
Medea. Stimmen
von Christa Wolf
Fassung von Tilmann Köhler und Juliane Koepp
"Was reden sie. Ich, Medea, hätte meine Kinder umgebracht. Ich, Medea, hätte mich an dem ungetreuen Jason rächen wollen. Wer soll das glauben."
Verstoßen aus dem königlichen Palast, in dem sie mit ihrem Mann Jason und ihren Kindern Exil fand, erzählt Medea ihre Version ihrer Geschichte: Wie sie ihr Land verlassen musste, wie sie ein entsetzliches Verbrechen entdeckte und unbequeme Fragen stellte, und wie ein Netz aus Verleumdungen und Lügen sie aus dem Palast vertrieb.
Medea. Stimmen entstand als radikale Korrektur des gängigen Medea-Bildes. Erst seit Euripides, vorher nicht, ist sie die blutrünstige Furie, die ihre Kinder mordet. Christa Wolf fragt nach der Deutungshoheit über Historie – und danach, wessen Interesse es ist, die "wilde Frau" als Mörderin hinzustellen. Erstes Motiv aber sind für die Autorin die selbstzerstörerischen Tendenzen unserer abendländischen Zivilisation: Kolonialismus, Fremdenhass, Ausgrenzung. Wenn am Schluss das Volk aufgehetzt und blind vor Hass gegen die Fremde ist, bleibt Medea nur zu fragen: "Ist eine Welt zu denken, eine Zeit, in die ich passen könnte" – ein wütendes Fragen, ein Anrennen gegen Resignation, auf der Suche nach einem Neuanfang, nach neuen Werte-Hierarchien – nach der Zukunft.
Nominiert für den Friedrich-Luft-Preis 2018
"Was reden sie. Ich, Medea, hätte meine Kinder umgebracht. Ich, Medea, hätte mich an dem ungetreuen Jason rächen wollen. Wer soll das glauben."
Verstoßen aus dem königlichen Palast, in dem sie mit ihrem Mann Jason und ihren Kindern Exil fand, erzählt Medea ihre Version ihrer Geschichte: Wie sie ihr Land verlassen musste, wie sie ein entsetzliches Verbrechen entdeckte und unbequeme Fragen stellte, und wie ein Netz aus Verleumdungen und Lügen sie aus dem Palast vertrieb.
Medea. Stimmen entstand als radikale Korrektur des gängigen Medea-Bildes. Erst seit Euripides, vorher nicht, ist sie die blutrünstige Furie, die ihre Kinder mordet. Christa Wolf fragt nach der Deutungshoheit über Historie – und danach, wessen Interesse es ist, die "wilde Frau" als Mörderin hinzustellen. Erstes Motiv aber sind für die Autorin die selbstzerstörerischen Tendenzen unserer abendländischen Zivilisation: Kolonialismus, Fremdenhass, Ausgrenzung. Wenn am Schluss das Volk aufgehetzt und blind vor Hass gegen die Fremde ist, bleibt Medea nur zu fragen: "Ist eine Welt zu denken, eine Zeit, in die ich passen könnte" – ein wütendes Fragen, ein Anrennen gegen Resignation, auf der Suche nach einem Neuanfang, nach neuen Werte-Hierarchien – nach der Zukunft.
