Der Besuch der alten Dame

Eine tragische Komödie von Friedrich Dürrenmatt
Kostüme Dagmar Bald
Bühnenmusik/Arrangements / Piano Thies Mynther
Premiere 17. April 2014
Wiebke MollenhauerClaire Zachanassian
Katharina MatzClaire Zachanassian
Olivia GräserClaire Zachanassian
Helmut MooshammerClaire Zachanassian
Barbara SchnitzlerClaire Zachanassian
Ulrich MatthesAlfred Ill
Alexander RohdeRoby
Marof YaghoubiToby
Thies MyntherLive-Musik
Berliner Zeitung
Dirk Pilz, 18.04.2014
Man sieht: Mischmenschen wie alle Menschen sind, Himmelhöllische. Man sieht sie an diesem Abend in fünferlei Gestalt, alle mit knallroten Perücken und tiefschwarzen Umhängen, alle unergründlich. Verwundert es, dass sie allesamt an die Sängerin, Schauspielerin und Komponistin Stefani Joanne Angelina Germanotta erinnern, besser bekannt unter dem Namen Lady Gaga? Sie ist die perfekt gewordene Schwellenbewohnerin, Show-Girl und Lebenskünstlerin im Zwischenreich von Fiktion und Alltäglichkeit. An diesem anderthalbstündigen Abend am Deutschen Theater wird sie zudem zur Gerechtigkeitsfurie, zur Schicksalsgöttin, die aus persönlichem Leid an der Welt Rache nimmt – und bleibt dabei, was ihre literarische Vorlage ist: eine Statthalterin des Parabelhaften. Lady Gaga als Gleichnis auf eine Welt im Zustand der Ungreifbarkeit.

Das mag jene verwundern, die zwischen den Bühnen- und Pop-Welten Unterschiede der Welt- und Menschenanschauung vermuten, die für was auch immer die Differenzen zwischen Oben- und Unten-Kulturen brauchen. Sie sind längst hinfällig, was einer einfachen, aber offenbar schwer zu begreifenden Einsicht Platz macht: Wir leben in einer Welt, die einheitlichen Gesetzen folgt, womöglich nur einem einzigen, dem der Eigennutzmaximierung. Das war die Provokation von Friedrich Dürrenmatts tragischer Komödie 'Der Besuch der alten Dame', uraufgeführt vor 59 Jahren, die ihre Kraft bis heute behalten hat.
(...)
"Nicht die Kunst verändert die Welt, die Welt verändert die Kunst", hat Dürrenmatt gesagt. Das glaubt ihm diese Inszenierung aufs Wort. Denn dass es Künstler wie Lady Gaga und Inszenierungen mit Gaga-Anleihen gibt, soll auf eine Welt weisen, die keine sicheren Häfen mehr kennt. Weder in Kunst-, noch in Moral- und Geldfragen sind feste Urteils- und Handlungsrichtlinien auszumachen. Bastian Kraft will, dass wir auch dies als Provokation erfahren.
Man sieht: Mischmenschen wie alle Menschen sind, Himmelhöllische. Man sieht sie an diesem Abend in fünferlei Gestalt, alle mit knallroten Perücken und tiefschwarzen Umhängen, alle unergründlich. Verwundert es, dass sie allesamt an die Sängerin, Schauspielerin und Komponistin Stefani Joanne Angelina Germanotta erinnern, besser bekannt unter dem Namen Lady Gaga? Sie ist die perfekt gewordene Schwellenbewohnerin, Show-Girl und Lebenskünstlerin im Zwischenreich von Fiktion und Alltäglichkeit. An diesem anderthalbstündigen Abend am Deutschen Theater wird sie zudem zur Gerechtigkeitsfurie, zur Schicksalsgöttin, die aus persönlichem Leid an der Welt Rache nimmt – und bleibt dabei, was ihre literarische Vorlage ist: eine Statthalterin des Parabelhaften. Lady Gaga als Gleichnis auf eine Welt im Zustand der Ungreifbarkeit.

