
Gastspiel Schauspielhaus Wien
Mitwisser
von Enis Maci
Drei Verbrechen stehen im Zentrum von Enis Macis poetischer Kartografie einer verrohenden Welt. Dabei geht es der Autorin weniger um die Täter als um das zugrundeliegende Biosystem, den Humus der Gewalt: die Mitwisser.
27°20‘01.6“N 80°20’40.9“W. Port St. Lucie, Florida, USA.
Eine Stadt am Rande der Sümpfe, Platanen und Zypressen zwischen brutalistischen Hausformationen. Die Natur kämpft hier gegen die Zivilisation an. Die Sümpfe wollen die Kultur verschlucken. In dieser seltsam schwülen Atmosphäre wachsen junge Menschen auf, viele sind es nicht mehr. Die Stadt eignet sich eher für Rentner – jenseits von Golfplätzen, anonymen Apartmentblocks und Altenheimen gibt es wenig zu erleben. Da kommt es dem Freundeskreis aus der Highschool gerade recht, als der Teenager Tyler Hadley eine Einladung zu einer Party in seinem Elternhaus an seine WhatsApp-Gruppe schickt. Doch das Treffen der Jugendlichen gerät außer Kontrolle.
38°08‘40.0“N 31°13‘28.1“E Koruyaka, Türkei, Asien.
Am anderen Ende der Welt wird Nevin Yildirim Opfer eines brutalen Verbrechens. Ungeheuerlicherweise ist der Täter für sie kein Unbekannter. Sie will, dass er bestraft wird, auf die Justiz kann sie dabei allerdings nicht erst warten. Wie weit darf sie gehen? Wo verlaufen die Grenzen zwischen nachvollziehbarem Impuls und blindem Affekt? Kann Rache jemals legitim sein?
51°35‘07.4“N 6°45‘29.6“E. Dinslaken, Deutschland, Europa.
Die ehemaligen Industrielandschaften des Ruhrgebiets sind heute von Arbeitslosigkeit und Bevölkerungsschwund gekennzeichnet. Vielen Bewohnern bietet diese Gegend nur noch wenig Perspektive. Der samstägliche Gang ins Fußballstadion gehört zur kulturellen DNA. Im Lauf der Jahrzehnte haben sich in dieser von Migration geprägten Gegend zwischen stillgelegten Kohlezechen, Industriebrachen und Fußballstadien salafistische Parallelgesellschaften herausgebildet. Die Strukturschwäche der Region eignet sich als Nährboden für Ideologie und Fanatismus. Der junge Nils Donath, leidenschaftlicher Fußballfan mit Kontakten zur Hooliganszene, entschließt sich bald zum denkbar radikalsten Bruch mit der westlichen Kultur.
Wie eine Drohne observiert Enis Maci irritierende Topografien und beschreibt mit großer Poesie eine aus den Fugen geratene Welt. In ihrem lyrischen Epos stellt sie das Ungeheure, Monströse neben das Alltägliche, in dem sich aber bisweilen Abgründe aufzutun scheinen und verknüpft beides zu einem düsteren Panorama. Im Zentrum stehen drei reale Kriminalfälle. Mehr als auf die Täter richtet sie ihren Blick dabei aber auf die Szenerien, auf Ökosysteme, die solches Handeln zulassen. Mal schaut Maci in fast planetarischem Maßstab auf diese Gebiete, mal zoomt sie tief hinein in die Beziehungsgeflechte, die menschlichen Biotope, die den Nährboden aller Taten ihrer Bewohner bilden. Sie unterliegt dabei nie der Versuchung, reißerisch oder sensationsheischend auf die Figuren zu blicken. Stattdessen setzt sie ein alternatives Gericht ein, das die Taten jedoch nicht moralisch werten will, sondern ihre Voraussetzungen, ihre Umgebung befragt. Überall finden sich seltsam passive, resignierte Menschen, die mit irritierendem Verständnis in die Abgründe blicken, mit denen sie konfrontiert sind. Enis Maci entdeckt auf ihrer Landkarte der Mitwisserschaft Mechanismen, die bis in die Mitte unserer Gesellschaft wirksam sind.
Enis Maci, geboren 1993 in Gelsenkirchen, hat Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und Kultursoziologie an der London School of Economics studiert. 2010 erhielt sie den Förderpreis des Literaturpreises Ruhr. Das Stück Lebendfallen entstand im Rahmen der Schreibwerkstatt Flucht, die mich bedingt am Maxim Gorki Theater Berlin. Ihr Stückentwurf Mitwisser wurde 2017 mit dem Hans-Gratzer-Stipendium ausgezeichnet und 2018 uraufgeführt. Im Oktober 2018 erschienen unter dem Titel Eiscafé Europa Essays von Enis Maci bei Suhrkamp. In der Spielzeit 18/19 ist Maci Hausautorin am Nationaltheater Mannheim. 2018 wurde am Schauspielhaus Wien Enis Macis jüngstes Stück Autos zur Uraufführung gebracht.