Nominiert für den Friedrich-Luft-Preis 2018
Regie Tilmann Köhler
Bühne Karoly Risz
Kostüme Susanne Uhl, Henrike Huppertsberg
Musik Jörg-Martin Wagner
Puppenbau Franziska Stiller; Karen Schulze, Andreas Müller
Licht Thomas Langguth
Dramaturgie Juliane Koepp
Premiere
5. April 2018, Kammerspiele
5. April 2018, Kammerspiele
Maren EggertMedea

Edgar EckertJason

Lisa HrdinaAgameda

Helmut MooshammerAkamas

Thorsten HierseLeukon

Kathleen MorgeneyerGlauke

Johanna KolbergLyssa; Puppenspielerin

Michael Metzler / Jörg-Martin WagnerLive-Musik
Medea
Jason
Agameda
Akamas
Leukon
Glauke
Lyssa; Puppenspielerin
Michael Metzler / Jörg-Martin Wagner
Live-Musik
Köhler [...] hat den Prosatext mit Juliane Koepp für die Bühne bearbeitet und sich ziemlich genau an Wolfs Version gehalten. Wie im Roman sprechen einer szenischen Lesung gleich die titelstiftenden Stimmen zum Publikum: Medeas Partner Jason (Edgar Eckert) zum Beispiel, der mehr an Geltung interessiert ist als an Liebe zu ihr, oder ihre Schülerin Agameda (die famose Lisa Hrdina), deren Zurückweisung in Hass umschlägt. Jede Figur ist wunderbar besetzt. Vor allem Medea stattet Eggert mit so viel Kraft und Erhabenheit aus, dass man sofort ahnt, dass das mit ihr nicht gut gehen kann. [...]
Als Wolfs Text vor 22 Jahren erschien, hat man ihn hauptsächlich als autobiografisches Wende-Dokument gelesen. Dass Medea aus Kolchis ihre neue, falsche Heimat Korinth, also Wolfs Wiedervereinigungswesten, anprangert. Den Kapitalismus, den Machthunger, dieses Sündenbock-Suchen. Sicher ist das eine Lesart. Dass sie dem Text jedoch nicht gerecht wird, dass er mehr bietet, zeigt Köhlers Stück. [...] Er hat behutsam Szenen herausgearbeitet, die gegenwärtige Debatten unterfüttern, die Flüchtlings-Diskussion zum Beispiel oder #metoo. Die Bühne ist bloß Dunkelheit. Und Wasser. Karoly Risz hat sie zu einem grandiosen, feuchten Schlund gemacht, der alles verschlingt. [...]
Köhler [...] hat den Prosatext mit Juliane Koepp für die Bühne bearbeitet und sich ziemlich genau an Wolfs Version gehalten. Wie im Roman sprechen einer szenischen Lesung gleich die titelstiftenden Stimmen zum Publikum: Medeas Partner Jason (Edgar Eckert) zum Beispiel, der mehr an Geltung interessiert ist als an Liebe zu ihr, oder ihre Schülerin Agameda (die famose Lisa Hrdina), deren Zurückweisung in Hass umschlägt. Jede Figur ist wunderbar besetzt. Vor allem Medea stattet Eggert mit so viel Kraft und Erhabenheit aus, dass man sofort ahnt, dass das mit ihr nicht gut gehen kann. [...]
Als Wolfs Text vor 22 Jahren erschien, hat man ihn hauptsächlich als autobiografisches Wende-Dokument gelesen. Dass Medea aus Kolchis ihre neue, falsche Heimat Korinth, also Wolfs Wiedervereinigungswesten, anprangert. Den Kapitalismus, den Machthunger, dieses Sündenbock-Suchen. Sicher ist das eine Lesart. Dass sie dem Text jedoch nicht gerecht wird, dass er mehr bietet, zeigt Köhlers Stück. [...] Er hat behutsam Szenen herausgearbeitet, die gegenwärtige Debatten unterfüttern, die Flüchtlings-Diskussion zum Beispiel oder #metoo.
In der hochkonzntrierten, spielerischen Verdichtung, mit der Tilmann Köhler und sein Bühnenbildner Karoly Risz diese Zeichen choreographieren, sind sie mehr als das. Sie betten die gegeneinander laufenden Erzählungen der Kolcher und Korinther über das, was der Argonaut Jason mit fremden Kolchis erlebte, und das, was seine angetraute Medea nun ebenso betörend wie gespenstisch ist.