Das mag jene verwundern, die zwischen den Bühnen- und Pop-Welten Unterschiede der Welt- und Menschenanschauung vermuten, die für was auch immer die Differenzen zwischen Oben- und Unten-Kulturen brauchen. Sie sind längst hinfällig, was einer einfachen, aber offenbar schwer zu begreifenden Einsicht Platz macht: Wir leben in einer Welt, die einheitlichen Gesetzen folgt, womöglich nur einem einzigen, dem der Eigennutzmaximierung. Das war die Provokation von Friedrich Dürrenmatts tragischer Komödie 'Der Besuch der alten Dame', uraufgeführt vor 59 Jahren, die ihre Kraft bis heute behalten hat.
(...)
"Nicht die Kunst verändert die Welt, die Welt verändert die Kunst", hat Dürrenmatt gesagt. Das glaubt ihm diese Inszenierung aufs Wort. Denn dass es Künstler wie Lady Gaga und Inszenierungen mit Gaga-Anleihen gibt, soll auf eine Welt weisen, die keine sicheren Häfen mehr kennt. Weder in Kunst-, noch in Moral- und Geldfragen sind feste Urteils- und Handlungsrichtlinien auszumachen. Bastian Kraft will, dass wir auch dies als Provokation erfahren.
nachtkritik.de
Christian Rakow, 18.04.2014
"I want your love / And I want your revenge / You and me could write a bad romance" – Ich will deine Liebe / Und ich will deine Rache / Wir beide könnten eine schlechte Romanze schreiben. Dass Songs von Lady Gaga so gut auf Friedrich Dürrenmatt passen würden, war bis dato nicht zu vermuten. Aber siehe, das Deutsche Theater Berlin, das in dieser Saison aufgebrochen ist, den Popaspekt der Klassiker aufzuspüren (jüngst etwa mit Stefan Puchers Version der "Elektra" des Sophokles), kehrt das Unvermutete hervor. Glanzvoll, glitzernd: Voilà, der Besuch der Lady Güllen.
(...)
"Klara, sag doch, dass du Komödie spielst, dass dies alles nicht wahr ist, was du verlangst. Sag es doch!", fleht Ill einmal. Aber es ist keine Komödie, nicht einmal Theater. Es ist ein kafkaesker Gerichtstag. Zu seinem Abschluss wird sich der Sünder Ill selbst bezichtigen und anklagen müssen. Eine Kreatur, als sollte die Scham sie überleben. Und durch alle stummfilmhafte Künstlichkeit hindurch meint man plötzlich die Resonanzen der totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts zu vernehmen, die sich in Dürrenmatts Gedankenspielstück von 1955 "Der Besuch der alten Dame" auch eingeschrieben haben. Ein Schauprozess im Showgewand. Ein packender Abend am Deutschen Theater.
"I want your love / And I want your revenge / You and me could write a bad romance" – Ich will deine Liebe / Und ich will deine Rache / Wir beide könnten eine schlechte Romanze schreiben. Dass Songs von Lady Gaga so gut auf Friedrich Dürrenmatt passen würden, war bis dato nicht zu vermuten. Aber siehe, das Deutsche Theater Berlin, das in dieser Saison aufgebrochen ist, den Popaspekt der Klassiker aufzuspüren (jüngst etwa mit Stefan Puchers Version der "Elektra" des Sophokles), kehrt das Unvermutete hervor. Glanzvoll, glitzernd: Voilà, der Besuch der Lady Güllen.
(...)
"Klara, sag doch, dass du Komödie spielst, dass dies alles nicht wahr ist, was du verlangst. Sag es doch!", fleht Ill einmal. Aber es ist keine Komödie, nicht einmal Theater. Es ist ein kafkaesker Gerichtstag. Zu seinem Abschluss wird sich der Sünder Ill selbst bezichtigen und anklagen müssen. Eine Kreatur, als sollte die Scham sie überleben. Und durch alle stummfilmhafte Künstlichkeit hindurch meint man plötzlich die Resonanzen der totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts zu vernehmen, die sich in Dürrenmatts Gedankenspielstück von 1955 "Der Besuch der alten Dame" auch eingeschrieben haben. Ein Schauprozess im Showgewand. Ein packender Abend am Deutschen Theater.
Süddeutsche Zeitung
Mounia Meiborg, 22.04.2014
Güllen - so heißt das verlotterte Schweizer Kaff, in dem die Handlung spielt - sieht aus wie ein expressionistischer Stummfilm. Auf einer Tafel prangt in Schreibschrift der Name des Ortes. Papierstreifen stellen einen Wald dar oder ein Geschäft. Wie in Lars von Triers 'Dogville' sind Häuser, Fenster, Türen nur markiert. Nichts ist echt, alles eine Atttrappe. Eine Welt, so düster und grotesk wie ein Kafka-Roman.
(...)
