
Philoktet
von Heiner Müller
Zehn Jahre war er ausgesetzt auf einer Insel, verstoßen von seinen Gefährten wegen einer stinkenden Wunde: Philoktet ist der vielleicht unheldenhafteste aller griechischen Helden, ein Vergessener und Aussätziger. Odysseus, der ihn vom Kampf gegen Troja ausgeschlossen hat, soll ihn jetzt nach zehn Jahren Krieg zurückholen. Denn nur dann können die Griechen den Krieg gewinnen. Dabei war es eine Koalition der Unwilligen, die auf Seiten der Griechen in den trojanischen Krieg zog. Schon die Überfahrt nach Troja stand unter keinem guten Stern: Bei einem Opferdienst an die Götter wurde Philoktet von einer giftigen Schlange ins Bein gebissen. Die Wunde färbte sich schwarz, seine Schreie störten das vorgeschriebene Schweigen bei den Opfer-Ritualen. Nach seiner Verstoßung blieb Philoktet allein mit seinem Bogen und seinem verwesenden Bein auf der Insel zurück, ein lebender Toter. Der Feldzug gegen Troja entwickelte sich unterdessen zum Desaster. Ein Seherspruch besagte, dass der Krieg nur gewonnen werden könnte, wenn Philoktet mit seinem Bogen zurückgeholt würde. Nun soll also der Aussätzige und Ausgesetzte wieder in die Gemeinschaft integriert werden – eine heikle Mission. Für die Rückgewinnung des Philoktet ersinnt Odysseus eine List. Er nimmt auf diese Reise einen Gehilfen mit, der ihn fast ebenso sehr hasst, wie Philoktet es tut: Neoptolemos, den Sohn Achills, den er um sein Erbe – die Waffen seines Vaters – betrogen hat. Hass soll das Band sein, das Philoktet mit Neoptolemos und der griechischen Sache verbindet – Hass gegen ihn, Odysseus, der ihren Hass auf sich instrumentalisiert für den Krieg gegen die Troer. Denn darin besteht seine einzige Bedingung: Ihre Rache an ihm sollen sie so lange aufschieben, bis der Kampf um Troja gewonnen ist…
Mit Heiner Müllers radikaler Neudichtung des Mythos verhandelt der iranische Regisseur Amir Reza Koohestani die Frage nach Zugehörigkeit: Den Aus- und Einschluss in eine Gesellschaft, die Anderes zerstören will und sich selbst zerstört, indem sie nur das Funktionieren duldet. Der Übersetzer Mahmoud Hosseini Zad hat in der Vorbereitung der Produktion eigens eine persische Erstübersetzung des Stücks angefertigt, die bald in Iran veröffentlicht wird und somit zu einem weiteren kulturellen Austausch beiträgt.
Mit Heiner Müllers radikaler Neudichtung des Mythos verhandelt der iranische Regisseur Amir Reza Koohestani die Frage nach Zugehörigkeit: Den Aus- und Einschluss in eine Gesellschaft, die Anderes zerstören will und sich selbst zerstört, indem sie nur das Funktionieren duldet. Der Übersetzer Mahmoud Hosseini Zad hat in der Vorbereitung der Produktion eigens eine persische Erstübersetzung des Stücks angefertigt, die bald in Iran veröffentlicht wird und somit zu einem weiteren kulturellen Austausch beiträgt.
Regie Amir Reza Koohestani
Bühne Mitra Nadjmabadi
Kostüme Lea Søvsø
Musik Bamdad Afshar
Video Phillip Hohenwarter
Licht Marco Scherle
Dramaturgie Sima Djabar Zadegan, John von Düffel
Premiere
5. Oktober 2019
Kammerspiele
5. Oktober 2019
Kammerspiele
Edgar EckertPhiloktet

Jörg PoseOdysseus

Niklas WetzelNeoptolemos

Außerdem im Spielplan
Dirk und ich
von und mit Marcel Kohler
Zu unserem Bedauern muss das Nachgespräch mit Renate Eichenberger krankheitsbedingt leider entfallen.
