
Der Eröffnungsabend
von Anna-Dora Schellenberg

"I will wait for you."
Kaum etwas fasst wohl unser Gefühl beim Betreten des Vorplatzes des Deutschen Theaters am Mittwoch, den 8. Juli '22 so gut zusammen, wie dieser schlichte Satz, der inmitten eines flammenden Herzens auf dem Banner über dem Haupteingang des Deutschen Theaters prangt. Es kommt uns vor wie eine Ewigkeit, dass hier die Autor:innen Theatertage mitsamt eines großen Gastspielprogramms stattfanden und live und in Farbe Stücke aus ganz Deutschland (ur-)aufgeführt worden, dass Theaterinteressierte, Autor:innen, Schauspieler:innen und Regisseur:innen zusammenkamen, um gemeinsam herauszufinden, was zeitgenössisches Theater für jeden von uns sein kann.
Lange haben wir gewartet, doch jetzt, an diesem sommerlichen Nachmittag ist es plötzlich wieder soweit. Wir stehen in der Sonne und warten auf unsere Begleitung, kramen in den Jackentaschen nach den Tickets und kippen schnell den letzten Schluck Wein, den wir uns viel zu kurzfristig noch gekauft haben, hinunter, um dann endlich den Saal zu
Kaum etwas fasst wohl unser Gefühl beim Betreten des Vorplatzes des Deutschen Theaters am Mittwoch, den 8. Juli '22 so gut zusammen, wie dieser schlichte Satz, der inmitten eines flammenden Herzens auf dem Banner über dem Haupteingang des Deutschen Theaters prangt. Es kommt uns vor wie eine Ewigkeit, dass hier die Autor:innen Theatertage mitsamt eines großen Gastspielprogramms stattfanden und live und in Farbe Stücke aus ganz Deutschland (ur-)aufgeführt worden, dass Theaterinteressierte, Autor:innen, Schauspieler:innen und Regisseur:innen zusammenkamen, um gemeinsam herauszufinden, was zeitgenössisches Theater für jeden von uns sein kann.
Lange haben wir gewartet, doch jetzt, an diesem sommerlichen Nachmittag ist es plötzlich wieder soweit. Wir stehen in der Sonne und warten auf unsere Begleitung, kramen in den Jackentaschen nach den Tickets und kippen schnell den letzten Schluck Wein, den wir uns viel zu kurzfristig noch gekauft haben, hinunter, um dann endlich den Saal zu
betreten und auf einem der roten Samtsessel Platz zu nehmen. Ein paar letzte Menschen trudeln noch ein, dann wird es still wenn die diesjährige Jury – bestehend aus Dramatiker Ferdinand Schmalz, Schauspielerin Julischka Eichel und Theatermacherin und Musikerin Christiane Rösinger, gemeinsam mit dem Intendanten Ulrich Khuon – die Bühne betritt.
Einfach scheint die Wahl der Gewinnerstücke auch diesmal nicht gewesen zu sein, doch ohne Frage, war es eine gute, denn so unterschiedlich, wie die drei Texte auch thematisch sein mögen, eint die Jurymitglieder doch alle die Erkenntnis, dass Theater gerade jetzt mehr sein muss, als die pure Unterhaltung. Es muss zum Dialog auffordern, zum Sich-selbst-hinterfragen. Und so besitzen Judith Shakespeare – Rape and Revenge von Paula Thielecke, Fischer Fritz von Raphaela Bardutzky und Das Augenlid ist ein Muskel von Alexander Stutz alle ihre ganz eigene Relevanz, wie Juror Ferdinand Schmalz am Ende seiner Eröffnungsrede mit sehr deutlichen Worten formuliert: "In toxischen Zeiten braucht es das Theater als eine Entgiftungsanstalt."
Keine zwei Minuten vergehen, nachdem die letzten Worte verklungen sind, dann hebt sich auch schon der Vorhang und wir werden in die erste Runde unserer Entgiftungskur geworfen: Mit Reich des Todes von Rainald Goetz, einer Koproduktion des Schauspielhaus Düsseldorf und dem Schauspiel Köln, kommt nach langer Zeit wieder ein Stück eines Autors und Dramatikers auf die Bühne, der als eine der prägenden Literarischen Stimmen der Gegenwart zählt. Das Stück macht seinem Titel alle Ehre und entführt uns in einen imaginierten Hades, welcher uns die dunkle Geschichte unserer jüngsten Vergangenheit, mit all ihren Strippenziehern und Folterknechten, vor Augen führt. Wir werden vor die Tatsache gestellt, dass das Böse im Menschen eine Konstante ist, die sich von der Vergangenheit bis in unsere Gegenwart zieht.
