischen, grotesk präzisen Leerlauf durch die Schattenzonen des Absurden. [...]
Die Textblöcke werden von den Museumswärtern mal chorisch versetzt, mal einzeln oder als bizarre Dialoge aufbereitet. In der wattigen Weiße des Saales finden sie einen verstörend unbeteiligten Echoraum, was ihnen aber nicht die Schlagkraft nimmt, im Gegenteil: Je zielloser die Worte zu fallen scheinen, desto energischer zielen sie ins Publikum und ziehen es, magisch aufgeladen, in ihren Bann. [...]
In der geistreichen, filigran-schönen Inszenierung von Thom Luz verliert "Alte Meister" an Bedeutungslast, gewinnt dafür an dynamischer Dramatik und anarchischer Unterhaltsamkeit. Wie ein vorzügliches Streichquartett bringt das Ensemble das Romanstück subtil und emphatisch in herzinnglichen Schwung. Und so bekommt Thomas Bernhards mürrische Kunstbetrachtung eine ganz neue Dimension: Sie lässt sich mit den Augen anhören und mit den Ohren ansehen. Was für ein Vergnügen!
Thom Luz hat eine Art Herbert-Fritsch-Zugang gewählt: Etwas recht Altes in einen neuen Rahmen gesteckt, um auch die Komik, die bei Thomas Bernhard selbstredend immer schon da war, neu leuchten zu lassen. [...]
Dort spielen (sic!) Christoph Franken, Wolfgang Menardi und Camill Jammal drei Museumswärter, ausgestattet mit einschaltbaren Kragenmikrofonen. Sie werden als "Irrsigler" und "Atzbacher" geführt, also als Protagonisten des Bernhardschen Romans, und werfen sich munter die hübschen Satzkaskaden zu, während sie mit "sagte Reger" oder "sagte Irrsigler" so etwas wie eine weitere Ebene, einen Bruch mit ins Spiel bringen. Alles ist nebulös, aber auch leicht. [...]
"Alte Meister" ist eine lächeln machende Reminiszenz. Die anregt, noch einmal in die verstaubten Romane des großen österreichischen Grantlers zu gucken und sich neue Gedanken über die Wirkmacht von Schimpftiraden zu machen. Das ist die eine Leistung, die dieses Stück vollbringt. Die andere ist, dass es einen Theatersaal aufs angenehmste unterhält, und zwar auf eine musikalische und zeitgemäße Art. Herrliche Hasstiraden und Abwurf bildungsbürgerlichen Ballastes [...]
Thom Luz hat eine Art Herbert-Fritsch-Zugang gewählt: Etwas recht Altes in einen neuen Rahmen gesteckt, um auch die Komik, die bei Thomas Bernhard selbstredend immer schon da war, neu leuchten zu lassen. [...]
Dort spielen (sic!) Christoph Franken, Wolfgang Menardi und Camill Jammal drei Museumswärter, ausgestattet mit einschaltbaren Kragenmikrofonen. Sie werden als "Irrsigler" und "Atzbacher" geführt, also als Protagonisten des Bernhardschen Romans, und werfen sich munter die hübschen Satzkaskaden zu, während sie mit "sagte Reger" oder "sagte Irrsigler" so etwas wie eine weitere Ebene, einen Bruch mit ins Spiel bringen. Alles ist nebulös, aber auch leicht. [...]
"Alte Meister" ist eine lächeln machende Reminiszenz. Die anregt, noch einmal in die verstaubten Romane des großen österreichischen Grantlers zu gucken und sich neue Gedanken über die Wirkmacht von Schimpftiraden zu machen. Das ist die eine Leistung, die dieses Stück vollbringt. Die andere ist, dass es einen Theatersaal aufs angenehmste unterhält, und zwar auf eine musikalische und zeitgemäße Art.
In den Kammerspielen des Deutschen Theaters inszeniert Regisseur Thom Luz die unendliche Suada des einen über die Unmöglichkeit der Welt und die Unerträglichkeit Österreichs inklusive der Werke von Adalbert Stifter, Anton Bruckner und Martin Heidegger als anmutig komischen, grotesk präzisen Leerlauf durch die Schattenzonen des Absurden.
Je zielloser die Worte zu fallen scheinen, desto energischer zielen sie ins Publikum und ziehen es, magisch aufgeladen, in ihren Bann. Wie ein vorzügliches Streichquartett bringen die Schauspieler den Text subtil und emphatisch in herzinniglichen Schwung. Und so bekommt Bernhards mürrische Kunstbetrachtung eine ganz neue Dimension: Sie lässt sich mit den Augen anhören und mit den Ohren ansehen. Und illustriert aufs Schönste, wie manche gebrochene Erwartung beglücken kann. Als „Komödie“ bezeichnete Thomas Bernhard im Untertitel seinen Roman „Alte Meister“ (1985), als hätte er ihn sich schon damals als Theaterstück vorstellen können. [...]
In den Kammerspielen des Deutschen Theaters inszeniert Regisseur Thom Luz die unendliche Suada des einen über die Unmöglichkeit der Welt und die Unerträglichkeit Österreichs inklusive der Werke von Adalbert Stifter, Anton Bruckner und Martin Heidegger als anmutig komischen, grotesk präzisen Leerlauf durch die Schattenzonen des Absurden.
Je zielloser die Worte zu fallen scheinen, desto energischer zielen sie ins Publikum und ziehen es, magisch aufgeladen, in ihren Bann. Wie ein vorzügliches Streichquartett bringen die Schauspieler den Text subtil und emphatisch in herzinniglichen Schwung. Und so bekommt Bernhards mürrische Kunstbetrachtung eine ganz neue Dimension: Sie lässt sich mit den Augen anhören und mit den Ohren ansehen. Und illustriert aufs Schönste, wie manche gebrochene Erwartung beglücken kann.