
YOUR VERY OWN DOUBLE CRISIS CLUB
Ein übersetztes Klagelied mit furchtbarem Akzent
von Sivan Ben Yishai
Übersetzt aus dem Englischen von Henning Bochert
Ein namenloses Wir erzählt von Gewalt, Bomben und Flucht, von dem Verlust des Alltags und dem Verlangen nach Leben. Und von der Schwierigkeit, sich verständlich zu machen, an diesem Ort, an dem sich Erfahrungen unversehens in "wohlsubventionierte Immigrantenpoesie" verwandeln. So wird man eine Übereinkunft schließen müssen: "Wir – tun so, als ob wir irgendeine Ahnung von euch hätten, als ob wir euch irgendwas zu erzählen hätten. / Ihr – tut so, als ob ihr uns zu verstehen versucht. Ja. Das ist das Mindeste, was ihr tun könnt." – YOUR VERY OWN DOUBLE CRISIS CLUB, erster Teil der Tetralogie LET THE BLOOD COME OUT TO SHOW THEM, entstand im Rahmen einer Kooperation von NIDS Berlin und WLT Castrop-Rauxel. Henning Bochert hat als Übersetzer einen wichtigen Anteil an der Kraft dieses Stückes.
Deutsches Theater Berlin in Kooperation mit der Universität der Künste Berlin
Ein namenloses Wir erzählt von Gewalt, Bomben und Flucht, von dem Verlust des Alltags und dem Verlangen nach Leben. Und von der Schwierigkeit, sich verständlich zu machen, an diesem Ort, an dem sich Erfahrungen unversehens in "wohlsubventionierte Immigrantenpoesie" verwandeln. So wird man eine Übereinkunft schließen müssen: "Wir – tun so, als ob wir irgendeine Ahnung von euch hätten, als ob wir euch irgendwas zu erzählen hätten. / Ihr – tut so, als ob ihr uns zu verstehen versucht. Ja. Das ist das Mindeste, was ihr tun könnt." – YOUR VERY OWN DOUBLE CRISIS CLUB, erster Teil der Tetralogie LET THE BLOOD COME OUT TO SHOW THEM, entstand im Rahmen einer Kooperation von NIDS Berlin und WLT Castrop-Rauxel. Henning Bochert hat als Übersetzer einen wichtigen Anteil an der Kraft dieses Stückes.
Deutsches Theater Berlin in Kooperation mit der Universität der Künste Berlin
Regie András Dömötör
Bühne / Kostüme Sigi Colpe
Musik Tamás Matkó
Dramaturgie Claus Caesar, Marion Hirte
Uraufführung am 23. Juni 2017, Kammerspiele
Hicham-Tankred Felske
Felix Goeser

Christian Hankammer
Esther Maria Hilsemer
Judith Hofmann

Richard Manualpillai
Til Schindler
Mariann Yar
Hicham-Tankred Felske, Felix Goeser, Christian Hankammer, Esther Maria Hilsemer, Judith Hofmann, Richard Manualpillai, Til Schindler, Mariann Yar
Außerdem im Spielplan
Infotreffen
DT Jung*
Kick-Off der SpielKlubs
Die künstlerischen Leiter:innen der DT Jung* Spielklubs stellen die Klubs der neuen Spielzeit vor. Um Anmeldung wird gebeten.
Ort wird noch benannt
17:00
Vorstellung fällt leider aus
Regie: Jessica Weisskirchen
anschließend im Bühnenbild DT Kontext: Jetzt mit Anfassen! Das andere Publikumsgespräch
Leider muss die Vorstellung von Edward II. Die Liebe bin ich entfallen. Der Grund dafür sind Erkrankungen im Ensemble.
Box
19.30
Ausverkauft
Evtl. Restkarten an der Abendkasse
Evtl. Restkarten an der Abendkasse
Die erste Stunde wird das "Wir" von sechs Schauspielstudent*innen der Berliner Universität der Künste verkörpert. [...]
Alles in allem war das ein erfreulich starker Jahrgang mit neuen Perspektiven, die das Theater gut gebrauchen kann. YOUR VERY OWN DOUBLE CRISIS CLUB von Sivan Ben Yishai ist beim Lesen das stärkste der drei Stücke, ein Lamento von enormer sprachlicher Wucht und Schönheit, mit einem zwingenden Rhythmus, der einen hineinzieht in die unerträgliche Lage der Geflüchteten. Ein "Wir" spricht direkt zum Publikum. Es sind Geflüchtete aus einer abgebrannten Stadt, die nichts zu verkaufen haben als ihre Geschichten – aber es gibt keine Geschichten mehr für sie, keinen Sinn, keinen Anfang, keine Mitte und kein Ende. Trotzdem müssen sie etwas liefern – und alles wird ihnen zu Immigrantenpoesie und Kriegsporno.