Box
19.30 - 21.00
Schwabenpower und Kollateralschlager
Ein Videoschnipselabend für Ulrich Khuon
von Jürgen Kuttner
von Jürgen Kuttner
Deutsches Theater
20.00
Die Wunde brennt noch immer, mit ihr [Philoktets] Hass. Genau in diesem Wundbrand findet auch Koohestani einen eindrücklichen Beginn. Im Zeitraffer einer filmischen Projektion verfault ein aufgerissenes Bein, bis die Kamera in die Wunde zoomt wie in die innere Hassschwärze des Philoktet. […]
Ganz zu Beginn hebt sich […] ein Double jener rostigen Eisenwand auf, die das Verlies Philoktets in der Unterbühne abdeckt. In der Senkrechten dient es nun als Projektionsfeld für eine Kamera, die vom Bühnenhimmel aus im Draufblick filmt. Unser horizontales Sehen führt so fast immer in die Vertikale, als sähen wir geradeaus in einen Abgrund. Diese Bilder ziehen uns in Odysseus‘ Geschichtslügen so hinein wie in Philoktets Privatleiden.
Wie Jörg Pose das macht, wie er sich selbst auf Distanz hält zu seinen vergitterten Schachtelversen, wie er sie mal laut pointiert, mal runter rattert, ganz Menschmaschine im Tarnanzug, ist genau das, was hinhören lässt, wodurch man gedanklich einspringen kann in den Manipulationsapparat "Odysseus". […]
Die Wunde brennt noch immer, mit ihr [Philoktets] Hass. Genau in diesem Wundbrand findet auch Koohestani einen eindrücklichen Beginn. Im Zeitraffer einer filmischen Projektion verfault ein aufgerissenes Bein, bis die Kamera in die Wunde zoomt wie in die innere Hassschwärze des Philoktet. […]
Ganz zu Beginn hebt sich […] ein Double jener rostigen Eisenwand auf, die das Verlies Philoktets in der Unterbühne abdeckt. In der Senkrechten dient es nun als Projektionsfeld für eine Kamera, die vom Bühnenhimmel aus im Draufblick filmt. Unser horizontales Sehen führt so fast immer in die Vertikale, als sähen wir geradeaus in einen Abgrund. Diese Bilder ziehen uns in Odysseus‘ Geschichtslügen so hinein wie in Philoktets Privatleiden.
Ein ausgesetzter Krieger verrottet auf einer Insel und wird plötzlich doch wieder gebraucht. Amir Reza Koohestani hat Heiner Müllers düstere Antiken-Bearbeitung "Philoktet" am DT eindrücklich deutungsoffen auf die Bühne gebracht. […]
Wer in ein Heiner-Müller-Stück geht, das auf einer griechischen Tragödie fußt, erwartet keine Lachsalven und Juxraketen. Aber wie Jörg Pose den Sätzen an diesem Samstagabend in den Kammerspielen des Deutschen Theaters den letzten Funken Witzigkeit austreibt, ist schon beachtlich. Er steigt auf der Hinterbühne in eine rostige Badewanne, spricht stoisch seinen Epilog und wird ohne eine Miene zu verziehen emporgezogen, bevor nun die eigentliche Handlung einsetzt. […]
Dieses tödliche Trio trifft nun in "Philoktet" in wechselnden Konstellationen aufeinander […] Der iranische Regisseur Amir Reza Koohestani kreist in seiner ersten Berliner Inszenierung weniger um die Frage, was die jahrelange Isolation mit einem Menschen macht, sondern ihn interessiert die Funktionsweise von Machtstrukturen - eine von mehreren möglichen Lesarten […] des dichten Müller-Textes.[…]
Die bei aller vieldeutigen Schönheit letztlich doch eiskalten Sätze, die Müller den drei Figuren in den Mund legt, versucht Koohestani in seiner angemessen düsteren Inszenierung nicht umzudeuten oder mit Nebenbedeutungen aufzuladen. Vielmehr lässt er die drei Schauspieler diese Sätze in ungeminderter Härte auf die Bretter spucken. Hoch konzentriert und einander ebenbürtig geben Jörg Pose als nur leicht verächtlicher Odysseus, Niklas Wetzel als im Entsetzen verlangsamter Neoptolemos und Edgar Eckart als gedämpft wütender Philoktet ein unheimliches Männer-Trio ab, das sich die Müller-Sätze präzise einverleibt hat. […]
Mitklingende Themen und Denkanreize deutet Koohestani eher an, als dass er sie dem Publikum aufdrängt, und zwar hauptsächlich über das Bühnenbild (Mitra Nadjmabadi) und die Kostüme (Lea Søvsø): Die militärischen Tarnmuster der Kleidung, die sich bei näherer Betrachtung als eckig-pixelige Farbflächen entpuppen, schlagen eine Brücke in die Gegenwart, ohne aber allzu deutlich zu politisieren.
