
Ein Gespräch mit Julia Baier
Julia Baier ist Fotografin. Von ihr stammen die Kampagnen-Motive der Spielzeit 2020/21, die unter dem Motto Alles Sofort steht. Julia Baier ist zu diesem Thema in die Tiefen ihres Archivs eingetaucht und hat auch neue Bilder erstellt, die gerade unter der Überschrift Alles Sofort eine besondere Strahlkraft entfalten.
Hier erzählt Julia Baier über ihre Arbeit, die Motive und das Motto Alles Sofort. Ein Gespräch über die besondere Ästhetik von Schwarz-Weiß-Fotografie, Badeanstalten und Alltagspoesie.
Hier erzählt Julia Baier über ihre Arbeit, die Motive und das Motto Alles Sofort. Ein Gespräch über die besondere Ästhetik von Schwarz-Weiß-Fotografie, Badeanstalten und Alltagspoesie.

Wie sind deine Motive entstanden?
Teils sind die Bilder aktuell fotografiert, teils stammen sie aus meinem Archiv. Das Thema Alles Sofort passt sehr gut zum Medium Fotografie, da ein Moment auf eine zweidimensionale Fläche verdichtet wird und alles unmittelbar zu erkennen ist – anders als beim Film, wo sich das Erzählte über eine längere Zeitspanne entwickelt und sich nicht sofort komplett offenbart. In einem Foto ist alles auf einen Schlag zu sehen und im optimalen Falle werden bei intensiver Betrachtung weitere Ebenen sichtbar.
Ich fotografiere seit ziemlich genau 30 Jahren und dieser Reiz des Momenthaften ist immer noch meine Grundmotivation – daran haben auch die neuen Möglichkeiten, Bilder am Rechner zusammenzusetzen, nichts geändert. Außer der Reduktion auf Schwarz-Weiß nehme ich digital keine nachträglichen Veränderungen vor.
Teils sind die Bilder aktuell fotografiert, teils stammen sie aus meinem Archiv. Das Thema Alles Sofort passt sehr gut zum Medium Fotografie, da ein Moment auf eine zweidimensionale Fläche verdichtet wird und alles unmittelbar zu erkennen ist – anders als beim Film, wo sich das Erzählte über eine längere Zeitspanne entwickelt und sich nicht sofort komplett offenbart. In einem Foto ist alles auf einen Schlag zu sehen und im optimalen Falle werden bei intensiver Betrachtung weitere Ebenen sichtbar.
Ich fotografiere seit ziemlich genau 30 Jahren und dieser Reiz des Momenthaften ist immer noch meine Grundmotivation – daran haben auch die neuen Möglichkeiten, Bilder am Rechner zusammenzusetzen, nichts geändert. Außer der Reduktion auf Schwarz-Weiß nehme ich digital keine nachträglichen Veränderungen vor.

Einmal das Motiv entdeckt – wie gestaltest du dann das Fotografieren an sich?
Zwei der bisherigen Motive sind von einem erhöhten Standpunkt aufgenommen. Ehrlich gesagt bin ich schon immer gern irgendwo hochgeklettert, um mir einen Überblick über das Geschehen zu verschaffen. Die Welt von oben und mit Distanz sieht oft so schön anders und verrätselt aus!
Ansonsten habe ich sehr oft meine Kamera – also nicht nur das Smartphone – im Alltag dabei. Ich gehöre zu der Sorte Fotografin, die das Medium spontan nutzt, um intuitiv auf das zu reagieren, was mir ins Auge springt. Der Zufall ist da fest eingeplant.
Um Fotostudios mache ich einen großen Bogen. Ich inszeniere nicht gern und schöpfe lieber aus dem, was ich vorfinde. Das sind zwei ganz unterschiedliche Beweggründe zu fotografieren, die stark von der Persönlichkeit abhängen. Ein leerer Studioraum macht mir Angst und blockiert mich, das ist wie mit dem weißen Blatt Papier…Draußen mit der Kamera zu fotografieren, fühlt sich viel freier an, da kann ich mich kreativ ausleben.
Zwei der bisherigen Motive sind von einem erhöhten Standpunkt aufgenommen. Ehrlich gesagt bin ich schon immer gern irgendwo hochgeklettert, um mir einen Überblick über das Geschehen zu verschaffen. Die Welt von oben und mit Distanz sieht oft so schön anders und verrätselt aus!
Ansonsten habe ich sehr oft meine Kamera – also nicht nur das Smartphone – im Alltag dabei. Ich gehöre zu der Sorte Fotografin, die das Medium spontan nutzt, um intuitiv auf das zu reagieren, was mir ins Auge springt. Der Zufall ist da fest eingeplant.
