
Die Jungfrau von Orleans
von Friedrich Schiller
"Kein Gott erscheint, kein Engel zeigt sich mehr;
Die Wunder ruhn, der Himmel ist verschlossen."
Eine junge Bauerntochter wirft sich für ihren König aufs Schlachtfeld. Hoch zu Ross, in schimmernder Rüstung, mit Helm und Schwert und wider alle Voraussagen siegt sie und wird zur Volksheldin, verehrt und umschwärmt. Friedrich Schiller schildert in seiner 1801 erschienenen Tragödie ein 400 Jahre zurückliegendes historisches Ereignis: Gegen Ende des Hundertjährigen Krieges scheint Frankreichs Lage aussichtslos. Die Engländer sind auf dem Vormarsch und der Dauphin von Frankreich, Karl VII., ist von seinen Vertrauten verlassen. Da verkündet Johanna, die Tochter eines lothringischen Landmanns, die Rettung des Vaterlandes durch eine reine Jungfrau – sie selbst sei dazu von göttlichen Stimmen und Erscheinungen berufen. Kurz darauf erreicht den Hof die Nachricht, dass eine behelmte Jungfrau eine verloren geglaubte Schlacht zum Sieg geführt hat. Johanna wird an die Spitze des königlichen Heeres gestellt. Als sie aber auf dem Schlachtfeld auf Lionel, einen englischen Heerführer, trifft, ist sie nicht fähig ihn zu töten – mit einem Blick in das Gesicht eines fremden Soldaten zerbricht ihr Glaube an sich selbst und ihr Abstieg beginnt...
Schiller hat in seiner "romantischen" Tragödie einen üppigen Bilderbogen geschaffen. Er irritierte seine Zeitgenossen mit diesem formal verwirrenden Meisterwerk voller politischer, philosophischer und religiöser Motive: Kants kategorischer Imperativ, katholische Mystik und die Frage nach dem Nationalstaat... Schillers Welt ist eine zerrüttete, bar jeder Ordnung und Zukunft. Der fehlbare, wechselhafte Mensch wird mit seiner eigenen Maxime konfrontiert – und scheitert an dem sich selbst gesetzten absoluten Dogma.
***
Einladungen
Ruhrfestspiele Recklinghausen
12./13./14. Juni 2015
Hamburger Theaterfestival, kampnagel
30. und 31. Oktober 2014
Staatsschauspiel Dresden
15. und 16. Februar 2014
Die Wunder ruhn, der Himmel ist verschlossen."
Eine junge Bauerntochter wirft sich für ihren König aufs Schlachtfeld. Hoch zu Ross, in schimmernder Rüstung, mit Helm und Schwert und wider alle Voraussagen siegt sie und wird zur Volksheldin, verehrt und umschwärmt. Friedrich Schiller schildert in seiner 1801 erschienenen Tragödie ein 400 Jahre zurückliegendes historisches Ereignis: Gegen Ende des Hundertjährigen Krieges scheint Frankreichs Lage aussichtslos. Die Engländer sind auf dem Vormarsch und der Dauphin von Frankreich, Karl VII., ist von seinen Vertrauten verlassen. Da verkündet Johanna, die Tochter eines lothringischen Landmanns, die Rettung des Vaterlandes durch eine reine Jungfrau – sie selbst sei dazu von göttlichen Stimmen und Erscheinungen berufen. Kurz darauf erreicht den Hof die Nachricht, dass eine behelmte Jungfrau eine verloren geglaubte Schlacht zum Sieg geführt hat. Johanna wird an die Spitze des königlichen Heeres gestellt. Als sie aber auf dem Schlachtfeld auf Lionel, einen englischen Heerführer, trifft, ist sie nicht fähig ihn zu töten – mit einem Blick in das Gesicht eines fremden Soldaten zerbricht ihr Glaube an sich selbst und ihr Abstieg beginnt...
Schiller hat in seiner "romantischen" Tragödie einen üppigen Bilderbogen geschaffen. Er irritierte seine Zeitgenossen mit diesem formal verwirrenden Meisterwerk voller politischer, philosophischer und religiöser Motive: Kants kategorischer Imperativ, katholische Mystik und die Frage nach dem Nationalstaat... Schillers Welt ist eine zerrüttete, bar jeder Ordnung und Zukunft. Der fehlbare, wechselhafte Mensch wird mit seiner eigenen Maxime konfrontiert – und scheitert an dem sich selbst gesetzten absoluten Dogma.
***
Einladungen
Ruhrfestspiele Recklinghausen
12./13./14. Juni 2015
Hamburger Theaterfestival, kampnagel
30. und 31. Oktober 2014
Staatsschauspiel Dresden
15. und 16. Februar 2014
Regie Michael Thalheimer
Bühne Olaf Altmann
Kostüme Nehle Balkhausen
Musik Bert Wrede
Dramaturgie Sonja Anders
Berlin-Premiere 27. September 2013
Koproduktion mit den Salzburger Festspielen
Koproduktion mit den Salzburger Festspielen
Michael GerberThibaut D'Arc

