
Fragen an Nino Haratischwili
"Der weibliche Blick ist nach wie vor keine Selbstverständlichkeit"
Als eine "Bestandsaufnahme zu der sich verändernden Situation in Europa heute" wird "Ein europäisches Abendmahl" (Regie: Barbara Frey) vom Wiener Burgtheater angekündigt. Nino Haratischwili ist eine der Autorinnen, die einen Frauen-Monolog für diesen Theaterabend geschrieben hat. Sie ist zur Zeit in ihrer Heimat Georgien unterwegs. Wir haben ihr Fragen per E-Mail gestellt.
Fünf Autorinnen sind an "Ein europäisches Abendmahl" beteiligt: die Österreicherin Elfriede Jelinek, die Deutsche Jenny Erpenbeck*, die Finnin Sofi Oksanen, die Ungarin Terezia Mora und Sie, Nino Haratischwili, in Georgien geboren. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Ich wurde vom Burgtheater angefragt und habe freudig zugesagt. Ich fand das Projekt spannend, fand es ebenfalls gut, dass man innerhalb des großen Überbaus dennoch frei von Vorgaben war und war natürlich froh über die Gesellschaft der Kolleginnen.
Es geht ausnahmslos um den weiblichen Blick auf Europa, nur Frauen kommen zu Wort. Warum?
Ich denke, Männer sind im Leben, in der Literatur und im Theater sowieso oft genug zu Wort gekommen. Der weibliche Blick ist nach wie vor keine Selbstverständlichkeit. Das sollte 2017 längst nicht mehr so sein. Zum Beispiel bei meinem letzten Roman "Das achte Leben" werde ich immer wieder auf die "vielen, starken Frauenfiguren" angesprochen, als wäre eine starke Frau eine Rarität. Das erstaunt mich und macht mich zuweilen wütend. Und selbstverständlich schreibe ich über Frauen – ob stark oder schwach, schließlich bin ich ja selbst eine.
In dem von Ihnen geschriebenen Monolog kommt Marusja zu Wort, eine Frau aus der ehemaligen Sowjetunion, die vor langer Zeit nach Deutschland gekommen ist, und mittlerweile in Flüchtlingsheimen putzt. Man könnte ja denken, sie kann nachvollziehen, wie schwierig das Ankommen ist, aber Marusja zeigt wenig Empathie. Was ist ihre Sicht auf die neuen Flüchtlinge?
Das ist ein großes Thema und lässt sich in einigen Sätzen leider nicht zusammenfassen. Natürlich ist mein eigener Blick auf dieses Thema nicht der von Marusja. Ich fand und finde es nach wie vor unglaublich, dass die meisten Migranten so wenig Empathie zeigen, sobald es um das Flüchtlingsthema geht, obwohl man ja meinen könnte – sie würden aufgeschlossener und mitfühlender reagieren. Ich wollte diesem Aspekt nachgehen und meine Fragen offen formulieren.
Was will uns Marusja sagen: Rassismus steckt in jedem von uns?
Ich fände es furchtbar, eine Art "Moral der Geschichte" irgendeiner Figur in den Mund zu legen. Ich denke, dass Marusja mit ihrem Leben und ihrer Haltung bei jedem Zuschauer einen anderen Eindruck hinterlassen wird. Zumindest hoffe ich das. Jeder Zuschauer bringt ja seine eigene Geschichte, seine eigene Biografie, seine eigene Haltung mit und durch diese Wechselwirkung entsteht dann ja auch Wirkung.
Machen Sie sich Sorgen um die europäische Idee? Was bedeutet Europa für Sie persönlich?
In erster Linie Menschenwürde, Freiheit und Demokratie und vor allem die Hoffnung darauf, dass ein friedliches Miteinander von verschiedenen Menschen, Kulturen, Meinungen denkbar ist – auch wenn diese Vorstellung angesichts der Gegenwart eher einer Utopie gleicht.
Was kann ein solcher Theaterabend über Europa im Idealfall schaffen?
Zu Denkanstößen anregen. Eine rege Diskussion, die ein Theaterabend auslösen kann – ist eine wunderbare Sache.
Welches Stück würden Sie sich bei den Autorentheatertagen gerne anschauen und warum?
Da gibt es einige. Die Welt im Rücken – da ich das Buch sehr mochte und gespannt bin, wie sich der Roman auf die Bühne übertragen ließ. Auch die Lange Nacht der Autoren finde ich immer spannend, um den "Puls" der Gegenwartsdramatik zu ertasten.