Knapp anderthalb Stunden konzentriertes, dichtes, souverän gespieltes und kunstvoll deutungsoffen inszeniertes Klassikertheater. [...]
Ein ausgesetzter Krieger verrottet auf einer Insel und wird plötzlich doch wieder gebraucht. Amir Reza Koohestani hat Heiner Müllers düstere Antiken-Bearbeitung "Philoktet" am DT eindrücklich deutungsoffen auf die Bühne gebracht. […]
Wer in ein Heiner-Müller-Stück geht, das auf einer griechischen Tragödie fußt, erwartet keine Lachsalven und Juxraketen. Aber wie Jörg Pose den Sätzen an diesem Samstagabend in den Kammerspielen des Deutschen Theaters den letzten Funken Witzigkeit austreibt, ist schon beachtlich. Er steigt auf der Hinterbühne in eine rostige Badewanne, spricht stoisch seinen Epilog und wird ohne eine Miene zu verziehen emporgezogen, bevor nun die eigentliche Handlung einsetzt. […]
Dieses tödliche Trio trifft nun in "Philoktet" in wechselnden Konstellationen aufeinander […] Der iranische Regisseur Amir Reza Koohestani kreist in seiner ersten Berliner Inszenierung weniger um die Frage, was die jahrelange Isolation mit einem Menschen macht, sondern ihn interessiert die Funktionsweise von Machtstrukturen - eine von mehreren möglichen Lesarten […] des dichten Müller-Textes.[…]
Die bei aller vieldeutigen Schönheit letztlich doch eiskalten Sätze, die Müller den drei Figuren in den Mund legt, versucht Koohestani in seiner angemessen düsteren Inszenierung nicht umzudeuten oder mit Nebenbedeutungen aufzuladen. Vielmehr lässt er die drei Schauspieler diese Sätze in ungeminderter Härte auf die Bretter spucken. Hoch konzentriert und einander ebenbürtig geben Jörg Pose als nur leicht verächtlicher Odysseus, Niklas Wetzel als im Entsetzen verlangsamter Neoptolemos und Edgar Eckart als gedämpft wütender Philoktet ein unheimliches Männer-Trio ab, das sich die Müller-Sätze präzise einverleibt hat. […]
Mitklingende Themen und Denkanreize deutet Koohestani eher an, als dass er sie dem Publikum aufdrängt, und zwar hauptsächlich über das Bühnenbild (Mitra Nadjmabadi) und die Kostüme (Lea Søvsø): Die militärischen Tarnmuster der Kleidung, die sich bei näherer Betrachtung als eckig-pixelige Farbflächen entpuppen, schlagen eine Brücke in die Gegenwart, ohne aber allzu deutlich zu politisieren.