Um Fotostudios mache ich einen großen Bogen. Ich inszeniere nicht gern und schöpfe lieber aus dem, was ich vorfinde. Das sind zwei ganz unterschiedliche Beweggründe zu fotografieren, die stark von der Persönlichkeit abhängen. Ein leerer Studioraum macht mir Angst und blockiert mich, das ist wie mit dem weißen Blatt Papier…Draußen mit der Kamera zu fotografieren, fühlt sich viel freier an, da kann ich mich kreativ ausleben.
Suchst du eigentlich nach Motiven oder kommen sie zu dir?
Es ist eine Mischung aus beidem. Ich schöpfe prinzipiell aus dem, was ich sehe, aber ganz zufällig oder ungeplant sind meine Motive natürlich nicht. Es gibt Themen, an denen ich über längere Zeiträume arbeite und dazu gehört jede Menge Planung.
Es ist eine Mischung aus beidem. Ich schöpfe prinzipiell aus dem, was ich sehe, aber ganz zufällig oder ungeplant sind meine Motive natürlich nicht. Es gibt Themen, an denen ich über längere Zeiträume arbeite und dazu gehört jede Menge Planung.
Ich beantrage z. B. Stipendien oder hole Erlaubnisse ein, um für eine gewisse Zeit an Orten zu sein, wo ich in das ungeplante, freie Fotografieren einsteigen kann. Beim Fotografieren von Menschen greife ich nicht ins Geschehen ein, meine Bilder sind also das Ergebnis von Beobachtungen. Aber ich lenke eine Serie insofern, als ich gezielt Orte zu bestimmten Uhrzeiten aufsuche, weil ich weiß, dass z. B. das Licht besonders schön ist, oder gerade Dinge stattfinden, die inhaltlich für meine Arbeit von Bewandtnis sind.
Ich arbeite ja als freischaffende Fotografin, manchmal entstehen auch Bilder auf dem Weg zu einem Job oder an dessen Ende, die ich gesondert für meine freie Arbeit nutze. Und dann gibt es natürlich noch die Einzelbilder, die ohne den Kontext einer Serie im Alltag entstehen.
Ich arbeite ja als freischaffende Fotografin, manchmal entstehen auch Bilder auf dem Weg zu einem Job oder an dessen Ende, die ich gesondert für meine freie Arbeit nutze. Und dann gibt es natürlich noch die Einzelbilder, die ohne den Kontext einer Serie im Alltag entstehen.
Wasser scheint ein Thema für dich zu sein. Stimmt es, dass du extra die Nähe zum Wasser suchst oder ist das eher Zufall?
Wer mich kennt, weiß, dass ich eine Wasserratte bin, unheimlich gern schwimme und schon deswegen oft die Nähe zum Wasser suche. Außerdem liebe ich Schwimmbäder, weil das faszinierende Orte zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre sind. Es ist ein interessanter Mikrokosmos, der zum einen unsere Gesellschaft im Kleinen abbildet und zum anderen ästhetisch für mich ungemein spannend ist. Das ergibt eine interessante inhaltliche und visuelle Gemengelage. Die öffentliche Badeanstalt habe ich bereits beim Fotografiestudium zu meinem Diplomthema an der Hochschule für Künste Bremen gemacht.
Über die Jahre habe ich später meinen Fokus ausgeweitet und weltweit Badekulturen mit meiner Kamera erkundet. So habe ich z. B. das Buch Sento über das japanische Badehaus gemacht, die heißen Quellen auf Island gesucht und in Litauen das Schlammbad für mich entdeckt. Es ist erstaunlich, dass Wasser weltweit und universal Menschen anzieht und offensichtlich ein großer Quell der Freude, Entspannung und Gesundheit ist.
Wer mich kennt, weiß, dass ich eine Wasserratte bin, unheimlich gern schwimme und schon deswegen oft die Nähe zum Wasser suche. Außerdem liebe ich Schwimmbäder, weil das faszinierende Orte zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre sind. Es ist ein interessanter Mikrokosmos, der zum einen unsere Gesellschaft im Kleinen abbildet und zum anderen ästhetisch für mich ungemein spannend ist. Das ergibt eine interessante inhaltliche und visuelle Gemengelage. Die öffentliche Badeanstalt habe ich bereits beim Fotografiestudium zu meinem Diplomthema an der Hochschule für Künste Bremen gemacht.
Über die Jahre habe ich später meinen Fokus ausgeweitet und weltweit Badekulturen mit meiner Kamera erkundet. So habe ich z. B. das Buch Sento über das japanische Badehaus gemacht, die heißen Quellen auf Island gesucht und in Litauen das Schlammbad für mich entdeckt. Es ist erstaunlich, dass Wasser weltweit und universal Menschen anzieht und offensichtlich ein großer Quell der Freude, Entspannung und Gesundheit ist.