*"Ein europäisches Abendmahl" wird während der Autorentheatertage im Deutschen Theater Berlin ohne den Beitrag von Jenny Erpenbeck gezeigt.
Fünf Autorinnen sind an "Ein europäisches Abendmahl" beteiligt: die Österreicherin Elfriede Jelinek, die Deutsche Jenny Erpenbeck*, die Finnin Sofi Oksanen, die Ungarin Terezia Mora und Sie, Nino Haratischwili, in Georgien geboren. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Ich wurde vom Burgtheater angefragt und habe freudig zugesagt. Ich fand das Projekt spannend, fand es ebenfalls gut, dass man innerhalb des großen Überbaus dennoch frei von Vorgaben war und war natürlich froh über die Gesellschaft der Kolleginnen.
Es geht ausnahmslos um den weiblichen Blick auf Europa, nur Frauen kommen zu Wort. Warum?
Ich denke, Männer sind im Leben, in der Literatur und im Theater sowieso oft genug zu Wort gekommen. Der weibliche Blick ist nach wie vor keine Selbstverständlichkeit. Das sollte 2017 längst nicht mehr so sein. Zum Beispiel bei meinem letzten Roman "Das achte Leben" werde ich immer wieder auf die "vielen, starken Frauenfiguren" angesprochen, als wäre eine starke Frau eine Rarität. Das erstaunt mich und macht mich zuweilen wütend. Und selbstverständlich schreibe ich über Frauen – ob stark oder schwach, schließlich bin ich ja selbst eine.
In dem von Ihnen geschriebenen Monolog kommt Marusja zu Wort, eine Frau aus der ehemaligen Sowjetunion, die vor langer Zeit nach Deutschland gekommen ist, und mittlerweile in Flüchtlingsheimen putzt. Man könnte ja denken, sie kann nachvollziehen, wie schwierig das Ankommen ist, aber Marusja zeigt wenig Empathie. Was ist ihre Sicht auf die neuen Flüchtlinge?
Das ist ein großes Thema und lässt sich in einigen Sätzen leider nicht zusammenfassen. Natürlich ist mein eigener Blick auf dieses Thema nicht der von Marusja. Ich fand und finde es nach wie vor unglaublich, dass die meisten Migranten so wenig Empathie zeigen, sobald es um das Flüchtlingsthema geht, obwohl man ja meinen könnte – sie würden aufgeschlossener und mitfühlender reagieren. Ich wollte diesem Aspekt nachgehen und meine Fragen offen formulieren.
Was will uns Marusja sagen: Rassismus steckt in jedem von uns?
Ich fände es furchtbar, eine Art "Moral der Geschichte" irgendeiner Figur in den Mund zu legen. Ich denke, dass Marusja mit ihrem Leben und ihrer Haltung bei jedem Zuschauer einen anderen Eindruck hinterlassen wird. Zumindest hoffe ich das. Jeder Zuschauer bringt ja seine eigene Geschichte, seine eigene Biografie, seine eigene Haltung mit und durch diese Wechselwirkung entsteht dann ja auch Wirkung.
Machen Sie sich Sorgen um die europäische Idee? Was bedeutet Europa für Sie persönlich?
In erster Linie Menschenwürde, Freiheit und Demokratie und vor allem die Hoffnung darauf, dass ein friedliches Miteinander von verschiedenen Menschen, Kulturen, Meinungen denkbar ist – auch wenn diese Vorstellung angesichts der Gegenwart eher einer Utopie gleicht.
Was kann ein solcher Theaterabend über Europa im Idealfall schaffen?
Zu Denkanstößen anregen. Eine rege Diskussion, die ein Theaterabend auslösen kann – ist eine wunderbare Sache.
Welches Stück würden Sie sich bei den Autorentheatertagen gerne anschauen und warum?
Da gibt es einige. Die Welt im Rücken – da ich das Buch sehr mochte und gespannt bin, wie sich der Roman auf die Bühne übertragen ließ. Auch die Lange Nacht der Autoren finde ich immer spannend, um den "Puls" der Gegenwartsdramatik zu ertasten.
*"Ein europäisches Abendmahl" wird während der Autorentheatertage im Deutschen Theater Berlin ohne den Beitrag von Jenny Erpenbeck gezeigt.