Das Statuenswerte dabei ist das präzise Licht- und Schattenspiel. Allein die ersten fünf, zehn Minuten des Stücks, in denen die Lichreflexe der Bassin-Wellen erstmals die kahle, schwarze Bünenrückwand langsam überfließen, als tauchten sie die Szenerie in eine andere Raum-Zeit-Schwingung ein - wie diese Wellen dann, je nach dem wie Maren Eggert, die erst verzweifelte, dann ruhige, dann übermütige Medea sich im Wasser bewegt, die Fließrichtung ändern, Kreise ziehen, sich gegenseitig brechen, Konturen schärfen oder verwischen, erzählt schon fast alles, was die folgende Geschichte dann ausführt. [...]
Und die starken Schauspieler setzten der atmosphärisch und bildreichen Umsetzung [...] das Tüpfelchen auf: angefangen bei der diesmal nicht nur edlen Maren Eggert, über die unübertrefflich deligierende Kathleen Morgeneyer, die pausbackig fiese Lisa Hrdina als Verräterin Agameda bis zu dem naiv-leidenschaftlichen Edgar Eckert als Jason und den beiden zwielichtigenau Staatseminenzen Helmut Mooshammer und Thorsten Hierse. Wirklich gespensterisch aber weiß Johanna Kolbrg mit kindgroßen Puppen durchs Wasser zu geistern. Sie sind die eigentlichen Instrumente der Macht - und ihre Opfer. Die Zeichen in Tilmann Köhlers ebenso schwebender wie textnaher Bühnenumsetzung des Romans von 1996 sind einfach und klar und trotzdem ungeheuer vielsagend. [...]
In der hochkonzntrierten, spielerischen Verdichtung, mit der Tilmann Köhler und sein Bühnenbildner Karoly Risz diese Zeichen choreographieren, sind sie mehr als das. Sie betten die gegeneinander laufenden Erzählungen der Kolcher und Korinther über das, was der Argonaut Jason mit fremden Kolchis erlebte, und das, was seine angetraute Medea nun ebenso betörend wie gespenstisch ist.
Das Statuenswerte dabei ist das präzise Licht- und Schattenspiel. Allein die ersten fünf, zehn Minuten des Stücks, in denen die Lichreflexe der Bassin-Wellen erstmals die kahle, schwarze Bünenrückwand langsam überfließen, als tauchten sie die Szenerie in eine andere Raum-Zeit-Schwingung ein - wie diese Wellen dann, je nach dem wie Maren Eggert, die erst verzweifelte, dann ruhige, dann übermütige Medea sich im Wasser bewegt, die Fließrichtung ändern, Kreise ziehen, sich gegenseitig brechen, Konturen schärfen oder verwischen, erzählt schon fast alles, was die folgende Geschichte dann ausführt. [...]
Und die starken Schauspieler setzten der atmosphärisch und bildreichen Umsetzung [...] das Tüpfelchen auf: angefangen bei der diesmal nicht nur edlen Maren Eggert, über die unübertrefflich deligierende Kathleen Morgeneyer, die pausbackig fiese Lisa Hrdina als Verräterin Agameda bis zu dem naiv-leidenschaftlichen Edgar Eckert als Jason und den beiden zwielichtigenau Staatseminenzen Helmut Mooshammer und Thorsten Hierse. Wirklich gespensterisch aber weiß Johanna Kolbrg mit kindgroßen Puppen durchs Wasser zu geistern. Sie sind die eigentlichen Instrumente der Macht - und ihre Opfer.
Regisseur Tilmann Köhler erzählt diesen Thriller in einem so düster-poetischen wie bedeutungsschweren Bühnenbild. Zwei Zentimeter tief steht das dunkle Wasser auf der leeren Bühne. Wenn Medea am Rand dieses Beckens verharrt, spiegelt sich ihr Körper im totenstillen See. Wenn sie einen Schritt ins Wasser setzt, ziehen die Wellen auch an der schwarzen Bühnenwand immer größere Kreise. Ein Spiel mit Licht- und Schattenfiguren, mit Spiegelungen und Projektionen von Realität. Ein Seil hängt von der Decke herab, als seien die Figuren bis in den tiefsten Schacht ihres Selbst hinabgestiegen und legten hier vor Publikum Zeugnis ab.Ob man dieser Medea Glauben schenken darf, bleibt zunächst fraglich. Maren Eggert spielt sie als undurchsichtige Frau, spröde, unsinnlich, eher vernunftbegabt. Sie watet klitschnass durchs hochspritzende Wasser, später versteinert sie in der ihr auferlegten Rolle der Mörderin. Ihr verzerrtes Spiegelbild ist die unglückselige Glauke, Kreons jüngste Tochter, die von ihrem Vater so verraten wird, wie es Medea in Kolchis ergangen ist. Aber Glauke fügt sich den Lügen ihres Vaters. Die zarte Kathleen Morgeneyer gibt sie anrührend als waidwundes Opfer, das sich epileptisch auf dem Boden windet wie ein verendender Fisch in seichtem Wasser. [...]
