
Radar Ost 2021
Das Festival wurde begleitet von einem Blog mit allerhand Hintergrundinformationen, Interviews und Fotoeindrücken.
ART[ISTS] AT RISK
Belarus – Russland – Bosnien – Ukraine
Das internationale Festival Radar Ost richtet in diesem Jahr den Fokus auf ART[ISTS] AT RISK und zeigt Inszenierungen von und mit Künstler:innen aus Belarus, Russland, Bosnien und Herzegowina und der Ukraine, die sich mit dem Spannungsfeld "Kunst und Konflikt" theatral auseinandersetzen. Dabei geht Radar Ost aufgrund der pandemischen Zeiten neue Wege: Unter dem Motto "Kooperieren statt Kuratieren" werden nicht nur zwei Gastspiele erstmalig in Deutschland zu sehen sein, sondern es entstehen in Zusammenarbeit mit Künstler:innen aus Bosnien und Herzegowina und Russland vier Koproduktionen vor Ort, in Berlin.
Freuen Sie sich auf fünf Premieren und die Rückkehr von Decamerone, einer Kooperation mit dem Gogol Center Moskau in der Regie von Kirill Serebrennikov!
Ein besonderer Länderschwerpunkt 2021 ist Belarus. Die Theatergruppe Kupalaŭcy aus Minsk kann in Berlin ihre hochmusikalische Woyzeck-Inszenierung zum ersten Mal vor Publikum spielen. Zwei Künstler:innen der Gruppe werden für zwei Monate Gäste des DT sein. Die Situation in Belarus wird zudem in den Inszenierungen der russischen Theatermacherinnen Ksenia Ravvina (In A Real Tragedy, It Is Not The Heroine Who Dies; It Is The Chorus.) und in Risk Lab von Ada Mukhína künstlerisch reflektiert und ist Thema bei der großen Abschlussdiskussion mit Svetlana Alexijewitsch (ART[ISTS] AT RISK). In allen Inszenierungen geht es um die Frage nach dem Risiko, dem Künstler:innen ausgesetzt sind und das die Kunst bereit ist einzugehen: Welche Themen sind tabu? Wie wird Erzählen zum Überlebensmittel und welche Rolle spielt Humor im Krieg? Welche Geschichten entdeckt die Recherche zwischen den Fronten im Donbass? (Bad Roads) Und was kostet es Künstler:innen, sich im Westen erfolgreich zu vermarkten? (How to Sell Yourself to the West)
Wir laden Sie ein zu theatralen Grenzüberschreitungen bei Radar Ost in Berlin!
Festivalkuratorin Birgit Lengers Mitarbeit Sima Djabar Zadegan Produktionsleitung Christine Drawer Assistenz Ekaterina Raykova-Merz
Belarus – Russland – Bosnien – Ukraine
Das internationale Festival Radar Ost richtet in diesem Jahr den Fokus auf ART[ISTS] AT RISK und zeigt Inszenierungen von und mit Künstler:innen aus Belarus, Russland, Bosnien und Herzegowina und der Ukraine, die sich mit dem Spannungsfeld "Kunst und Konflikt" theatral auseinandersetzen. Dabei geht Radar Ost aufgrund der pandemischen Zeiten neue Wege: Unter dem Motto "Kooperieren statt Kuratieren" werden nicht nur zwei Gastspiele erstmalig in Deutschland zu sehen sein, sondern es entstehen in Zusammenarbeit mit Künstler:innen aus Bosnien und Herzegowina und Russland vier Koproduktionen vor Ort, in Berlin.
Freuen Sie sich auf fünf Premieren und die Rückkehr von Decamerone, einer Kooperation mit dem Gogol Center Moskau in der Regie von Kirill Serebrennikov!
Ein besonderer Länderschwerpunkt 2021 ist Belarus. Die Theatergruppe Kupalaŭcy aus Minsk kann in Berlin ihre hochmusikalische Woyzeck-Inszenierung zum ersten Mal vor Publikum spielen. Zwei Künstler:innen der Gruppe werden für zwei Monate Gäste des DT sein. Die Situation in Belarus wird zudem in den Inszenierungen der russischen Theatermacherinnen Ksenia Ravvina (In A Real Tragedy, It Is Not The Heroine Who Dies; It Is The Chorus.) und in Risk Lab von Ada Mukhína künstlerisch reflektiert und ist Thema bei der großen Abschlussdiskussion mit Svetlana Alexijewitsch (ART[ISTS] AT RISK). In allen Inszenierungen geht es um die Frage nach dem Risiko, dem Künstler:innen ausgesetzt sind und das die Kunst bereit ist einzugehen: Welche Themen sind tabu? Wie wird Erzählen zum Überlebensmittel und welche Rolle spielt Humor im Krieg? Welche Geschichten entdeckt die Recherche zwischen den Fronten im Donbass? (Bad Roads) Und was kostet es Künstler:innen, sich im Westen erfolgreich zu vermarkten? (How to Sell Yourself to the West)
Wir laden Sie ein zu theatralen Grenzüberschreitungen bei Radar Ost in Berlin!