In deinen Bildern sind Geometrien oder zumindest Linien zu erkennen. Welche Bedeutung haben diese geometrischen Formen für deine Motive?
Ich stelle immer wieder fest, dass mein Auge sehr stark von Formen und Linien angezogen wird. Deswegen bin ich fotografisch wohl auch so in Schwimmbäder verliebt, weil mich die strengen Formen der Architektur im Spannungsfeld zwischen dem transparenten Wasser und den bewegten Körpern faszinieren. Ich vermute, Fotografie hat für mich persönlich die Funktion, mir unsere Welt in bestimmte Teile zurechtzulegen und sie darüber zu verstehen. Dafür finde ich geometrische Formen sehr hilfreich. Aber ich vermeide rein ästhetische Bilder, denn das wäre nur das Abbilden von Oberfläche. Es muss um mehr gehen. Die Formen helfen mir, Zeichenhaftigkeit zu erzeugen – bis hin zur Verrätselung. Es gefällt mir, auf diese Weise den Betrachter_innen visuelle Stolpersteine in den Weg zu legen und Fragen über unsere Wahrnehmung aufzuwerfen. Dazu ist das Medium Fotografie wegen seiner vermeintlichen Nähe zur Realität nach wie vor gut geeignet.
Ich stelle immer wieder fest, dass mein Auge sehr stark von Formen und Linien angezogen wird. Deswegen bin ich fotografisch wohl auch so in Schwimmbäder verliebt, weil mich die strengen Formen der Architektur im Spannungsfeld zwischen dem transparenten Wasser und den bewegten Körpern faszinieren. Ich vermute, Fotografie hat für mich persönlich die Funktion, mir unsere Welt in bestimmte Teile zurechtzulegen und sie darüber zu verstehen. Dafür finde ich geometrische Formen sehr hilfreich. Aber ich vermeide rein ästhetische Bilder, denn das wäre nur das Abbilden von Oberfläche. Es muss um mehr gehen. Die Formen helfen mir, Zeichenhaftigkeit zu erzeugen – bis hin zur Verrätselung. Es gefällt mir, auf diese Weise den Betrachter_innen visuelle Stolpersteine in den Weg zu legen und Fragen über unsere Wahrnehmung aufzuwerfen. Dazu ist das Medium Fotografie wegen seiner vermeintlichen Nähe zur Realität nach wie vor gut geeignet.

Es entsteht eine große Poesie in deinen Bildern dadurch, dass sie schwarz-weiß sind. Gibst du somit Alltagssituationen eine besondere Ästhetik?
Ich bin ja in meiner künstlerischen Arbeit eine überwiegend schwarz-weiß arbeitende Fotografin. Durch die jahrelange Erfahrung wandele ich bereits während der Aufnahme das Ergebnis vor meinem inneren Auge in Schwarz-Weiß um. Ich weiß, welches Bild durch den Einsatz von Schwarz-Weiß gewinnt, welches durch Farbreduzierung an Wirkung verliert. Manchmal verwende ich auch eine digitale Kamera, die nur schwarz-weiße Bilder aufnehmen kann. Das wiederholt das Gefühl aus rein analogen Zeiten, als ich mich vor dem Fotografieren für einen Schwarz-Weiß- oder Farbfilm entscheiden musste. Diese bewusste Limitierung gefällt mir.
Natürlich bedeutet Schwarz-Weiß immer auch eine Ästhetisierung, aber für mich ist die Erzeugung von Zeitlosigkeit, von Abstraktion und somit der Ablösung vom vermeintlich Gesehenen genauso bedeutsam.
Ich bin ja in meiner künstlerischen Arbeit eine überwiegend schwarz-weiß arbeitende Fotografin. Durch die jahrelange Erfahrung wandele ich bereits während der Aufnahme das Ergebnis vor meinem inneren Auge in Schwarz-Weiß um. Ich weiß, welches Bild durch den Einsatz von Schwarz-Weiß gewinnt, welches durch Farbreduzierung an Wirkung verliert. Manchmal verwende ich auch eine digitale Kamera, die nur schwarz-weiße Bilder aufnehmen kann. Das wiederholt das Gefühl aus rein analogen Zeiten, als ich mich vor dem Fotografieren für einen Schwarz-Weiß- oder Farbfilm entscheiden musste. Diese bewusste Limitierung gefällt mir.
Natürlich bedeutet Schwarz-Weiß immer auch eine Ästhetisierung, aber für mich ist die Erzeugung von Zeitlosigkeit, von Abstraktion und somit der Ablösung vom vermeintlich Gesehenen genauso bedeutsam.