Es ist eine konzentrierte, puristische Inszenierung des sperrigen Müller-Textes, der in den 90er Jahren Theaterkonjunktur hatte. Der iranische Regisseur Amir Reza Koohestani wählt für seine erste Arbeit am Deutschen Theater wenige Mittel, um das wortlastige Drama über drei eher kriegsmüde Männer in Szene zu setzen. […]
Der manipulative Machthaber Odysseus, eingeschmückt in einer zum Heli umgewandelten Badewanne, will den Hass des jungen Neoptolemus auf ihn ebenso instrumentalisieren wie die in Jahren des Ausgesetzt-Seins unter Geiern gewachsenen Rachlust des Philoktet. Es geht um Wahrheit und Lüge. Zwischen den beiden motivationsstarken Männern wird Neoptolemus aufgerieben. Hin und her gerissen zwischen seiner Treue zum verhassten System Odysseus‘ und Sympathie mit dem Ausgestoßenen. […]
Niklas Wetzel spielt [Neoptolemus] mit überzeugender jugendlicher Naivität einen Getriebenen, der zwischen Mitläufertum und Mitgefühl trudelt und schließlich doch im Auftrag tötet. Edgar Eckert gibt den durch seine Wunde gekennzeichneten Philoktet als eigentlich ganz eins mit seiner neuen Welt – dem Nichts, in das er verstoßen wurde – und um keinen Preis bereit, wieder mit Odysseus in die Schlacht zu ziehen.
Aalglatt und bei aller Schneidigkeit manchmal fast tonlos gestaltet Jörg Pose diesen Odysseus, der mit seiner Rückholungsaktion Philoktets zwar scheitert, dem aber auch noch der tote Mann Instrument zu einer Erfolgsgeschichte wird. So gesehen ist er der gegenwärtigste der drei Männer in Pixel-Camouflage auf dem universalen Schlachtfeld. […] Ein früher Erfinder der Fake News. Es ist […] eine Stärke dieser konzentrierten anderthalb Stunden Sprechtheater, dass hier nicht aktualisiert, hinzugefügt oder übermalt wird. Mal ein leiser Klassikertheaterabend zum Nachdenken, der auf Overwhelm verzichtet. [...]
Es ist eine konzentrierte, puristische Inszenierung des sperrigen Müller-Textes, der in den 90er Jahren Theaterkonjunktur hatte. Der iranische Regisseur Amir Reza Koohestani wählt für seine erste Arbeit am Deutschen Theater wenige Mittel, um das wortlastige Drama über drei eher kriegsmüde Männer in Szene zu setzen. […]
Der manipulative Machthaber Odysseus, eingeschmückt in einer zum Heli umgewandelten Badewanne, will den Hass des jungen Neoptolemus auf ihn ebenso instrumentalisieren wie die in Jahren des Ausgesetzt-Seins unter Geiern gewachsenen Rachlust des Philoktet. Es geht um Wahrheit und Lüge. Zwischen den beiden motivationsstarken Männern wird Neoptolemus aufgerieben. Hin und her gerissen zwischen seiner Treue zum verhassten System Odysseus‘ und Sympathie mit dem Ausgestoßenen. […]
Niklas Wetzel spielt [Neoptolemus] mit überzeugender jugendlicher Naivität einen Getriebenen, der zwischen Mitläufertum und Mitgefühl trudelt und schließlich doch im Auftrag tötet. Edgar Eckert gibt den durch seine Wunde gekennzeichneten Philoktet als eigentlich ganz eins mit seiner neuen Welt – dem Nichts, in das er verstoßen wurde – und um keinen Preis bereit, wieder mit Odysseus in die Schlacht zu ziehen.
Aalglatt und bei aller Schneidigkeit manchmal fast tonlos gestaltet Jörg Pose diesen Odysseus, der mit seiner Rückholungsaktion Philoktets zwar scheitert, dem aber auch noch der tote Mann Instrument zu einer Erfolgsgeschichte wird. So gesehen ist er der gegenwärtigste der drei Männer in Pixel-Camouflage auf dem universalen Schlachtfeld. […] Ein früher Erfinder der Fake News.