Festivalkuratorin Birgit Lengers Mitarbeit Sima Djabar Zadegan Produktionsleitung Christine Drawer Assistenz Ekaterina Raykova-Merz
Das Festivalprogramm
GASTSPIELE
Woyzeck (Gastspiel Theatergruppe Kupalaŭcy, Minsk/Belarus)
von Georg Büchner
Regie: Raman Padaliaka
In belarussischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Premiere: Do, 7. Oktober um 20.30 Uhr, Fr, 8. Oktober um 18.30 Uhr – Kammerspiele
Bad Roads (Gastspiel Left Bank Theatre, Kiew/Ukraine)
Sechs Geschichten über das Leben und den Krieg
von Natalia Vorozhbit
Regie: Tamara Trunova
In ukrainischer und russischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Sa, 9. Oktober um 20.30 Uhr, So, 10. Oktober um 18 Uhr (17.30 Uhr Einführung, Saal) – Kammerspiele
von Georg Büchner
Regie: Raman Padaliaka
In belarussischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Premiere: Do, 7. Oktober um 20.30 Uhr, Fr, 8. Oktober um 18.30 Uhr – Kammerspiele
Bad Roads (Gastspiel Left Bank Theatre, Kiew/Ukraine)
Sechs Geschichten über das Leben und den Krieg
von Natalia Vorozhbit
Regie: Tamara Trunova
In ukrainischer und russischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Sa, 9. Oktober um 20.30 Uhr, So, 10. Oktober um 18 Uhr (17.30 Uhr Einführung, Saal) – Kammerspiele
KOOPERATIONEN
Koproduktion mit dem Gogol Center Moskau/Russland
Decamerone
von Kirill Serebrennikov nach Motiven von Giovanni Boccaccio in zehn Geschichten
Regie: Kirill Serebrennikov
In deutscher und russischer Sprache mit englischen Übertiteln
Do, 7. Oktober um 19.30 Uhr Wiederaufnahme, Fr, 8. Oktober um 19 Uhr, Sa, 9. Oktober um 18 Uhr (17.30 Uhr Einführung im Saal), So, 10. Oktober um 17 Uhr – Deutsches Theater
Uraufführung, Kooperation Russland – Deutschland
In A Real Tragedy, It Is Not The Heroine Who Dies; It Is The Chorus.
Regie: Ksenia Ravvina
In englischer, deutscher und belarussischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Uraufführung: Do, 7. Oktober um 19 Uhr, Fr, 8. Oktober um 20.30 Uhr – Box
Uraufführung, Kooperation Bosnien und Herzegowina – Deutschland
Was haben wir gelacht
von Nejra Babić, Adnan Lugonić, Mirza Skenderagić
nach einer Idee von Ina Arnautalić und Maja Zećo
In deutscher und bosnischer Sprache
Uraufführung: Sa, 9. Oktober um 17 Uhr + 21 Uhr, So, 10. Oktober um 17 Uhr + 21 Uhr – Verwalterhaus, Prenzlauer Allee 1, 10405 Berlin
Premiere, Kooperation Russland – Belarus
Risk Lab
Eine telematische Performance
von Ada Mukhína mit Anna Sagalchik und Tim Tikachev (Belarus), 12:12 Group
In englischer Sprache
Sa, 9. Oktober um 21 Uhr, So, 10. Oktober um 21.15 Uhr – Box
Premiere, Kooperation Russland – Deutschland
How to Sell Yourself to the West
von Ada Mukhína, Lecture Performance
In deutscher und englischer Sprache
Premiere: Do, 7. Oktober um 20.30 Uhr, Fr, 8. Oktober um 19.30 Uhr – Saal
Decamerone
von Kirill Serebrennikov nach Motiven von Giovanni Boccaccio in zehn Geschichten
Regie: Kirill Serebrennikov
In deutscher und russischer Sprache mit englischen Übertiteln
Do, 7. Oktober um 19.30 Uhr Wiederaufnahme, Fr, 8. Oktober um 19 Uhr, Sa, 9. Oktober um 18 Uhr (17.30 Uhr Einführung im Saal), So, 10. Oktober um 17 Uhr – Deutsches Theater
Uraufführung, Kooperation Russland – Deutschland
In A Real Tragedy, It Is Not The Heroine Who Dies; It Is The Chorus.