In vielen Facetten spiegelt sich unsere Gegenwart: im Fremdenhass, in den Herrschaftsmechanismen und vor allem in der Frage: Welche Mächte haben heute die Deutungshoheit über die Geschichte – und welche Geschichten bleiben unerzählt? Das Deutsche Theater fächert den Medea-Thriller auf. [...]
Regisseur Tilmann Köhler erzählt diesen Thriller in einem so düster-poetischen wie bedeutungsschweren Bühnenbild. Zwei Zentimeter tief steht das dunkle Wasser auf der leeren Bühne. Wenn Medea am Rand dieses Beckens verharrt, spiegelt sich ihr Körper im totenstillen See. Wenn sie einen Schritt ins Wasser setzt, ziehen die Wellen auch an der schwarzen Bühnenwand immer größere Kreise. Ein Spiel mit Licht- und Schattenfiguren, mit Spiegelungen und Projektionen von Realität. Ein Seil hängt von der Decke herab, als seien die Figuren bis in den tiefsten Schacht ihres Selbst hinabgestiegen und legten hier vor Publikum Zeugnis ab.Ob man dieser Medea Glauben schenken darf, bleibt zunächst fraglich. Maren Eggert spielt sie als undurchsichtige Frau, spröde, unsinnlich, eher vernunftbegabt. Sie watet klitschnass durchs hochspritzende Wasser, später versteinert sie in der ihr auferlegten Rolle der Mörderin. Ihr verzerrtes Spiegelbild ist die unglückselige Glauke, Kreons jüngste Tochter, die von ihrem Vater so verraten wird, wie es Medea in Kolchis ergangen ist. Aber Glauke fügt sich den Lügen ihres Vaters. Die zarte Kathleen Morgeneyer gibt sie anrührend als waidwundes Opfer, das sich epileptisch auf dem Boden windet wie ein verendender Fisch in seichtem Wasser. [...]
In vielen Facetten spiegelt sich unsere Gegenwart: im Fremdenhass, in den Herrschaftsmechanismen und vor allem in der Frage: Welche Mächte haben heute die Deutungshoheit über die Geschichte – und welche Geschichten bleiben unerzählt?
Beinahe wie ein Bühnenweihefestspiel mutet die Aufführung zu Beginn an, so reduziert und puristisch ist sie gestaltet, so respektvoll geht sie mit den Worten, Figuren und Konflikten der Stoffvorlage um. Mit fein dosierten musikalischen Live-Akzenten, subtilen Lichteffekten und einer zwingenden inhaltlichen Durchdringung entwickelt sie dann bald eine beeindruckende Sogwirkung. Akribisch wie inständig wird von Macht und Unterdrückung, von Demagogie und Aufbegehren, von Männern, Frauen und einem alten griechischen Mythos gesprochen, der entsetzlich lebendig erscheint. [...]
