
Amerika
nach dem Roman Der Verschollene von Franz Kafka
Von einem gewissen Punkt gibt es
keine Rückkehr mehr.
Dieser Punkt ist zu erreichen.
Franz Kafkas "ins endlose angelegte Geschichte" erzählt die abenteuerliche, dann albtraumhafte Lebensreise eines 16-jährigen Exilanten wider Willen. Fortgeschickt von seinen Eltern wird Karl Roßmann nach der Überfahrt von einem reichen Onkel aufgenommen und eingeführt in eine neue Welt unbegrenzter Möglichkeiten. Ebenso überraschend und unwiderruflich verstößt ihn dieser wieder. Auf sich allein gestellt wird Karl von Gaunern ausgenutzt, ist autoritären Vorgesetzten in undurchschaubaren Systemen ausgeliefert. Und er begegnet den Zumutungen übergriffiger Frauen: unberechenbaren oder bedürftigen Töchtern, mütterlichen Köchinnen, despotischen Sängerinnen. Sein Leben erscheint ihm wie ein einziger Widerspruch, als würde er in einem nicht enden wollenden Prozess Prüfungen unterzogen, die er nicht begreifen oder gar bestehen kann. Sein Handlungsraum wird immer enger.
In einer Verkehrung des Amerikanischen Traums, seiner Glücks- und Freiheitsversprechen, stellt Kafka in diesem Romanfragment existentielle Fragen nach dem Ausgesetztsein in einer Welt, in der sich das Individuum zunehmend fremd erscheint. Dušan David Pařízeks Inszenierung erzählt von Willkür, vom Verlust verbindlicher Werte – und von dem Wunsch nach Ankunft und Erlösung in einer anderen Welt.
keine Rückkehr mehr.
Dieser Punkt ist zu erreichen.
Franz Kafkas "ins endlose angelegte Geschichte" erzählt die abenteuerliche, dann albtraumhafte Lebensreise eines 16-jährigen Exilanten wider Willen. Fortgeschickt von seinen Eltern wird Karl Roßmann nach der Überfahrt von einem reichen Onkel aufgenommen und eingeführt in eine neue Welt unbegrenzter Möglichkeiten. Ebenso überraschend und unwiderruflich verstößt ihn dieser wieder. Auf sich allein gestellt wird Karl von Gaunern ausgenutzt, ist autoritären Vorgesetzten in undurchschaubaren Systemen ausgeliefert. Und er begegnet den Zumutungen übergriffiger Frauen: unberechenbaren oder bedürftigen Töchtern, mütterlichen Köchinnen, despotischen Sängerinnen. Sein Leben erscheint ihm wie ein einziger Widerspruch, als würde er in einem nicht enden wollenden Prozess Prüfungen unterzogen, die er nicht begreifen oder gar bestehen kann. Sein Handlungsraum wird immer enger.
In einer Verkehrung des Amerikanischen Traums, seiner Glücks- und Freiheitsversprechen, stellt Kafka in diesem Romanfragment existentielle Fragen nach dem Ausgesetztsein in einer Welt, in der sich das Individuum zunehmend fremd erscheint. Dušan David Pařízeks Inszenierung erzählt von Willkür, vom Verlust verbindlicher Werte – und von dem Wunsch nach Ankunft und Erlösung in einer anderen Welt.
Zum Kämpfen gezwungen
Regie / Bühne Dušan David Pařízek
Kostüme Kamila Polívková
Musik Marcel Braun
Dramaturgie Birgit Lengers
Premiere
27. September 2017, Deutsches Theater
27. September 2017, Deutsches Theater
Marcel KohlerKarl Roßmann

Ulrich MatthesOnkel Jakob / Oberkellner Isbary / Personalchef

Regine ZimmermannKlara / Therese / Oberköchin Grete Mitzelbach / Brunelda / Johanna Brummer