Regie: Ksenia Ravvina
In englischer, deutscher und belarussischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Uraufführung: Do, 7. Oktober um 19 Uhr, Fr, 8. Oktober um 20.30 Uhr – Box
Uraufführung, Kooperation Bosnien und Herzegowina – Deutschland
Was haben wir gelacht
von Nejra Babić, Adnan Lugonić, Mirza Skenderagić
nach einer Idee von Ina Arnautalić und Maja Zećo
In deutscher und bosnischer Sprache
Uraufführung: Sa, 9. Oktober um 17 Uhr + 21 Uhr, So, 10. Oktober um 17 Uhr + 21 Uhr – Verwalterhaus, Prenzlauer Allee 1, 10405 Berlin
Premiere, Kooperation Russland – Belarus
Risk Lab
Eine telematische Performance
von Ada Mukhína mit Anna Sagalchik und Tim Tikachev (Belarus), 12:12 Group
In englischer Sprache
Sa, 9. Oktober um 21 Uhr, So, 10. Oktober um 21.15 Uhr – Box
Premiere, Kooperation Russland – Deutschland
How to Sell Yourself to the West
von Ada Mukhína, Lecture Performance
In deutscher und englischer Sprache
Premiere: Do, 7. Oktober um 20.30 Uhr, Fr, 8. Oktober um 19.30 Uhr – Saal
LESUNGEN & RAHMENPROGRAMM
Eröffnung
Do, 7. Oktober um 18 Uhr – Saal
Lesung
Was suchst du, Wolf?
von Eva Viežnaviec (Belarus)
Lesung in deutscher und belarussischer Sprache mit der Autorin
Fr, 8. Oktober um 17 Uhr – Saal
Lesung
transmission.ua: Drama on the Move
Neue Dramatik aus der Ukraine
Sa, 9. Oktober um 18.30 Uhr – Saal
Urlesung und Gespräch
Ohnmacht
von Marius Ivaškevičius (Litauen), Lesung
im Anschluss Abschlussdiskussion: Art[ists] at Risk u. a. mit Swetlana Alexijewitsch (Belarus)
So, 10. Oktober um 11 Uhr – Kammerspiele
Do, 7. Oktober um 18 Uhr – Saal
Lesung
Was suchst du, Wolf?
von Eva Viežnaviec (Belarus)
Lesung in deutscher und belarussischer Sprache mit der Autorin
Fr, 8. Oktober um 17 Uhr – Saal
Lesung
transmission.ua: Drama on the Move
Neue Dramatik aus der Ukraine
Sa, 9. Oktober um 18.30 Uhr – Saal
Urlesung und Gespräch
Ohnmacht
von Marius Ivaškevičius (Litauen), Lesung
im Anschluss Abschlussdiskussion: Art[ists] at Risk u. a. mit Swetlana Alexijewitsch (Belarus)
So, 10. Oktober um 11 Uhr – Kammerspiele
7.–10. Oktober 2021
Deutsches Theater Berlin
Deutsches Theater Berlin
[...]
Was ist die Perspektive für Künstler:innen im Exil? "How To Sell Yourself To The West" – eine Performance der russischen Regisseurin Ada Mukhína – gibt ihnen den sarkastischen Rat, ihre Herkunft aus dem Konfliktgebiet gewinnbringend einzusetzen. Die macht sich immer gut im relevanzgierigen westlichen Kulturbetrieb. Das DT meint es hingegen ernst. Vier Stücke des Festivals Radar Ost sind als Koproduktionen vor Ort entstanden, zwei Mitglieder der Gruppe Kupalaucy werden für zwei Monate Gäste am Haus sein. Dass sich die Lage in Belarus unterdessen entspannen wird – dafür besteht leider wenig Hoffnung. "Artist(s) at Risk" das war der Fokus des diesjährigen Festivals Radar Ost, mit Produktionen aus Russland, der Ukraine, Bosnien und Herzegowina und eben Belarus. Bedrohte Künstler:innen gibt es ungezählte im Lukaschenko-Reich. Ebenso wie Aktivist:innen, Journalist:innen, oder auch Normalbürger:innen, die grundlos Opfer von Repressionen werden.
[...]