Boshaft-jovial zeichnet Helmut Mooshammer den skrupellosen Ersten Astronomen des Königs, während Thorsten Hierse als Zweiter Astronom geschmeidig zwischen den ideologischen Fronten manövriert, weil ihm nichts bleibt, als "alles zu durchschauen und nichts tun zu können". Die Kinder nehmen bei der Puppenspielerin Johanna Kolberg als Medeas Freundin Lyssa wie schwermütigstumme Pappkameraden am Geschehen teil. Am Schluss von Tilmann Köhlers beklemmend suggestiver und eindrinlicher Inszenierung liegen alle Figuren verkrümmt im Bassin, bloß Medea nicht, für die es auf dieser zu einem "Schlachthaus" geratenen Welt keinen Platz zu geben scheint. Ob sich daran mit Frauen an der Macht etwas geändert hätte? Wer will das wissen - aber man hätte es zumindest einmal ausprobieren können. Tilmann Köhler hütet sich zum Glück entschieden vor jeder Aktualisierung. Stattdessen vertraut er zusammen mit seinem konzentriert agierenden Ensemble der erzählerischen Brillanz von Christa Wolfs Roman. [...]
Beinahe wie ein Bühnenweihefestspiel mutet die Aufführung zu Beginn an, so reduziert und puristisch ist sie gestaltet, so respektvoll geht sie mit den Worten, Figuren und Konflikten der Stoffvorlage um. Mit fein dosierten musikalischen Live-Akzenten, subtilen Lichteffekten und einer zwingenden inhaltlichen Durchdringung entwickelt sie dann bald eine beeindruckende Sogwirkung. Akribisch wie inständig wird von Macht und Unterdrückung, von Demagogie und Aufbegehren, von Männern, Frauen und einem alten griechischen Mythos gesprochen, der entsetzlich lebendig erscheint. [...]
Boshaft-jovial zeichnet Helmut Mooshammer den skrupellosen Ersten Astronomen des Königs, während Thorsten Hierse als Zweiter Astronom geschmeidig zwischen den ideologischen Fronten manövriert, weil ihm nichts bleibt, als "alles zu durchschauen und nichts tun zu können". Die Kinder nehmen bei der Puppenspielerin Johanna Kolberg als Medeas Freundin Lyssa wie schwermütigstumme Pappkameraden am Geschehen teil. Am Schluss von Tilmann Köhlers beklemmend suggestiver und eindrinlicher Inszenierung liegen alle Figuren verkrümmt im Bassin, bloß Medea nicht, für die es auf dieser zu einem "Schlachthaus" geratenen Welt keinen Platz zu geben scheint. Ob sich daran mit Frauen an der Macht etwas geändert hätte? Wer will das wissen - aber man hätte es zumindest einmal ausprobieren können.
Maren Eggert als Medea bleibt in ihrer Rolle kühl distanziert und überzeugt dadurch um so mehr. Gutaussehend und galant, dabei aber mit schwachem Charakter, zeigt sich Edgar Eckert als Jason. Der Zuschauer weiß nie genau, ob er eigentlich für oder gegen Medea ist. Stark wie immer das Spiel von Lisa Hrdina als Agameda, die eigentlich eine alte Weggefährtin und enge Vertraute Medeas ist, aber sich nicht genug geliebt fühlt und deshalb ihre einstige Lehrerin verrät. Am Schluss ist Medea von allen verhasst, von ihren Freunden, wie von ihren Feinden. Ihr Scheitern ist deshalb unausweichlich…
Ein starkes Stück – ein starker Abend. Wenn der Zuschauer den Theaterraum betritt, ist die Bühne ein schwarzer, dunkler Raum mit einer langen, nach hinten gezogenen, spiegelnden Fläche. Kaum das Medea ihren ersten Auftritt hat wird erkennbar: Es ist eine große, nur wenige Zentimeter tiefe Wasserfläche, die fast den gesamten Bühnenboden bedeckt. Eine nicht nur optisch tolle Idee (Bühne: Karoly Risz), sondern auch inhaltlich stimmig (Regie: Tilmann Köhler). Denn das Wasser stellt einen unsicheren Boden dar, auf dem jeder Gefahr läuft auszurutschen oder zu versinken. Gleichzeitig stellt es die Gefühle bloß, lässt Emotionen freien Lauf und wirkt wie en Brennglas auf das Geschehen. Denn nass bis auf die Knochen kann keiner mehr etwas verbergen. Und das spritzende Wasser verstärkt die Gefühlsausbrüche, optisch und klanglich. Beeindruckend auch das Puppenspiel (Johanna Kolberg), mit welchem die (allerdings nicht von Medea) getöteten Kinder darstellt.