Die erste Stunde wird das "Wir" von sechs Schauspielstudent*innen der Berliner Universität der Künste verkörpert. [...]
Alles in allem war das ein erfreulich starker Jahrgang mit neuen Perspektiven, die das Theater gut gebrauchen kann.
Eine Stadt in einem Kriegsgebiet wird beschworen. "Die Stadt wird gegangbangt – und wir gucken zu", heißt es an einer Stelle. Sechs junge Männer und Frauen in blauen Arbeitsanzügen stehen auf der zunächst kahlen Hinterbühne der Kammerspiele. Sie tragen Sterne auf der Brust, die Assoziation liegt auf der Hand: Sie sind Europa. Oder sie wollen es sein. Sie danken den Zuschauern fürs Kommen, kündigen an, bald all ihre Habseligkeiten zu verkaufen – und kommen dann doch nicht dazu, so oft der Text auch neu ansetzt.
Die Schilderungen des Krieges, der Angriffe, des Sterbens, der Vergewaltigungen sind drastisch und eindringlich. Doch der Text distanziert sich auch immer wieder von seiner eigenen Eindringlichkeit: "Kriegsporno" sei das, heißt es an einer Stelle. Yishai nimmt immer wieder auch die Außenperspektive ein, lässt die sechs Schauspieler das Publikum immer wieder direkt ansprechen, blickt auf die Bühnensituation und die Unmöglichkeit des Erzählens. [...]
Was András Dömötör in seiner Produktion für das Deutsche Theater daraus macht, ist allerdings wirklich spektakulär. Er nimmt das Springen zwischen den Ebenen als Anlass für den ganz großen Bühnenzauber, mit offenem Kulissengeschiebe und Perspektivwechseln. Man hat das ähnlich zwar schon oft gesehen, aber in einer solchen Fülle und so gut getimet nur selten.
Allein wie Dömötör nach einer guten halben Stunde Felix Goeser und Judith Hofmann als vermeintliche Hauptfiguren des Abends einführt, ist ein großer Spaß – und bleibt hier nur angedeutet, um ihn nicht zu verderben. YOUR VERY OWN DOUBLE CRISIS CLUB von Sivan Ben Yishai erzählt eine viel größere Geschichte – ebenfalls lückenhaft, aber in ihren Einzelteilen sprachlich drastischer.
Eine Stadt in einem Kriegsgebiet wird beschworen. "Die Stadt wird gegangbangt – und wir gucken zu", heißt es an einer Stelle. Sechs junge Männer und Frauen in blauen Arbeitsanzügen stehen auf der zunächst kahlen Hinterbühne der Kammerspiele. Sie tragen Sterne auf der Brust, die Assoziation liegt auf der Hand: Sie sind Europa. Oder sie wollen es sein. Sie danken den Zuschauern fürs Kommen, kündigen an, bald all ihre Habseligkeiten zu verkaufen – und kommen dann doch nicht dazu, so oft der Text auch neu ansetzt.
Die Schilderungen des Krieges, der Angriffe, des Sterbens, der Vergewaltigungen sind drastisch und eindringlich. Doch der Text distanziert sich auch immer wieder von seiner eigenen Eindringlichkeit: "Kriegsporno" sei das, heißt es an einer Stelle. Yishai nimmt immer wieder auch die Außenperspektive ein, lässt die sechs Schauspieler das Publikum immer wieder direkt ansprechen, blickt auf die Bühnensituation und die Unmöglichkeit des Erzählens. [...]
Was András Dömötör in seiner Produktion für das Deutsche Theater daraus macht, ist allerdings wirklich spektakulär. Er nimmt das Springen zwischen den Ebenen als Anlass für den ganz großen Bühnenzauber, mit offenem Kulissengeschiebe und Perspektivwechseln. Man hat das ähnlich zwar schon oft gesehen, aber in einer solchen Fülle und so gut getimet nur selten.
Allein wie Dömötör nach einer guten halben Stunde Felix Goeser und Judith Hofmann als vermeintliche Hauptfiguren des Abends einführt, ist ein großer Spaß – und bleibt hier nur angedeutet, um ihn nicht zu verderben.
Bei den Autorentheatertagen dominierten drei Autorinnen mit sprachlicher Dringlichkeit.