Was in "Philoktet" geschieht, findet in Worten statt. Die drei Figuren ringen miteinander, keiner kann allein gewinnen. Sie sind aufeinander angewiesen, verfolgen aber unterschiedliche Ziele. Odysseus, gespielt von Jörg Pose, ist der zynische Feldherr, der am schnellsten auf die Veränderung der Lage zu reagieren vermag. Ob er Philoktet tot oder lebendig bekommen kann, ist ihm letztlich egal. Der von Edgar Eckert gespielte Philoktet hingegen ist zerrissen zwischen seinem unbändigen Wunsch nach Rache und dem nicht weniger starken Bedürfnis, die von Geiern vollgeschissene einsame Insel zu verlassen. Niklas Wetzel gibt den Neoptolemos, einen Idealisten, der mit großen Taten aus dem Schatten seines Vaters und Odysseus’ treten möchte.
Dass Philoktet und Neoptolemos wohl am ehesten gemeinsam handeln könnten, es aber nicht tun, verdeutlicht die Regie mit einer eisernen Kette, die beide aneinander bindet, derweil sie in unterschiedliche Richtung streben. Philoktet löst das Band und begibt sich wieder in die Bühnenunterwelt, verfolgt von einer Kamera. Neoptolemos wird ihn am Ende erschlagen – aus Staatsräson. [...]
Seine Präsenz und Körperlichkeit verbindet er [Edgar Eckert] mit einem Spiel, das zwischen abgründiger Verzweiflung, listigem Verhör und knospender Hoffnung eine Figur entstehen lässt, der man mit Interesse und Faszination zu folgen bereit ist, auch in den düsteren Bunker unter die Bühne, wo der Einsame haust. Es gibt keine positive Moral in dem Stück, nur belogene Lügner und unterworfene Unterwerfer. Unschuldig ist niemand, und doch sind sie zugleich gefangen in einer Zwangslage, aus der sie nur gemeinsam entkommen könnten. Um dem Begriff des Individuums gerecht zu werden, muss sich der Einzelne zunächst negieren. Koohestanis "Philoktet" verzichtet glücklicherweise auf platte Aktualisierungen und vertraut auf das Modell. Wer hier wem als erstes den Schädel einschlagen wird, mag man sich fragen. Doch entspinnt sich eine furiose Auseinandersetzung mit Worten, die "Philoktet" zu einem der besten Stücke deutscher Sprache macht. Inszeniert hat es der Regisseur Amir Reza Koohestani.
Was in "Philoktet" geschieht, findet in Worten statt. Die drei Figuren ringen miteinander, keiner kann allein gewinnen. Sie sind aufeinander angewiesen, verfolgen aber unterschiedliche Ziele. Odysseus, gespielt von Jörg Pose, ist der zynische Feldherr, der am schnellsten auf die Veränderung der Lage zu reagieren vermag. Ob er Philoktet tot oder lebendig bekommen kann, ist ihm letztlich egal. Der von Edgar Eckert gespielte Philoktet hingegen ist zerrissen zwischen seinem unbändigen Wunsch nach Rache und dem nicht weniger starken Bedürfnis, die von Geiern vollgeschissene einsame Insel zu verlassen. Niklas Wetzel gibt den Neoptolemos, einen Idealisten, der mit großen Taten aus dem Schatten seines Vaters und Odysseus’ treten möchte.
Dass Philoktet und Neoptolemos wohl am ehesten gemeinsam handeln könnten, es aber nicht tun, verdeutlicht die Regie mit einer eisernen Kette, die beide aneinander bindet, derweil sie in unterschiedliche Richtung streben. Philoktet löst das Band und begibt sich wieder in die Bühnenunterwelt, verfolgt von einer Kamera. Neoptolemos wird ihn am Ende erschlagen – aus Staatsräson. [...]