Was ist die Perspektive für Künstler:innen im Exil? "How To Sell Yourself To The West" – eine Performance der russischen Regisseurin Ada Mukhína – gibt ihnen den sarkastischen Rat, ihre Herkunft aus dem Konfliktgebiet gewinnbringend einzusetzen. Die macht sich immer gut im relevanzgierigen westlichen Kulturbetrieb. Das DT meint es hingegen ernst. Vier Stücke des Festivals Radar Ost sind als Koproduktionen vor Ort entstanden, zwei Mitglieder der Gruppe Kupalaucy werden für zwei Monate Gäste am Haus sein. Dass sich die Lage in Belarus unterdessen entspannen wird – dafür besteht leider wenig Hoffnung.
Der finster erzählte "Woyzeck" war ein Hauptereignis beim Theaterfestival "Radar Ost" in Berlin, das in diesem Jahr am Deutschen Theater den Themenschwerpunkt "Artist at Risk" gesetzt hat und innovativen Theaterensembles, aber auch den unterdrückten Kulturschaffenden Osteuropas eine Bühne geben will. Theatergruppen aus Belarus, Russland, Bosnien und der Ukraine wurden eingeladen, darunter das Moskauer Gogol-Center, das Left Bank Theatre aus Kiew sowie die Gruppe Kupalaŭcy aus Minsk. Das existenzialistische "Decamerone" des Russen Kirill Serebrennikow wird gezeigt und das Stück "Bad Roads", das die Kriegserfahrungen von Frauen im Donbass verarbeitet. Der Länderschwerpunkt lag diesmal freilich bei Belarus, auch weil seit den Protesten gegen Präsident Lukaschenko Theatermacher verfolgt werden und Regisseure und Schauspieler von kritischen Produktionen ein hohes Risiko eingehen. Es gehe um die künstlerische Expression auch in dunklen Zeiten, erklärt Birgit Lengers, die das Festival organisiert. Die "Woyzeck"-Szenen von Raman Padaliaka zeigen das besonders eindrücklich. In Berlin wurde die Inszenierung nun erstmals live vor Publikum gezeigt. Seit dem vergangenen Jahr kann die Theatergruppe nicht mehr auf Minsker Bühnen spielen. Sie ist auf der schwarzen Liste der Regierung, hat Auftrittsverbot. Proben finden im Ausland und im Untergrund statt.
[…]
Auch die Russin Ksenia Ravvina bringt die belarussischen Proteste auf die Bühne. Doch ihre immersive Performance ist stiller. Sie setzt sich in "In A Real Tragedy, It Is Not The Heroine Who Dies" mit den Gesängen und der Rolle der Frauen bei den Demonstrationen in Belarus auseinander. Das Stück beginnt mit der Anekdote einer Schauspielerin aus China, die am Gogol-Center in Moskau spielte, als Serebrennikow seine Fassung von Shakespeares "Sommernachtstraum" herausbrachte. Es ist das Jahr 2017, im Sommer wurde der Regisseur verhaftet. Ihm wurde Veruntreuung staatlicher Fördermittel vorgeworfen. Der "Sommernachtstraum" sei nie aufgeführt worden, heißt es in den Prozessakten, was natürlich gelogen ist. Für die Schauspielerin bedeutet diese Lüge, dass ihre Karriere in den Akten nicht existiert, dass ihre Stimme verstummt ist. Sie sagt: "Stell dir vor, du wachst morgens auf, und der Staat sagt, dein Spiel habe es nie gegeben." […] Zum Schluss wird ein Mädchen zitiert, das bei den Protesten zusammengeschlagen wurde, das aber mit zitternder Stimme betont, wie wichtig das Theater im Widerstand gegen den Autoritarismus sei. "Lukaschenko hätte gesagt, sie war ein nettes Mädchen, vielleicht etwas flatterhaft. Sie hätte auf die Warnungen hören sollen, nicht auf die Straße zu gehen. Ich habe trotz aller Warnungen zu mir selbst gesagt: Ja, ich gehe auf die Straße." Der gefährdete Künstler: Das Theaterfestival Radar Ost am Deutschen Theater Berlin zeigt eine radikale Neuinterpretation von Georg Büchners "Woyzeck" aus Minsk und eine russische Widerstandsperformance.