Maren Eggert als Medea bleibt in ihrer Rolle kühl distanziert und überzeugt dadurch um so mehr. Gutaussehend und galant, dabei aber mit schwachem Charakter, zeigt sich Edgar Eckert als Jason. Der Zuschauer weiß nie genau, ob er eigentlich für oder gegen Medea ist. Stark wie immer das Spiel von Lisa Hrdina als Agameda, die eigentlich eine alte Weggefährtin und enge Vertraute Medeas ist, aber sich nicht genug geliebt fühlt und deshalb ihre einstige Lehrerin verrät. Am Schluss ist Medea von allen verhasst, von ihren Freunden, wie von ihren Feinden. Ihr Scheitern ist deshalb unausweichlich…
Ein starkes Stück – ein starker Abend.
Sie sei die einzige, so sagt Thorsten Hierses Leukon, durch die kein Riss ginge. Das stimmt nicht ganz, gilt es doch auch für ihre Gegenspielerin, Medeas einstige Schülerin Agameda, von Lisa Hrdina zwischen kaltem Hass und strategischem Sarkasmus gespielt. Auch sie ist ganz. Ganz Hass, ganz Opportunismus, ganz Mitspielerin im System. Und auch sie ist am Ende ausgestoßen, weggeworfen. Die anderen sind Zerrissene: Edgar Eckerts Jason etwa, bei dem narzisstischer Stolz und Empathie, cholerische Machtausübung und sehnendes Flehen, Vergewaltigungsfantasien und jungenhafter Charme ungebremst aufeinanderprallen. Testosteronschwanger, außer Kontrolle und sich instinktiv doch seiner Macht bewusst und sie ausspielend. Helmut Mooshammer ist als Akamas sein rationaler Gegenpart. Schneidend ironisch, aasig machtbewusst, aber nicht ohne Charme und zu Beginn mit echter Bewunderung für die „taffe Frau“. Auch er einer mit vielen Gesichtern. Das gilt auch für Leukon: Hierse gibt ihn als sympathischen Obeflächenfeministen, dessen Opportunismus-Entschulldigung subtil einen misogynen Untergrund andeutet. Aufgerieben dazwischen die Glauke der Kathleen Morgeneyer. Eine Klagesängerin und Verzweiflungsschreierin, roh, wund, ohne Filter. Ein Opfer, das sich als Täterin missbrauchen lässt und doch in der Wahrhaftigkeit ihres inneren Kampfes alles andere als würdelos. Maren Eggert ist die Anti-Medea oder eben die wahre, je nach Blickrichtung. Ruhig, gefasst, mit klarem Blick am Schluss, zuvor herausfordernd, sich nicht mit dem Gegebenen abfindend, trocken mit einem Hauch Schnoddrigkeit. Keine, die sich herumschubsen lässt und die doch sehr genau um ihre Machtlosigkeit weiß.
Sie sei die einzige, so sagt Thorsten Hierses Leukon, durch die kein Riss ginge. Das stimmt nicht ganz, gilt es doch auch für ihre Gegenspielerin, Medeas einstige Schülerin Agameda, von Lisa Hrdina zwischen kaltem Hass und strategischem Sarkasmus gespielt. Auch sie ist ganz. Ganz Hass, ganz Opportunismus, ganz Mitspielerin im System. Und auch sie ist am Ende ausgestoßen, weggeworfen. Die anderen sind Zerrissene: Edgar Eckerts Jason etwa, bei dem narzisstischer Stolz und Empathie, cholerische Machtausübung und sehnendes Flehen, Vergewaltigungsfantasien und jungenhafter Charme ungebremst aufeinanderprallen. Testosteronschwanger, außer Kontrolle und sich instinktiv doch seiner Macht bewusst und sie ausspielend. Helmut Mooshammer ist als Akamas sein rationaler Gegenpart. Schneidend ironisch, aasig machtbewusst, aber nicht ohne Charme und zu Beginn mit echter Bewunderung für die „taffe Frau“. Auch er einer mit vielen Gesichtern. Das gilt auch für Leukon: Hierse gibt ihn als sympathischen Obeflächenfeministen, dessen Opportunismus-Entschulldigung subtil einen misogynen Untergrund andeutet. Aufgerieben dazwischen die Glauke der Kathleen Morgeneyer. Eine Klagesängerin und Verzweiflungsschreierin, roh, wund, ohne Filter. Ein Opfer, das sich als Täterin missbrauchen lässt und doch in der Wahrhaftigkeit ihres inneren Kampfes alles andere als würdelos.