Würdest du dem Begriff Alltagspoesie in Bezug auf deine Bilder zustimmen?
Ja, würde ich – und ich freue mich, dass dieser Begriff im Zusammenhang mit meinen Bildern verwendet wird. Wenn meine Bilder als Poesie wahrgenommen werden und sie die Betrachter_innen in irgendeiner Form berühren, ist das für mich eines der größten Komplimente, welches ich zu meiner Arbeit bekommen kann.
Danke, Julia Baier, für das Gespräch!
Ja, würde ich – und ich freue mich, dass dieser Begriff im Zusammenhang mit meinen Bildern verwendet wird. Wenn meine Bilder als Poesie wahrgenommen werden und sie die Betrachter_innen in irgendeiner Form berühren, ist das für mich eines der größten Komplimente, welches ich zu meiner Arbeit bekommen kann.
Danke, Julia Baier, für das Gespräch!

Julia Baier wurde 1971 in Augsburg geboren und wuchs dann in Passau auf. Zum Studium zog sie nach Bremen, wo sie erst Psychologie und Romanistik und später Fotografie an der Hochschule für Künste Bremen studierte.
2005 verlagerte sie ihren Lebensmittelpunkt nach Berlin, wo sie heute als freischaffende Fotografin und Fotokünstlerin lebt.
Ihre Fotografien hat sie bereits in zahlreichen nationalen und internationalen Gruppen- und Einzelausstellungen gezeigt, u.a. in der großen Wanderausstellung Augen auf! 100 Jahre Leica Fotografie. Ihre Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem BFF Förderpreis 2003 und dem 2. Preis des Europäischen Architekturfotografie-Preis – architekturbild 2015. Neben Aufträgen für internationale Agenturen, Magazine und Zeitungen arbeitet sie ebenfalls an freien, fotografischen Themen. Eine ihrer großen Vorlieben gilt seit über 20 Jahren dem Wasser und Badekulturen weltweit. Ihre freie Arbeit wurde mit verschiedenen Stipendien gefördert u. a. durch VG BildKunst, der Bundeskulturstiftung, dem litauischen Kulturministerium, Syltquelle.
Sie hat bereits mehrere Bücher veröffentlicht: Sento (2008), Water Matters (2013) und In Tune - Variations on an Orchestra (2015), die alle bei Peperoni Books Berlin erschienen sind. Julia Baier unterrichtet außerdem als Dozentin Fotografie an Kunsthochschulen und im Rahmen internationaler Workshops. Seit 2019 ist sie Mitglied des internationalen Street Photography Kollektivs UP Photographers, das aus 26 international bekannten Fotograf_innen (u. a. Joel Meyerowitz, Matt Stuart, Graciela Magnoli) besteht und weltweit vernetzt und und aktiv ist.
Von Julia Baier stammen die Bild-Motive der Spielzeit 2020/21 unter der Motto Alles Sofort.
2005 verlagerte sie ihren Lebensmittelpunkt nach Berlin, wo sie heute als freischaffende Fotografin und Fotokünstlerin lebt.
Ihre Fotografien hat sie bereits in zahlreichen nationalen und internationalen Gruppen- und Einzelausstellungen gezeigt, u.a. in der großen Wanderausstellung Augen auf! 100 Jahre Leica Fotografie. Ihre Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem BFF Förderpreis 2003 und dem 2. Preis des Europäischen Architekturfotografie-Preis – architekturbild 2015. Neben Aufträgen für internationale Agenturen, Magazine und Zeitungen arbeitet sie ebenfalls an freien, fotografischen Themen. Eine ihrer großen Vorlieben gilt seit über 20 Jahren dem Wasser und Badekulturen weltweit. Ihre freie Arbeit wurde mit verschiedenen Stipendien gefördert u. a. durch VG BildKunst, der Bundeskulturstiftung, dem litauischen Kulturministerium, Syltquelle.
Sie hat bereits mehrere Bücher veröffentlicht: Sento (2008), Water Matters (2013) und In Tune - Variations on an Orchestra (2015), die alle bei Peperoni Books Berlin erschienen sind. Julia Baier unterrichtet außerdem als Dozentin Fotografie an Kunsthochschulen und im Rahmen internationaler Workshops. Seit 2019 ist sie Mitglied des internationalen Street Photography Kollektivs UP Photographers, das aus 26 international bekannten Fotograf_innen (u. a. Joel Meyerowitz, Matt Stuart, Graciela Magnoli) besteht und weltweit vernetzt und und aktiv ist.
Von Julia Baier stammen die Bild-Motive der Spielzeit 2020/21 unter der Motto Alles Sofort.