
Glaube Liebe Hoffnung
Ein kleiner Totentanz in fünf Bildern
von Ödön von Horváth und Lukas Kristl
Voller Hoffnung versucht die junge Elisabeth in Zeiten von Arbeitslosigkeit und Rezession ihr Glück zu machen. Um ans nötige Geld für den Gewerbeschein als Vertreterin zu kommen, plant sie, ihren Leichnam im Anatomischen Institut schon zu Lebzeiten zu verkaufen. Ein Präparator gibt ihr Kredit, zeigt Elisabeth jedoch später an, als er erfährt, dass die Leihgabe zur Bezahlung einer Vorstrafe draufging: wegen Handels ohne Gewerbeschein. Elisabeth kommt ins Gefängnis, ein Aufenthalt, der ihre Liebesbeziehung zu einem Polizisten scheitern lässt. Wieder allein, ohne Arbeit und Geld, geht sie ins Wasser. – Jürgen Kruse begibt sich mit seinem Ensemble hinein in den „gigantischen Kampf zwischen Individuum und Gesellschaft, dieses ewige Schlachten, bei dem es zu keinem Frieden kommen soll – höchstens, dass mal ein Individuum für einige Momente die Illusion des Waffenstillstandes genießt“ (Ödön von Horváth).
Co-Regie Jürgen Kruse
Bühne Bernd Damovsky
Kostüme Sophie Leypold
Licht Thomas Langguth
Dramaturgie Juliane Koepp, Franziska Trinkaus
Premiere
27. Oktober 2019
Kammerspiele
27. Oktober 2019
Kammerspiele
Linda PöppelElisabeth

Manuel HarderEin Schupo (Alfons Klostermeyer)

Caner SunarOberpräparator / Ein Buchhalter / Ein Kriminaler

Jürgen HuthPräparator

Bernd StempelVizepräparator

Natali SeeligDer Baron mit dem Trauerflor / Joachim, der tollkühne Lebensretter

Alexandra FinderIrene Prantl / Kamerad / Engel

Frank BüttnerEr selbst, der Herr Amtsgerichtsrat / Schwarzer Engel

Christian HankammerDer Oberinspektor / Ein dritter Schupo
Julia BoxheimerEngel / Joachim, der tollkühne Lebensretter
Sarah LauksEngel
Nina PhilippEngel
Johann OttenEiner der zwei Männer, im Smoking