Seine Präsenz und Körperlichkeit verbindet er [Edgar Eckert] mit einem Spiel, das zwischen abgründiger Verzweiflung, listigem Verhör und knospender Hoffnung eine Figur entstehen lässt, der man mit Interesse und Faszination zu folgen bereit ist, auch in den düsteren Bunker unter die Bühne, wo der Einsame haust. Es gibt keine positive Moral in dem Stück, nur belogene Lügner und unterworfene Unterwerfer. Unschuldig ist niemand, und doch sind sie zugleich gefangen in einer Zwangslage, aus der sie nur gemeinsam entkommen könnten. Um dem Begriff des Individuums gerecht zu werden, muss sich der Einzelne zunächst negieren. Koohestanis "Philoktet" verzichtet glücklicherweise auf platte Aktualisierungen und vertraut auf das Modell.
Mitgebracht hat [Odysseus] den Idealisten Neoptolemos, der Philoktet mit einer Lüge entwaffnen soll. Neoptolemos ist jedoch selbst von Odysseus betrogen worden und schwankt zwischen Mitgefühl für Philoktet und dem Pflichtgefühl den eigenen Truppen gegenüber. Am Ende tötet er Philoktet hinterrücks. Odysseus, der Chefstratege und Taktiker, findet sofort einen Dreh, wie man diesen Mord den Troern in die Schuhe schieben kann – und so auch noch die Leiche für den Krieg nutzbar macht. […]
Wir schauen zuerst auf ein Rechteck, das bedeckt ist mit Herbstlaub. Darüber steigt Jörg Pose als Odysseus zu Hubschraubergeratter auf – man ist also mit dem Helikopter unterwegs und trägt Tarnanzug. Neoptolemos’ Waffe ist ein Laubbläser, mit dem er ein Verließ unter den Blättern freilegt, dessen Wände sich langsam aufrichten. Philoktets Reich liegt im dunklen Keller unter den Gittern, die in den Boden eingelassen sind. Hier wird er von einer Kamera verfolgt – ein Überwachungssystem, das sich immer wieder ins Geschehen einmischt. […]
Tragisch ist […] der Neoptolemos vom jungen Niklas Wetzel. Der zaudert mit Tränen in den Augen, drückt mal Odysseus den gestohlenen Bogen in die Hand, dann wieder Philoktet – bis er Philoktet im Verließ tötet. Um dann mit weißen Augen, wie ein Gespenst, in die überbelichtete Kamera zu sprechen – auch ihn hat der Krieg letztlich zum Mörder gemacht.
Mitgebracht hat [Odysseus] den Idealisten Neoptolemos, der Philoktet mit einer Lüge entwaffnen soll. Neoptolemos ist jedoch selbst von Odysseus betrogen worden und schwankt zwischen Mitgefühl für Philoktet und dem Pflichtgefühl den eigenen Truppen gegenüber. Am Ende tötet er Philoktet hinterrücks. Odysseus, der Chefstratege und Taktiker, findet sofort einen Dreh, wie man diesen Mord den Troern in die Schuhe schieben kann – und so auch noch die Leiche für den Krieg nutzbar macht. […]
Wir schauen zuerst auf ein Rechteck, das bedeckt ist mit Herbstlaub. Darüber steigt Jörg Pose als Odysseus zu Hubschraubergeratter auf – man ist also mit dem Helikopter unterwegs und trägt Tarnanzug. Neoptolemos’ Waffe ist ein Laubbläser, mit dem er ein Verließ unter den Blättern freilegt, dessen Wände sich langsam aufrichten. Philoktets Reich liegt im dunklen Keller unter den Gittern, die in den Boden eingelassen sind. Hier wird er von einer Kamera verfolgt – ein Überwachungssystem, das sich immer wieder ins Geschehen einmischt. […]