Frank SeppelerMack / Delarmarche / Oberportier Feodor

Edgar EckertPollunder / Robinson

Karl Roßmann
Onkel Jakob / Oberkellner Isbary / Personalchef
Klara / Therese / Oberköchin Grete Mitzelbach / Brunelda / Johanna Brummer
Mack / Delarmarche / Oberportier Feodor
Pollunder / Robinson
Kafkas Amerikanischer Traum lautete der Titel des Vortrags von Reiner Stach, Literaturwissenschaftler und Autor einer Kafka-Biografie, am 30. November 2017 im Deutschen Theater. In ihm schildert er unter anderem, wie sich Franz Kafka auf das Schreiben seines Romans Der Verschollene, dem die Inszenierung von Amerika von Dušan David Pařízek zugrunde liegt, vorbereitete.
Warum trägt die Freiheitsstatue bei Franz Kafka keine Fackel sondern ein Schwert? Welchen Einfluss hatte Kafkas Hinwendung zum Judentum auf seinen Roman Der Verschollene? Dieser diente als Vorlage für die aktuelle Inszenierung Amerika von Dušan David Pařízek. Antworten auch auf diese Fragen lieferte Professor Dr. Norbert Finzsch am 2. November 2017 im DT mit seinem Vortrag Mythos Amerika, den wir hier dokumentieren.
Außerdem im Spielplan
Vorstellung fällt leider aus
Regie: Jessica Weisskirchen
Leider muss die Vorstellung von Edward II. Die Liebe bin ich entfallen. Der Grund dafür sind Erkrankungen im Ensemble.
Box
19.00
Ausverkauft
Evtl. Restkarten an der Abendkasse
Evtl. Restkarten an der Abendkasse
Wiederaufnahme
Regie: Christian Schwochow
DT Bühne
20.00 - 21.15
Ausverkauft
Evtl. Restkarten an der Abendkasse
Evtl. Restkarten an der Abendkasse
Bar
21.00
Ausverkauft
Evtl. Restkarten an der Abendkasse
Evtl. Restkarten an der Abendkasse
Marcel Kohler spielt den Karl als großäugigen Naiven, als hochgeschossenes Kind, erst mit Empörungsfalten auf der Stirn, später mit schreckgeweiteten Augen. Der lange Oberkörper, zunächst noch aufrecht, krümmt sich im Verlauf, immer höher zieht er die Schultern unter der Erfahrung diverser Drangsale. [...] Und die wunderbar vielfältige DT-Rückkehrerin Regine Zimmermann erfindet für jede ihrer weiblichen Rollen eine andere Art, Karl um den Hals zu fallen. (Bis auf Kohler treten alle in Mehrfach-Rollen auf.) Das allerdings hat Seltenheitswert: wie Uli Matthes im eng anliegenden Goldpaillettenglamourfummel in die Knie sackt, unter weiß getürmten Afro-Locken "Suicide is painless" ins Mikro röhrt und die Finger rockstarlike nach den Fans im Parkett ausstreckt! [...] Es ist das verspielt intensive Finale von Dušan David Pařízeks "Amerika" am Deutschen Theater, nach Kafkas Romanfragment "Der Verschollene".
Marcel Kohler spielt den Karl als großäugigen Naiven, als hochgeschossenes Kind, erst mit Empörungsfalten auf der Stirn, später mit schreckgeweiteten Augen. Der lange Oberkörper, zunächst noch aufrecht, krümmt sich im Verlauf, immer höher zieht er die Schultern unter der Erfahrung diverser Drangsale. [...] Und die wunderbar vielfältige DT-Rückkehrerin Regine Zimmermann erfindet für jede ihrer weiblichen Rollen eine andere Art, Karl um den Hals zu fallen. (Bis auf Kohler treten alle in Mehrfach-Rollen auf.)
Und dann ist da die Schreibmaschinistin Therese, gespielt von Regine Zimmermann, die seit dieser Spielzeit wieder fest im DT-Ensemble ist. Wie sie sich vorn an der Bühne hilflos auf eine Bank setzt, die Oberschenkel aneinanderschlägt und mit leicht sächsischem Unterton lospalavert. Sie ist besessen von einem atemlosen Selbstzweifel, zuckt beim Zuhören zusammen und will im Grunde nur über sich sprechen. Alles andere macht ihr viel zu viel Angst. Ebenso wie die Erinnerung an den tödlichen Sturz ihrer Mutter von einem Baugerüst. Das Letzte, was sie von ihr sah, waren ihre "ausgestreckten Beine". Und von oben brüllte ärgerlich ein Bauarbeiter herunter. Diese junge Frau ist eine Leidensfigur, der man sofort auf die Beine helfen, die man umarmen und festhalten will.
Und schließlich Edgar Eckert als liebreizend-ungehobelter Gauner Robinson. Dieser Schauspieler ist eine wirkliche Entdeckung: Wie er mit rauher Stiinme und teuflischer Ambiance das Defekte an dieser Figur herausarbeitet – immer läuft die Nase, immer staut sich der Schweiß auf der Stirn –, das ist wegen seiner