Elisabeth
Ein Schupo (Alfons Klostermeyer)
Oberpräparator / Ein Buchhalter / Ein Kriminaler
Präparator
Vizepräparator
Der Baron mit dem Trauerflor / Joachim, der tollkühne Lebensretter
Irene Prantl / Kamerad / Engel
Er selbst, der Herr Amtsgerichtsrat / Schwarzer Engel
Christian Hankammer
Der Oberinspektor / Ein dritter Schupo
Julia Boxheimer
Engel / Joachim, der tollkühne Lebensretter
Sarah Lauks, Nina Philipp
Engel
Einer der zwei Männer, im Smoking
Horváths Geschichten der zerborstenen Aufstiegssehnsüchte erzählen sich über die Sprache, diese seltsam künstlichen Einfach-Sätze zwischen Jargon und Verfremdung, die immer etwas anderes zu sein vorgeben als sie sind. Kruse legt, wie in allen seinen Inszenierungen, hier noch einmal den Schredder an, bzw. überlässt sie der Assoziations- und Kalauerwut seiner Schauspieler. Sie schmecken die Worte ab, lassen sie zögernd ins Absurde rollen, bis Gutachten zu Blutachten werden. Kapazitäten zu Grappazitäten, "Zur Sache" zur Sachertorte und per Du zu perdu. [...]
Manuel Harder klampft köstlich unbeholfen in Unterhosen auf der Gitarre, sie [Linda Pöppel] springt ihn an, sie wirbeln zum Rainbow-Song der Stones über die Bühne, keiner spricht, alles bebt. Kruse nimmt den Totentanz wörtlich, und Bernd Damovsky hat ihm dazu eine übervolle finstere Höhle in die Kammerspiele gebaut: Hinter der Gaze-Brecht-Gardine schimmert eine Geisterbahn mit Taubenmobile, Totenköpfen und Skeletten, weiße und ein schwarzer Engel irrlichtern durch das Dunkel. [...]
Horváths Geschichten der zerborstenen Aufstiegssehnsüchte erzählen sich über die Sprache, diese seltsam künstlichen Einfach-Sätze zwischen Jargon und Verfremdung, die immer etwas anderes zu sein vorgeben als sie sind. Kruse legt, wie in allen seinen Inszenierungen, hier noch einmal den Schredder an, bzw. überlässt sie der Assoziations- und Kalauerwut seiner Schauspieler. Sie schmecken die Worte ab, lassen sie zögernd ins Absurde rollen, bis Gutachten zu Blutachten werden. Kapazitäten zu Grappazitäten, "Zur Sache" zur Sachertorte und per Du zu perdu. [...]
Manuel Harder klampft köstlich unbeholfen in Unterhosen auf der Gitarre, sie [Linda Pöppel] springt ihn an, sie wirbeln zum Rainbow-Song der Stones über die Bühne, keiner spricht, alles bebt.
Kruses eigen- und einzigartiger Stil bewegt sich immer im eigenen Kosmos und von dort aus auf die Stücke zu, um ihnen dann in furioser Detailvernarrtheit das Spinnennetz aus Zeichen und Texten überzuwerfen.
[…] Bei Horvath, dem Sprach-Verknapper, ist dieser Effekt aber sinnvoller und erhellender als sonst. [...] Und auch die berühmten, in den Text geschriebenen Pausen funktionieren in Kruses Manier viel interessanter – er pflegt sie in die Sätze selber ein.
[…]. Und über zahllosen Rumsteherchen im ewigen Halbdunkel thront wieder ein Globus in Jürgen Kruses Welttheater. Aber nichts steht, liegt und hängt hier grundlos herum. Exquisiter Musikgeschmack kommt hinzu, diesmal stark konzentriert auf Uralt-Schlager, die die Beziehungsunfähigkeit aufnimmt in Horváth Gesellschaftspanorama fundamentaler Verarmung. […] Linda Pöppel und Manuel Harder sind ein starkes Kruse-Paar; gerade weil sie die Präsenz des wimmelnden Kollektivs nie in Frage stellen. […]
Kruses eigen- und einzigartiger Stil bewegt sich immer im eigenen Kosmos und von dort aus auf die Stücke zu, um ihnen dann in furioser Detailvernarrtheit das Spinnennetz aus Zeichen und Texten überzuwerfen.
[…] Bei Horvath, dem Sprach-Verknapper, ist dieser Effekt aber sinnvoller und erhellender als sonst. [...] Und auch die berühmten, in den Text geschriebenen Pausen funktionieren in Kruses Manier viel interessanter – er pflegt sie in die Sätze selber ein.
[…]. Und über zahllosen Rumsteherchen im ewigen Halbdunkel thront wieder ein Globus in Jürgen Kruses Welttheater. Aber nichts steht, liegt und hängt hier grundlos herum. Exquisiter Musikgeschmack kommt hinzu, diesmal stark konzentriert auf Uralt-Schlager, die die Beziehungsunfähigkeit aufnimmt in Horváth Gesellschaftspanorama fundamentaler Verarmung. […]