Der finster erzählte "Woyzeck" war ein Hauptereignis beim Theaterfestival "Radar Ost" in Berlin, das in diesem Jahr am Deutschen Theater den Themenschwerpunkt "Artist at Risk" gesetzt hat und innovativen Theaterensembles, aber auch den unterdrückten Kulturschaffenden Osteuropas eine Bühne geben will. Theatergruppen aus Belarus, Russland, Bosnien und der Ukraine wurden eingeladen, darunter das Moskauer Gogol-Center, das Left Bank Theatre aus Kiew sowie die Gruppe Kupalaŭcy aus Minsk. Das existenzialistische "Decamerone" des Russen Kirill Serebrennikow wird gezeigt und das Stück "Bad Roads", das die Kriegserfahrungen von Frauen im Donbass verarbeitet. Der Länderschwerpunkt lag diesmal freilich bei Belarus, auch weil seit den Protesten gegen Präsident Lukaschenko Theatermacher verfolgt werden und Regisseure und Schauspieler von kritischen Produktionen ein hohes Risiko eingehen. Es gehe um die künstlerische Expression auch in dunklen Zeiten, erklärt Birgit Lengers, die das Festival organisiert. Die "Woyzeck"-Szenen von Raman Padaliaka zeigen das besonders eindrücklich. In Berlin wurde die Inszenierung nun erstmals live vor Publikum gezeigt. Seit dem vergangenen Jahr kann die Theatergruppe nicht mehr auf Minsker Bühnen spielen. Sie ist auf der schwarzen Liste der Regierung, hat Auftrittsverbot. Proben finden im Ausland und im Untergrund statt.
[…]
Auch die Russin Ksenia Ravvina bringt die belarussischen Proteste auf die Bühne. Doch ihre immersive Performance ist stiller. Sie setzt sich in "In A Real Tragedy, It Is Not The Heroine Who Dies" mit den Gesängen und der Rolle der Frauen bei den Demonstrationen in Belarus auseinander. Das Stück beginnt mit der Anekdote einer Schauspielerin aus China, die am Gogol-Center in Moskau spielte, als Serebrennikow seine Fassung von Shakespeares "Sommernachtstraum" herausbrachte. Es ist das Jahr 2017, im Sommer wurde der Regisseur verhaftet. Ihm wurde Veruntreuung staatlicher Fördermittel vorgeworfen. Der "Sommernachtstraum" sei nie aufgeführt worden, heißt es in den Prozessakten, was natürlich gelogen ist. Für die Schauspielerin bedeutet diese Lüge, dass ihre Karriere in den Akten nicht existiert, dass ihre Stimme verstummt ist. Sie sagt: "Stell dir vor, du wachst morgens auf, und der Staat sagt, dein Spiel habe es nie gegeben." […] Zum Schluss wird ein Mädchen zitiert, das bei den Protesten zusammengeschlagen wurde, das aber mit zitternder Stimme betont, wie wichtig das Theater im Widerstand gegen den Autoritarismus sei. "Lukaschenko hätte gesagt, sie war ein nettes Mädchen, vielleicht etwas flatterhaft. Sie hätte auf die Warnungen hören sollen, nicht auf die Straße zu gehen. Ich habe trotz aller Warnungen zu mir selbst gesagt: Ja, ich gehe auf die Straße."
Das Deutsche Theater hat Kupalaucy eingeladen, Woyzeck in Berlin beim Festival Radar Ost zur Premiere zu bringen. So saß letztes Wochenende die zahlreiche belarussische Diaspora in den Kammerspielen des DT. Welch existenzielle Bedeutung Theater unter extremen Umständen erfahren kann, wurde beim Publikumsgespräch deutlich. Raman Padaliaka wiederum beschreibt das Berliner Gastspiel als einen "Ausflug" in ein nomales Leben, um sich zu vergewissern, dass es so etwas noch gibt. Kupalaucy ist eine freie Theatergruppe, die es offiziell in Belarus nicht gibt, weil sie dort nicht existieren darf. Seine Mitglieder sind SchauspielerInnen, die bis August letzten Jahres im staatlichen Janka-Kupala-Theater, dem ältesten Theater des Landes, angestellt waren. Im Zuge der Proteste haben sie eine unabhängige Theatergruppe gegründet. Aufgrund der Pandemie und der poltischen Verhältnisse verlegten sie sich aufs Streaming, aber auch das ist inzwischen nicht mehr möglich. Kupalaucy kann Theaterprojekte nur noch außerhalb des Landes realisieren. Der Lebensmittelpunkt der Mitglieder ist aber – trotz allem – Belarus.
Das Deutsche Theater hat Kupalaucy eingeladen, Woyzeck in Berlin beim Festival Radar Ost zur Premiere zu bringen. So saß letztes Wochenende die zahlreiche belarussische Diaspora in den Kammerspielen des DT. Welch existenzielle Bedeutung Theater unter extremen Umständen erfahren kann, wurde beim Publikumsgespräch deutlich. Raman Padaliaka wiederum beschreibt das Berliner Gastspiel als einen "Ausflug" in ein nomales Leben, um sich zu vergewissern, dass es so etwas noch gibt.