
Im Herzen der Gewalt
von Édouard Louis, frei adaptiert von Jan Czapliński
Deutsch von Agnieszka Fietz
Mit seinem autobiographischen Debütroman Das Ende von Eddy wurde Édouard Louis zum literarischen Shootingstar weit über Frankreich hinaus. Sein zweiter Roman Im Herzen der Gewalt erschien 2016 und wird in Polen wahrscheinlich anders als in Frankreich rezipiert, wo die zufällige Begegnung zwischen Édouard, der sein Dorf verlässt, um in Paris ein neues Leben zu beginnen, und Reda, dem Sohn eines Flüchtlings algerischer Herkunft, andere historische und politische Konnotationen besitzt. Die Wege, die zu dieser Begegnung führen, sind lang: es sind die des Kolonialismus, eines brutalen Krieges, des Ghettos, des erfolglosen Assimilationsprozesses, der schreienden Chancenungleichheit. Es sind verminte Wege, leicht entzündbar – und so geschieht es auch. Aber es geht um mehr. Louis verweigert sich aller trennenden Zuschreibungen und sucht verzweifelt nach einem Weg, seine "wahre" Geschichte zu erzählen. Er ringt darum, jenseits von vereinfachenden sozio-politischen Kategorien die Deutungshoheit über sie zu behalten. Dazu muss er sich jedoch dem Kampf mit sich selbst stellen – die Geschichte der Gewalt ist das Protokoll dieser Auseinandersetzung. Es ist der zerrissene, chaotische Versuch, den eigenen Überzeugungen treu zu bleiben, auch wenn dies bedeutet, Zeugnis abzulegen gegen die eigenen Gefühle und Verletzungen. Es ist ein schwieriger (und beeindruckender) Kampf um eine faire Geschichte. Ausgangspunkt für dieses narrative Universum ist jedoch etwas, das in Polen emotional und politisch hoch brisant besetzt ist: homosexuelle Romantik. Und Vergewaltigung.
Und vielleicht ist es unmöglich die Geschichte von Ludwig in Polen zu erzählen – und deshalb sollte sie erzählt werden. In einem Land, das an einem Punkt angelangt ist, an dem jede Abweichung von der strengen Identitätsnorm mit staatlich sanktionierter Stigmatisierung verbunden ist. Wie zeigt sich das? Umfragen zu sozialen Ängsten belegen, dass jeder dritte Mann in der Altersgruppe der 18- bis 39-Jährigen vor allem Angst vor "Gender-Ideologie" hat – mehr als vor einer Klimakatastrophe (sic!), einer ineffizienten Gesundheitsversorgung oder einem wachsenden Nationalismus. In Frankreich hingegen, so Louis, sei die sexuelle Orientierung kein Grund mehr für Anfeindungen. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Hass verschwunden sei – er richtet sich jetzt gegen Migranten. Das Frankreich aus dem Roman ist also ein Land, das einerseits sehr weit entfernt von Polen ist und andererseits zu nahe.
"Marciniak erinnert uns daran, dass das Theater die Welt von Grund auf neu erschaffen kann; dass auch diese zerrissene, vielstimmige Geschichte auf sprachlich und visuell atemberaubende Weise präsentiert werden kann."
Marcelina Obarska, Culture.pl
Weitere Pressestimmen:
https://teatr.gniezno.pl/spektakle/recenzje/?review=3907
Mit Hass infiziert, Dawid Dudko (2020.02.24)
"Die Schauspieler_innen von Ewelina Marciniak haben es nicht leicht. Einige wurden vom Minister der 'Pornografie im Theater' bezichtigt, andere müssen auf der Bühne bis zu den Knöcheln im Wasser waten. Aber die Opfer sind den Preis wert."
Geschichte der Gewalt, Marcelina Obarska (2019.11.23)
"In der Inszenierung von Marciniak regnet es fast die ganze Zeit. Die Hauptfigur watet durchs steigende Wasser und versucht, seine Geschichte vor Aneignung zu retten."
Bis auf die Knochen, Piotr Dobrowolski (2019.11.23)
Unter der Regie von Ewelina Marciniak nach dem Roman von Édouard Louis wird die Geschichte der Gewalt zum überraschenden, bewegenden und bedeutsamen Schauspiel – spektakulär und doch ästhetisch.
Schmerzhafte Suche nach der Wahrheit, Wojciech Giczkowski (2019.11.23)
"Joanna Nowak, Direktorin des Fredro-Theaters in Gniezno, kann mit dem Beginn der Saison in ihrer Einrichtung sehr zufrieden sein. [...] Die Proben für die Aufführung von Ewelina Marciniak, eine Regisseurin, die für ihre unkonventionelle Ideen und Inszenierungen mit dem renomierten Polityka-Pass ausgezeichnet wurde, begannen im Januar, aber erst jetzt, im Oktober, sahen wir das überraschende Ergebnis der fast einjährigen Arbeit mit Jan Czapliński, Autor der Textfassung. Zuvor arbeitete er mit Marciniak in Warschau an der Adaption von Jacobs Bücher unserer Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk. Die spannenden Namen der Regisseur_innen und Autor_innen, die mit ihr zusammenarbeiten, sind heute das Markenzeichen der Gniezno-Szene."