Vier Schauspielerinnen und ein Schauspieler - Margit Bendokat, Olivia Gräser, Katharina Matz, Barbara Schnitzler und Helmut Mooshammer - spielen diese Frau, von der man nicht weiß, was sie mehr antreibt: die Liebe oder der Hass. (...) Die Darstellerinnen, zwischen Mitte dreißig und achtzig, übernehmen je nach Alter verschiedene Facetten der Figur. (...) Das Zentrum bildet Margit Bendokat als Aufsteigerin, die ihre Rache minutiös plant - und nebenbei eine trotzige Reflexion liefert: "Die Welt machte mich zu einer Hure, nun mache ich sie zu einem Bordell."
Das Mausoleum für den Geliebten hat sie schon gebaut. In einer rot-glitzernden Sänfte lässt sie sich von ihren Gehilfen durch die Gegend tragen. Die sehen mit nacktem Oberkörper und schwarzen Lackhosenträgern aus, als seien sie einer Sadomaso-Phantasie entsprungen. Die alte Dame, hier ist sie eine Domina.
Das trifft den grausigen Kern des Stückes. Denn was Claire als Gerechtigkeit bezeichnet, ist nichts als zur Perversion gesteigerte Rache. Die Geschichte wiederholt sich, aus dem Opfer wird eine Täterin.
Güllen - so heißt das verlotterte Schweizer Kaff, in dem die Handlung spielt - sieht aus wie ein expressionistischer Stummfilm. Auf einer Tafel prangt in Schreibschrift der Name des Ortes. Papierstreifen stellen einen Wald dar oder ein Geschäft. Wie in Lars von Triers 'Dogville' sind Häuser, Fenster, Türen nur markiert. Nichts ist echt, alles eine Atttrappe. Eine Welt, so düster und grotesk wie ein Kafka-Roman.
(...)
Vier Schauspielerinnen und ein Schauspieler - Margit Bendokat, Olivia Gräser, Katharina Matz, Barbara Schnitzler und Helmut Mooshammer - spielen diese Frau, von der man nicht weiß, was sie mehr antreibt: die Liebe oder der Hass. (...) Die Darstellerinnen, zwischen Mitte dreißig und achtzig, übernehmen je nach Alter verschiedene Facetten der Figur. (...) Das Zentrum bildet Margit Bendokat als Aufsteigerin, die ihre Rache minutiös plant - und nebenbei eine trotzige Reflexion liefert: "Die Welt machte mich zu einer Hure, nun mache ich sie zu einem Bordell."
Das Mausoleum für den Geliebten hat sie schon gebaut. In einer rot-glitzernden Sänfte lässt sie sich von ihren Gehilfen durch die Gegend tragen. Die sehen mit nacktem Oberkörper und schwarzen Lackhosenträgern aus, als seien sie einer Sadomaso-Phantasie entsprungen. Die alte Dame, hier ist sie eine Domina.
Das trifft den grausigen Kern des Stückes. Denn was Claire als Gerechtigkeit bezeichnet, ist nichts als zur Perversion gesteigerte Rache. Die Geschichte wiederholt sich, aus dem Opfer wird eine Täterin.
Berliner Morgenpost
Katrin Pauly, 19.04.2014
Es ist ein sehr runder Abend geworden, der die Groteske ernst nimmt und die Grausamkeit, die ihr inne wohnt, leicht. Den ganzen Abend durchwebt Kraft mit Songs der Pop-Diva (Lady Gaga), die so wie Thies Mynther sie neu arrangiert hat, eine erstaunliche Seelenbrüchigkeit offenbaren und der alten Dame außerordentlich gut stehen. Was auch daran liegt, dass Kraft das immer gültige Thema des Liebesverrats ins Zentrum rückt und anders als Regisseure vor ihm darauf verzichtet, die Moritat von der (finanziellen) Verführbarkeit des Menschen mit einem politischen Überbau zu beschweren. Offenkundig ist der gesellschaftliche Abgrund natürlich trotzdem. Es ist ein sehr runder Abend geworden, der die Groteske ernst nimmt und die Grausamkeit, die ihr inne wohnt, leicht. Den ganzen Abend durchwebt Kraft mit Songs der Pop-Diva (Lady Gaga), die so wie Thies Mynther sie neu arrangiert hat, eine erstaunliche Seelenbrüchigkeit offenbaren und der alten Dame außerordentlich gut stehen. Was auch daran liegt, dass Kraft das immer gültige Thema des Liebesverrats ins Zentrum rückt und anders als Regisseure vor ihm darauf verzichtet, die Moritat von der (finanziellen) Verführbarkeit des Menschen mit einem politischen Überbau zu beschweren. Offenkundig ist der gesellschaftliche Abgrund natürlich trotzdem.

Außerdem im Spielplan

Mit englischen Übertiteln

Forever Yin Forever Young

Die Welt des Funny van Dannen
Regie: Tom Kühnel und Jürgen Kuttner
Kammer
19.30 - 22.10
Ausverkauft
Evtl. Restkarten an der Abendkasse