Ein neuer Kruse ist da! Die Fangemeinde musste zwei Jahre warten, nun holpert und knirscht und berauscht es dann doch. Jürgen Kruse interessiert sich nicht für analytisches, intellektuelles Kopftheater. […] Es ist, wie wenn man statt eines Champignon-Omeletts ohne Vorwarnung Magic Mushrooms vorgesetzt bekäme. Kruse geht es nicht um Psychologie, sondern darum, Besucher kollektiv auf einen psychedelischen Trip zu schicken – mit den Mitteln des Theaters. [...]
Nun hat er im Deutschen Theater Ödön von Horváths "Glaube Liebe Hoffnung" inszeniert, das Horváth gemeinsam mit dem Gerichtsreporter Lukas Kristl verfasste. Hinter einem schwarzen Gazevorhang zeigen sich schemenhaft Silhouetten. Vor dem Vorhang türmen sich Bücher und Blumen, an einer Wäscheleine hängen Hüftgürtel, Büstenhalter, Korsette. Ein Rätselwesen nach dem anderen tritt so nah an den Vorhang, dass man das Gesicht sehen kann. […]
Die Schauspieler grüßen nach draußen: "Guten Abend", als ersten längeren Text sprechen sie Peter Handkes "Als das Kind Kind war" (Kruse benutzt oft Texte von Handke, aber direkt als Auftakt ist das gerade in dieser Woche natürlich auch eine Provokation). Dann geht der Vorhang auf und dahinter öffnet sich eine Traumrumpelkammer: eine Litfaßsäule mit einem "Körperwelten"-Plakat, Schaufensterpuppen, Grabengel, Marienstatuen, an der Hinterwand aufgemalte grinsende Skelette. Links vorn geht eine Tür zum Wohlfahrtsamt, gegenüber liegt das Anatomische Institut. […]
Bei Kruse betreiben die Figuren ihre Angelegenheiten nur mit halber Kraft, unterbrechen sich ständig und horchen in ein unheimliches Draußen. Was am meisten in die Traumatmosphäre hineinzieht, ist, dass manche plötzlich Zähne ausspucken, zwei, drei, Dutzende – während sie weitersprechen und es kaum zu registrieren scheinen. Und dass ihnen, die doch so nötig Geld brauchen, auf einmal Büschel von Geldscheinen aus allen Taschen quellen, sie achtlos Münzen auf den Boden fallen lassen. Hinter dem gesellschaftlichen Unglück steckt etwas Anderes, Unbegreifliches, alles hängt mit allem bedeutungsvoll zusammen, Träume sind immer Verschwörungstheorien. […] Die Krusetraumwelt ruckelt und holpert also diesmal […] und macht dann doch wieder sehr glücklich, mit großartigen Schauspielern, und ganz anders als alles Andere, bewusstseinserweiternd, ein Stoff der Träume, den seine User einfach brauchen, und es ist schön, dass er jetzt wieder zu haben ist. [...]
Ein neuer Kruse ist da! Die Fangemeinde musste zwei Jahre warten, nun holpert und knirscht und berauscht es dann doch. Jürgen Kruse interessiert sich nicht für analytisches, intellektuelles Kopftheater. […] Es ist, wie wenn man statt eines Champignon-Omeletts ohne Vorwarnung Magic Mushrooms vorgesetzt bekäme. Kruse geht es nicht um Psychologie, sondern darum, Besucher kollektiv auf einen psychedelischen Trip zu schicken – mit den Mitteln des Theaters. [...]
Nun hat er im Deutschen Theater Ödön von Horváths "Glaube Liebe Hoffnung" inszeniert, das Horváth gemeinsam mit dem Gerichtsreporter Lukas Kristl verfasste. Hinter einem schwarzen Gazevorhang zeigen sich schemenhaft Silhouetten. Vor dem Vorhang türmen sich Bücher und Blumen, an einer Wäscheleine hängen Hüftgürtel, Büstenhalter, Korsette. Ein Rätselwesen nach dem anderen tritt so nah an den Vorhang, dass man das Gesicht sehen kann. […]
Die Schauspieler grüßen nach draußen: "Guten Abend", als ersten längeren Text sprechen sie Peter Handkes "Als das Kind Kind war" (Kruse benutzt oft Texte von Handke, aber direkt als Auftakt ist das gerade in dieser Woche natürlich auch eine Provokation). Dann geht der Vorhang auf und dahinter öffnet sich eine Traumrumpelkammer: eine Litfaßsäule mit einem "Körperwelten"-Plakat, Schaufensterpuppen, Grabengel, Marienstatuen, an der Hinterwand aufgemalte grinsende Skelette. Links vorn geht eine Tür zum Wohlfahrtsamt, gegenüber liegt das Anatomische Institut. […]