Tilmann Köhler folgt in "Medea. Stimmen" Christa Wolfs Umdeutung der Medea-Geschichte und setzt dabei Puppen für die Repräsentation der zahlreichen toten Kinder ein. Als Höhepunkt des Cometogether von Puppentheater und Staatstheater sieht man auch die Ensemblemitglieder des Deutschen Theaters die Puppen führen. [...]
Ein intensives Stück, starke Darsteller und eine gute Raumidee, denn alles ereignet sich in einem großen, zweifingerhoch mit Wasser gefüllten Becken. Und außerdem eine gelungene Synthese von Schau- und Puppenspiel. Christa Wolfs Umdeutung der Medea-Geschichte in einer gelungene Synthese von Schau- und Puppenspiel.
Tilmann Köhler folgt in "Medea. Stimmen" Christa Wolfs Umdeutung der Medea-Geschichte und setzt dabei Puppen für die Repräsentation der zahlreichen toten Kinder ein. Als Höhepunkt des Cometogether von Puppentheater und Staatstheater sieht man auch die Ensemblemitglieder des Deutschen Theaters die Puppen führen. [...]
Ein intensives Stück, starke Darsteller und eine gute Raumidee, denn alles ereignet sich in einem großen, zweifingerhoch mit Wasser gefüllten Becken. Und außerdem eine gelungene Synthese von Schau- und Puppenspiel.
Als Morgeneyer spät als Glauke ihre Stimme erhebt, geht es wie ein Ruck durch die Inszenierung: Plötzlich ist alles wahr und furchtbar, obwohl oder eher weil die Spielerin das Pathos im Ton unterläuft.
Tilmann Köhler und sein Team sind Inhalten auf der Spur, ein Anliegen ist spürbar: Wo liegen die Wurzeln der Fremdenfeindlichkeit, wie wird eine Kultur durch eine andere überformt, wird es das immer geben, dieses "Wir" und "Ihr"? [...]
Am Ende eine große Ensemble-Leistung: Der Abend entlässt den Zuschauer erschüttert, verstört, berührt.
Dafür sorgt vor allem ein exzellentes Team von vier Schauspielerinnen und drei Schauspielern, das im Laufe der weit über zweistündigen Aufführung ohne Pause sich die Seele aus dem Leib spielt. Allen voran Maren Eggert als zerstörte, aber selbstbewusst auftretende Medea. [...]
Das Publikum würdigt die Leistung aller Beteiligten einschließlich des Live-Klangzauberers Michael Metzler mit lang anhaltenden Ovationen. Parallelen zu Gewaltexzessen der Gegenwart, der Ausgrenzung von Fremden und der verführerischen Macht des Populismus drängen sich ganz von selbst auf und schaffen bis zum Ende einen beklemmenden Spannungsbogen.
Dafür sorgt vor allem ein exzellentes Team von vier Schauspielerinnen und drei Schauspielern, das im Laufe der weit über zweistündigen Aufführung ohne Pause sich die Seele aus dem Leib spielt. Allen voran Maren Eggert als zerstörte, aber selbstbewusst auftretende Medea. [...]
Das Publikum würdigt die Leistung aller Beteiligten einschließlich des Live-Klangzauberers Michael Metzler mit lang anhaltenden Ovationen.