27°20‘01.6“N 80°20’40.9“W. Port St. Lucie, Florida, USA.
Eine Stadt am Rande der Sümpfe, Platanen und Zypressen zwischen brutalistischen Hausformationen. Die Natur kämpft hier gegen die Zivilisation an. Die Sümpfe wollen die Kultur verschlucken. In dieser seltsam schwülen Atmosphäre wachsen junge Menschen auf, viele sind es nicht mehr. Die Stadt eignet sich eher für Rentner – jenseits von Golfplätzen, anonymen Apartmentblocks und Altenheimen gibt es wenig zu erleben. Da kommt es dem Freundeskreis aus der Highschool gerade recht, als der Teenager Tyler Hadley eine Einladung zu einer Party in seinem Elternhaus an seine WhatsApp-Gruppe schickt. Doch das Treffen der Jugendlichen gerät außer Kontrolle.
38°08‘40.0“N 31°13‘28.1“E Koruyaka, Türkei, Asien.
Am anderen Ende der Welt wird Nevin Yildirim Opfer eines brutalen Verbrechens. Ungeheuerlicherweise ist der Täter für sie kein Unbekannter. Sie will, dass er bestraft wird, auf die Justiz kann sie dabei allerdings nicht erst warten. Wie weit darf sie gehen? Wo verlaufen die Grenzen zwischen nachvollziehbarem Impuls und blindem Affekt? Kann Rache jemals legitim sein?
51°35‘07.4“N 6°45‘29.6“E. Dinslaken, Deutschland, Europa.
Die ehemaligen Industrielandschaften des Ruhrgebiets sind heute von Arbeitslosigkeit und Bevölkerungsschwund gekennzeichnet. Vielen Bewohnern bietet diese Gegend nur noch wenig Perspektive. Der samstägliche Gang ins Fußballstadion gehört zur kulturellen DNA. Im Lauf der Jahrzehnte haben sich in dieser von Migration geprägten Gegend zwischen stillgelegten Kohlezechen, Industriebrachen und Fußballstadien salafistische Parallelgesellschaften herausgebildet. Die Strukturschwäche der Region eignet sich als Nährboden für Ideologie und Fanatismus. Der junge Nils Donath, leidenschaftlicher Fußballfan mit Kontakten zur Hooliganszene, entschließt sich bald zum denkbar radikalsten Bruch mit der westlichen Kultur.
Wie eine Drohne observiert Enis Maci irritierende Topografien und beschreibt mit großer Poesie eine aus den Fugen geratene Welt. In ihrem lyrischen Epos stellt sie das Ungeheure, Monströse neben das Alltägliche, in dem sich aber bisweilen Abgründe aufzutun scheinen und verknüpft beides zu einem düsteren Panorama. Im Zentrum stehen drei reale Kriminalfälle. Mehr als auf die Täter richtet sie ihren Blick dabei aber auf die Szenerien, auf Ökosysteme, die solches Handeln zulassen. Mal schaut Maci in fast planetarischem Maßstab auf diese Gebiete, mal zoomt sie tief hinein in die Beziehungsgeflechte, die menschlichen Biotope, die den Nährboden aller Taten ihrer Bewohner bilden. Sie unterliegt dabei nie der Versuchung, reißerisch oder sensationsheischend auf die Figuren zu blicken. Stattdessen setzt sie ein alternatives Gericht ein, das die Taten jedoch nicht moralisch werten will, sondern ihre Voraussetzungen, ihre Umgebung befragt. Überall finden sich seltsam passive, resignierte Menschen, die mit irritierendem Verständnis in die Abgründe blicken, mit denen sie konfrontiert sind. Enis Maci entdeckt auf ihrer Landkarte der Mitwisserschaft Mechanismen, die bis in die Mitte unserer Gesellschaft wirksam sind.
Enis Maci, geboren 1993 in Gelsenkirchen, hat Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und Kultursoziologie an der London School of Economics studiert. 2010 erhielt sie den Förderpreis des Literaturpreises Ruhr. Das Stück Lebendfallen entstand im Rahmen der Schreibwerkstatt Flucht, die mich bedingt am Maxim Gorki Theater Berlin. Ihr Stückentwurf Mitwisser wurde 2017 mit dem Hans-Gratzer-Stipendium ausgezeichnet und 2018 uraufgeführt. Im Oktober 2018 erschienen unter dem Titel Eiscafé Europa Essays von Enis Maci bei Suhrkamp. In der Spielzeit 18/19 ist Maci Hausautorin am Nationaltheater Mannheim. 2018 wurde am Schauspielhaus Wien Enis Macis jüngstes Stück Autos zur Uraufführung gebracht.
Regie Pedro Martins Beja
Bühne / Kostüme Elisabeth Weiß
Musik Markus Steinkellner
Dramaturgie Tobias Schuster
Gastspiel Schauspielhaus Wien
3. Juni 2019
Kammerspiele
3. Juni 2019
Kammerspiele
Simon Bauer
Lili Epply
Steffen Link
Vassilissa Reznikoff
Sebastian Schindegger