Sie tragen Europas Farben: Tiefblau sind ihre Jacken und Hosen, mit gelben Sternen drauf. Ein Sprechchor aus dem Kriegsgebiet. Sie erzählen von Gewalt, von ihrer zerstörten, wimmernden Stadt. "Wir sind jetzt hier", sagen sie. "Wir und ihr", sagen sie, "in dem Haus eurer Geschichten." Dieses Haus ist das Deutsche Theater und die Geschichten, die hier normalerweise erzählt werden, der westliche Kanon, das sind nicht ihre Geschichten. Bis jetzt. [...]
Das Stück mit dem Sprechchor in Europa-Farben heißt YOUR VERY OWN DOUBLE CRISIS CLUB, geschrieben hat es die 1978 in Tel Aviv geborene Autorin Sivan Ben Yishai. Es ist von allen der formal überzeugendste Text, wuchtig, ruppig, fordernd. Fürs Deutsche Theater hat ihn Regisseur András Dömötör in Szene gesetzt. Zunächst vertraut er ganz aufs Wort, lässt den Chor den Rhythmus der Sätze aufnehmen. Das ist stark und erschütternd. Dann hebt sich die Tennwand, Bühnenarbeiter bauen ein riesiges Wohnzimmer auf. Felix Goeser und Judith Hofmann geben ein altmodisches (Theater)Bürgerpaar. Und der Chor versucht, sich unsichtbar zu machen, in diesem fremden Stück, dem engen Raum, aber es gibt kein Entkommen. Geschichten vom Fremdsein im Deutschen Theater
Bei den Autorentheatertagen dominierten drei Autorinnen mit sprachlicher Dringlichkeit.
Sie tragen Europas Farben: Tiefblau sind ihre Jacken und Hosen, mit gelben Sternen drauf. Ein Sprechchor aus dem Kriegsgebiet. Sie erzählen von Gewalt, von ihrer zerstörten, wimmernden Stadt. "Wir sind jetzt hier", sagen sie. "Wir und ihr", sagen sie, "in dem Haus eurer Geschichten." Dieses Haus ist das Deutsche Theater und die Geschichten, die hier normalerweise erzählt werden, der westliche Kanon, das sind nicht ihre Geschichten. Bis jetzt. [...]
Das Stück mit dem Sprechchor in Europa-Farben heißt YOUR VERY OWN DOUBLE CRISIS CLUB, geschrieben hat es die 1978 in Tel Aviv geborene Autorin Sivan Ben Yishai. Es ist von allen der formal überzeugendste Text, wuchtig, ruppig, fordernd. Fürs Deutsche Theater hat ihn Regisseur András Dömötör in Szene gesetzt. Zunächst vertraut er ganz aufs Wort, lässt den Chor den Rhythmus der Sätze aufnehmen. Das ist stark und erschütternd. Dann hebt sich die Tennwand, Bühnenarbeiter bauen ein riesiges Wohnzimmer auf. Felix Goeser und Judith Hofmann geben ein altmodisches (Theater)Bürgerpaar. Und der Chor versucht, sich unsichtbar zu machen, in diesem fremden Stück, dem engen Raum, aber es gibt kein Entkommen.
Es ist eine der amüsantesten Leerlauf-Szenen, mit denen Regisseur András Dömötör versucht, den zerissenen Text zu greifen. Mit einem Flüchtlingschor aus sechs UdK-Studenten in zynisch sauberen Europaflaggenkostümen und den DT-Schauspielern Judith Hofmann und Felix Goeser hat er ihn in weiten Teilen effektvoll als Sprecherchor choreografiert. Vordergründig ist der Text eine ambitionierte, kunstkritische Collage aus Chor- und Einzelstimmen, die vor allem die Sicht von Flüchtenden einnehmen. Dann wechseln sie unmerklich in die Haut zwiespältiger Gutmenschen, voyeuristischer Medien, westlicher Politiker und auch der Machtapparat des "liberalen, demokratischen Hauses der Geschichten", gemeint ist das Theater, bleibt nicht unbesprochen. Allesamt versuchten sie, so das "Klagelied" der Stimmen aus dem Elend der Fremden mittels Eingemeindung eigenes Kapital zu schlagen: moralisches, machttechnisches, materielles. So steigert sich die Empörung dieses Textes fast unausweichlich in die eingangs schon anzitierte Wutrede gegen die "Schwanzotalität" dieser Welt, die Judith Hofmann gespreizt, gereizt vom Stapel lässt, während sie über die Sitzreihen der leeren Kammerspiele turnt.
Es ist eine der amüsantesten Leerlauf-Szenen, mit denen Regisseur András Dömötör versucht, den zerissenen Text zu greifen. Mit einem Flüchtlingschor aus sechs UdK-Studenten in zynisch sauberen Europaflaggenkostümen und den DT-Schauspielern Judith Hofmann und Felix Goeser hat er ihn in weiten Teilen effektvoll als Sprecherchor choreografiert.