Auch in dem zeitgleich in den Kammerspielen laufenden Stück Wounds Are Forever (Selbstportrait als Nationaldichterin) von Sivan Ben Yishai unter der Regie von Marie Bues geht es sowohl um eigene, als auch um kollektive Wunden. Yishai ergründet außerdem, welche Rolle diese innerhalb von den immer selben Konflikten um Raum und Macht, um Rechte und Diskriminierung spielen.
Wenn wir uns dann nach zwei Stunden wieder auf unseren Sesseln bewegen, uns umsehen und die Brille absetzen, sind wir vielleicht schockiert, ernüchtert und nicht schlauer als vorher, aber wir haben das Gefühl, uns seien die Augen wieder ein Stück weiter geöffnet worden. Schon auf dem Weg aus dem Saal hinaus wird klar, der lang ersehnte Austausch, der uns allen die letzten zwei Jahre gefehlt hat, ist notwendig. Wenn wir dann also die Nasen in den lauen Berliner Nachthimmel stecken, sind wir umgeben von Gesprächen über das gerade Gesehene und wissen: das hier ist gerade erst der Anfang.
Einfach scheint die Wahl der Gewinnerstücke auch diesmal nicht gewesen zu sein, doch ohne Frage, war es eine gute, denn so unterschiedlich, wie die drei Texte auch thematisch sein mögen, eint die Jurymitglieder doch alle die Erkenntnis, dass Theater gerade jetzt mehr sein muss, als die pure Unterhaltung. Es muss zum Dialog auffordern, zum Sich-selbst-hinterfragen. Und so besitzen Judith Shakespeare – Rape and Revenge von Paula Thielecke, Fischer Fritz von Raphaela Bardutzky und Das Augenlid ist ein Muskel von Alexander Stutz alle ihre ganz eigene Relevanz, wie Juror Ferdinand Schmalz am Ende seiner Eröffnungsrede mit sehr deutlichen Worten formuliert: "In toxischen Zeiten braucht es das Theater als eine Entgiftungsanstalt."
Keine zwei Minuten vergehen, nachdem die letzten Worte verklungen sind, dann hebt sich auch schon der Vorhang und wir werden in die erste Runde unserer Entgiftungskur geworfen: Mit Reich des Todes von Rainald Goetz, einer Koproduktion des Schauspielhaus Düsseldorf und dem Schauspiel Köln, kommt nach langer Zeit wieder ein Stück eines Autors und Dramatikers auf die Bühne, der als eine der prägenden Literarischen Stimmen der Gegenwart zählt. Das Stück macht seinem Titel alle Ehre und entführt uns in einen imaginierten Hades, welcher uns die dunkle Geschichte unserer jüngsten Vergangenheit, mit all ihren Strippenziehern und Folterknechten, vor Augen führt. Wir werden vor die Tatsache gestellt, dass das Böse im Menschen eine Konstante ist, die sich von der Vergangenheit bis in unsere Gegenwart zieht.
Auch in dem zeitgleich in den Kammerspielen laufenden Stück Wounds Are Forever (Selbstportrait als Nationaldichterin) von Sivan Ben Yishai unter der Regie von Marie Bues geht es sowohl um eigene, als auch um kollektive Wunden. Yishai ergründet außerdem, welche Rolle diese innerhalb von den immer selben Konflikten um Raum und Macht, um Rechte und Diskriminierung spielen.
Wenn wir uns dann nach zwei Stunden wieder auf unseren Sesseln bewegen, uns umsehen und die Brille absetzen, sind wir vielleicht schockiert, ernüchtert und nicht schlauer als vorher, aber wir haben das Gefühl, uns seien die Augen wieder ein Stück weiter geöffnet worden. Schon auf dem Weg aus dem Saal hinaus wird klar, der lang ersehnte Austausch, der uns allen die letzten zwei Jahre gefehlt hat, ist notwendig. Wenn wir dann also die Nasen in den lauen Berliner Nachthimmel stecken, sind wir umgeben von Gesprächen über das gerade Gesehene und wissen: das hier ist gerade erst der Anfang.