Mit seinem autobiographischen Debütroman Das Ende von Eddy wurde Édouard Louis zum literarischen Shootingstar weit über Frankreich hinaus. Sein zweiter Roman Im Herzen der Gewalt erschien 2016 und wird in Polen wahrscheinlich anders als in Frankreich rezipiert, wo die zufällige Begegnung zwischen Édouard, der sein Dorf verlässt, um in Paris ein neues Leben zu beginnen, und Reda, dem Sohn eines Flüchtlings algerischer Herkunft, andere historische und politische Konnotationen besitzt. Die Wege, die zu dieser Begegnung führen, sind lang: es sind die des Kolonialismus, eines brutalen Krieges, des Ghettos, des erfolglosen Assimilationsprozesses, der schreienden Chancenungleichheit. Es sind verminte Wege, leicht entzündbar – und so geschieht es auch. Aber es geht um mehr. Louis verweigert sich aller trennenden Zuschreibungen und sucht verzweifelt nach einem Weg, seine "wahre" Geschichte zu erzählen. Er ringt darum, jenseits von vereinfachenden sozio-politischen Kategorien die Deutungshoheit über sie zu behalten. Dazu muss er sich jedoch dem Kampf mit sich selbst stellen – die Geschichte der Gewalt ist das Protokoll dieser Auseinandersetzung. Es ist der zerrissene, chaotische Versuch, den eigenen Überzeugungen treu zu bleiben, auch wenn dies bedeutet, Zeugnis abzulegen gegen die eigenen Gefühle und Verletzungen. Es ist ein schwieriger (und beeindruckender) Kampf um eine faire Geschichte. Ausgangspunkt für dieses narrative Universum ist jedoch etwas, das in Polen emotional und politisch hoch brisant besetzt ist: homosexuelle Romantik. Und Vergewaltigung.
Und vielleicht ist es unmöglich die Geschichte von Ludwig in Polen zu erzählen – und deshalb sollte sie erzählt werden. In einem Land, das an einem Punkt angelangt ist, an dem jede Abweichung von der strengen Identitätsnorm mit staatlich sanktionierter Stigmatisierung verbunden ist. Wie zeigt sich das? Umfragen zu sozialen Ängsten belegen, dass jeder dritte Mann in der Altersgruppe der 18- bis 39-Jährigen vor allem Angst vor "Gender-Ideologie" hat – mehr als vor einer Klimakatastrophe (sic!), einer ineffizienten Gesundheitsversorgung oder einem wachsenden Nationalismus. In Frankreich hingegen, so Louis, sei die sexuelle Orientierung kein Grund mehr für Anfeindungen. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Hass verschwunden sei – er richtet sich jetzt gegen Migranten. Das Frankreich aus dem Roman ist also ein Land, das einerseits sehr weit entfernt von Polen ist und andererseits zu nahe.
"Marciniak erinnert uns daran, dass das Theater die Welt von Grund auf neu erschaffen kann; dass auch diese zerrissene, vielstimmige Geschichte auf sprachlich und visuell atemberaubende Weise präsentiert werden kann."
Marcelina Obarska, Culture.pl
Weitere Pressestimmen:
https://teatr.gniezno.pl/spektakle/recenzje/?review=3907
Mit Hass infiziert, Dawid Dudko (2020.02.24)
"Die Schauspieler_innen von Ewelina Marciniak haben es nicht leicht. Einige wurden vom Minister der 'Pornografie im Theater' bezichtigt, andere müssen auf der Bühne bis zu den Knöcheln im Wasser waten. Aber die Opfer sind den Preis wert."
Geschichte der Gewalt, Marcelina Obarska (2019.11.23)
"In der Inszenierung von Marciniak regnet es fast die ganze Zeit. Die Hauptfigur watet durchs steigende Wasser und versucht, seine Geschichte vor Aneignung zu retten."
Bis auf die Knochen, Piotr Dobrowolski (2019.11.23)
Unter der Regie von Ewelina Marciniak nach dem Roman von Édouard Louis wird die Geschichte der Gewalt zum überraschenden, bewegenden und bedeutsamen Schauspiel – spektakulär und doch ästhetisch.
Schmerzhafte Suche nach der Wahrheit, Wojciech Giczkowski (2019.11.23)
"Joanna Nowak, Direktorin des Fredro-Theaters in Gniezno, kann mit dem Beginn der Saison in ihrer Einrichtung sehr zufrieden sein. [...] Die Proben für die Aufführung von Ewelina Marciniak, eine Regisseurin, die für ihre unkonventionelle Ideen und Inszenierungen mit dem renomierten Polityka-Pass ausgezeichnet wurde, begannen im Januar, aber erst jetzt, im Oktober, sahen wir das überraschende Ergebnis der fast einjährigen Arbeit mit Jan Czapliński, Autor der Textfassung. Zuvor arbeitete er mit Marciniak in Warschau an der Adaption von Jacobs Bücher unserer Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk. Die spannenden Namen der Regisseur_innen und Autor_innen, die mit ihr zusammenarbeiten, sind heute das Markenzeichen der Gniezno-Szene."
Regie / Bühnenbild Ewelina Marciniak
Bühnenbild Grzegorz Layer
Kostüme Natalia Mleczak
Live-Musik Wacław Zimpel
Licht Mirek Kaczmarek
Radar Ost Digital
20. Juni 2020, 20.00–21.20 Uhr
Einführung um 19.30 Uhr
Virtueller Raum: Box
Ein digitales Gastspiel des Fredro Theatre Gniezno/Polen im Livestream
20. Juni 2020, 20.00–21.20 Uhr
Einführung um 19.30 Uhr
Virtueller Raum: Box
Ein digitales Gastspiel des Fredro Theatre Gniezno/Polen im Livestream
Michał Karczewski
Oskar Malinowski
Piotr Nerlewski
Roland Nowak
Martyna Rozwadowska
Dominik Rybiałek
Michał Karczewski, Oskar Malinowski, Piotr Nerlewski, Roland Nowak, Martyna Rozwadowska, Dominik Rybiałek