Bei Kruse betreiben die Figuren ihre Angelegenheiten nur mit halber Kraft, unterbrechen sich ständig und horchen in ein unheimliches Draußen. Was am meisten in die Traumatmosphäre hineinzieht, ist, dass manche plötzlich Zähne ausspucken, zwei, drei, Dutzende – während sie weitersprechen und es kaum zu registrieren scheinen. Und dass ihnen, die doch so nötig Geld brauchen, auf einmal Büschel von Geldscheinen aus allen Taschen quellen, sie achtlos Münzen auf den Boden fallen lassen. Hinter dem gesellschaftlichen Unglück steckt etwas Anderes, Unbegreifliches, alles hängt mit allem bedeutungsvoll zusammen, Träume sind immer Verschwörungstheorien. […]
Bedeutungsvoll wird eine Brecht-Gardine beiseite gezogen. Freigelegt wird ein Horrorkabinett der Körperwelten, eine Rumpelkammer vollgestopft mit Marienfiguren, schwarzen Engeln, Skeletten.
Regisseur Jürgen Kruse – bekannt für komplexe ästhetische Zumutungen – legt den gerade wieder viel gespielten Ödön-von-Horvath-Klassiker "Glaube, Liebe, Hoffnung" als krude Groteske auf. [...] in der Elisabeth pulsiert noch Lebensenergie, so wie Linda Pöppel sie tatsächlich hinreißend [...] spielt.
Bedeutungsvoll wird eine Brecht-Gardine beiseite gezogen. Freigelegt wird ein Horrorkabinett der Körperwelten, eine Rumpelkammer vollgestopft mit Marienfiguren, schwarzen Engeln, Skeletten.
Regisseur Jürgen Kruse – bekannt für komplexe ästhetische Zumutungen – legt den gerade wieder viel gespielten Ödön-von-Horvath-Klassiker "Glaube, Liebe, Hoffnung" als krude Groteske auf.
[...]
Kruse ist ein Melancholiker, der stets irgendwo zwischen ironischer Coolness, schrecklichen Kalauern und überschäumender Emotion inszeniert.
[...]
ln der letzten halben Stunde dieses düsteren Abends wird Kruses Totentanz [...] lebendig-emotional, überbordend albtraumhaft.
Wenn Linda Pöppel und Manuel Harder dieses Paar spielen, mit einer Verliebtheit, die sie vielleicht noch vor dem Abgrund zu retten vermag, dann dringt schließlich doch noch der Melancholiker Kruse durch.
[...]
Kruse ist ein Melancholiker, der stets irgendwo zwischen ironischer Coolness, schrecklichen Kalauern und überschäumender Emotion inszeniert.
[...]
ln der letzten halben Stunde dieses düsteren Abends wird Kruses Totentanz [...] lebendig-emotional, überbordend albtraumhaft.
Bernd Stempel, sie folgen dem Martyrium Elisabeths mit lustvollem, auf zweierlei Weise beruflich begründetem Interesse: als Präparatoren und als Schauspielerkollegen.
[...]
Der Schmerz verschiebt sich von der gemachten sozialen Ungerechtigkeit, gegen die man vielleicht etwas unternehmen könnte, zu einem existenziellen Problem mit der entsprechend dröhnenden Ohnmacht.
[...] der dann seelisch doch ganz ausgefüllte und beglaubigte Schmerz im Spiel des Ensembles, wirkt farbig, klebrig und schwer nach. Wie ein böser Traum.
Teuflischen Frohsinn verbreiten Jürgen Huth und
Bernd Stempel, sie folgen dem Martyrium Elisabeths mit lustvollem, auf zweierlei Weise beruflich begründetem Interesse: als Präparatoren und als Schauspielerkollegen.
[...]
Der Schmerz verschiebt sich von der gemachten sozialen Ungerechtigkeit, gegen die man vielleicht etwas unternehmen könnte, zu einem existenziellen Problem mit der entsprechend dröhnenden Ohnmacht.
[...] der dann seelisch doch ganz ausgefüllte und beglaubigte Schmerz im Spiel des Ensembles, wirkt farbig, klebrig und schwer nach. Wie ein böser Traum.
[...]
Tatsächlich sind immer wieder außergewöhnliche Abende entstanden in Kruses schummrigen, kreativ zugerümpelten Bühnenwelten. Unvergleichliche Theater-Trips, die mit ihren Kalauern, Wortverdrehern und konsequent sinnentstellten Betonungen unbeirrt sämtlichen Moden trotzen.
Die sonntagmorgendliche Paarkitsch-Idylle zum Beispiel, die Pöppel und Harder einmal zwischen Blumenvase, E-Gitarre und den Stones auf die Bretterironisieren, wird sicher im theatersaisonalen Gedächtnis bleiben.
[...]
Tatsächlich sind immer wieder außergewöhnliche Abende entstanden in Kruses schummrigen, kreativ zugerümpelten Bühnenwelten. Unvergleichliche Theater-Trips, die mit ihren Kalauern, Wortverdrehern und konsequent sinnentstellten Betonungen unbeirrt sämtlichen Moden trotzen.