unerbittlichen Direktheit eindrucksvoll. Eckert dampft den sozialen Status seiner Person regelrecht heraus. Sein Körper echot die brutale Vulgarität seiner Rede. Dieser junge Schauspieler hat, was heute vielen fehlt: Instinkt. Da ist vor allem Ulrich Matthes als Oberkellner Isbary, in samtroter Hotelboy-Uniform mit glänzenden Knöpfen und Kappe. Wie er seinem neuen Lehrling Karl mit scharfen Gesten dessen zukünftiges Arbeitsleben als Liftboy erklärt, wie er ihm das Seilziehen und Trinkgeldabgreifen vormacht und dabei eine kompromisslose Disziplin verkörpert. Seine Stimme ist nur ganz leicht gefärbt, eine Mischung aus britischem Butler-Sound und tschechischer Oberlehrerstrenge, die Körperhaltung ist schnurstracks, als wollte sie sagen: Das Leben ist erst einmal Form und äußerer Anstand – um das Innere kümmern wir uns später, falls noch Zeit bleiben sollte.
Und dann ist da die Schreibmaschinistin Therese, gespielt von Regine Zimmermann, die seit dieser Spielzeit wieder fest im DT-Ensemble ist. Wie sie sich vorn an der Bühne hilflos auf eine Bank setzt, die Oberschenkel aneinanderschlägt und mit leicht sächsischem Unterton lospalavert. Sie ist besessen von einem atemlosen Selbstzweifel, zuckt beim Zuhören zusammen und will im Grunde nur über sich sprechen. Alles andere macht ihr viel zu viel Angst. Ebenso wie die Erinnerung an den tödlichen Sturz ihrer Mutter von einem Baugerüst. Das Letzte, was sie von ihr sah, waren ihre "ausgestreckten Beine". Und von oben brüllte ärgerlich ein Bauarbeiter herunter. Diese junge Frau ist eine Leidensfigur, der man sofort auf die Beine helfen, die man umarmen und festhalten will.
Und schließlich Edgar Eckert als liebreizend-ungehobelter Gauner Robinson. Dieser Schauspieler ist eine wirkliche Entdeckung: Wie er mit rauher Stiinme und teuflischer Ambiance das Defekte an dieser Figur herausarbeitet – immer läuft die Nase, immer staut sich der Schweiß auf der Stirn –, das ist wegen seiner
unerbittlichen Direktheit eindrucksvoll. Eckert dampft den sozialen Status seiner Person regelrecht heraus. Sein Körper echot die brutale Vulgarität seiner Rede. Dieser junge Schauspieler hat, was heute vielen fehlt: Instinkt.
Es gibt Erlösung, zumindest im DT. Und zwar von allem: dem Bühnenparkett-Kasten, der entfremdeten Arbeit, den fremdgesteuerten Schicksalen und der utopielosen Gesellschaft. Wenn auch, natürlich, gebrochen. Die Rettung ist die (nunmehr freie, offene) Bühne. Das Naturtheater von Oklahoma, in dem Karl letztlich landet, besteht bei Parízek aus einer Engelskapelle im goldenen Kitsch-Look, deren Mitglieder (selbst-)ironische Plänkeleien über den Schauspielerberuf aus ihren üppigen Lockenperücken schütteln. Der Personalchef – Matthes im bodenlangen Goldglitzerfummel "Suicide is painless" schmetternd – verfügt zudem über astreine Rockstarqualitäten. Marcel Kohler zeigt den in diesen amerikanischen (Alb-)Traum geworfenen Teenager mit redlicher Empörung und wachsender Verzweiflung über die Ungerechtigkeit der Welt, während Ulrich Matthes eine breite Klaviatur männlicher Autoritätspersonen bespielt: vom streng-gütigen und dabei (typisch Kafka) undurchsichtigen Onkel bis zum demütigungswilligen und betont Akzent sprechenden Oberkellner des Hotels, das in Parízeks Inszenierung offenkundig die Einwanderungsgesellschaft spiegelt. Regine Zimmermann, von der Schaubühne ans DT zurückgekehrt, gibt die Oberköchin Grete Mitzelbach durchgängig mit Wiener Schmäh (und turnt sich mit Verve auch durch die restlichen Frauenrollen). [...]
Es gibt Erlösung, zumindest im DT. Und zwar von allem: dem Bühnenparkett-Kasten, der entfremdeten Arbeit, den fremdgesteuerten Schicksalen und der utopielosen Gesellschaft. Wenn auch, natürlich, gebrochen. Die Rettung ist die (nunmehr freie, offene) Bühne. Das Naturtheater von Oklahoma, in dem Karl letztlich landet, besteht bei Parízek aus einer Engelskapelle im goldenen Kitsch-Look, deren Mitglieder (selbst-)ironische Plänkeleien über den Schauspielerberuf aus ihren üppigen Lockenperücken schütteln. Der Personalchef – Matthes im bodenlangen Goldglitzerfummel "Suicide is painless" schmetternd – verfügt zudem über astreine Rockstarqualitäten.