Kathleen MorgeneyerJohanna

Christoph FrankenKarl der Siebente, König von Frankreich

Meike DrosteAgnes Sorel, seine Geliebte

Andreas DöhlerGraf Dunois, Bastard von Orleans

Henning VogtDu Chatel, königlicher Offizier

Jürgen HuthLa Hire, königlicher Offizier

Almut ZilcherKönigin Isabeau, Karls Mutter

Peter MoltzenPhilipp der Gute, Herzog von Burgund

Markus GrafTalbot, Feldherr der Engländer

Alexander KhuonLionel, englischer Anführer

Thibaut D'Arc
Johanna
Karl der Siebente, König von Frankreich
Agnes Sorel, seine Geliebte
Graf Dunois, Bastard von Orleans
Du Chatel, königlicher Offizier
La Hire, königlicher Offizier
Königin Isabeau, Karls Mutter
Philipp der Gute, Herzog von Burgund
Talbot, Feldherr der Engländer
Lionel, englischer Anführer
Außerdem im Spielplan
Infotreffen
DT Jung*
Kick-Off der SpielKlubs
Die künstlerischen Leiter:innen der DT Jung* Spielklubs stellen die Klubs der neuen Spielzeit vor. Um Anmeldung wird gebeten.
Ort wird noch benannt
17:00
Vorstellung fällt leider aus
Regie: Jessica Weisskirchen
anschließend im Bühnenbild DT Kontext: Jetzt mit Anfassen! Das andere Publikumsgespräch
Leider muss die Vorstellung von Edward II. Die Liebe bin ich entfallen. Der Grund dafür sind Erkrankungen im Ensemble.
Box
19.30
Thalheimer und seine Dramaturgin Sonja Anders am Deutschen Theater Berlin, das die Inszenierung im Herbst in den Spielplan nehmen wird, haben damit Schillers klug eingekürzten Dramentext konzeptionell auf Johanna als überragende Hauptfigur zugespitzt. Und sie haben mit Kathleen Morgeneyer die passgenaue Schauspielerin. Wie entschieden ernst sie auf der leeren, tiefschwarzen Bühne größtenteils ihre strenge Rollenfassung nimmt, wie sie die Worte spitzt und Blicke schleudert, wie sie den Grat zwischen Gott und Teufel, Hass und Liebe immer schmaler werden lässt – die Perspektiven verdichten sich, die Gedanken schärften sich. Alle Stücklinien führt die Augenspielerin Morgeneyer in ihre Johanna-Blicke zusammen, alle Widersprüche, alle Unvereinbarkeiten. Mitunter ist es, als wäre alles Geschehen nur – nur? – eine Vision Johannas, als würde sie alles Schlachten und Scheitern mehr schauen als erleben. Thalheimer ist im Umgang mit Friedrich Schillers "romantischer Tragödie" sehr genau: Seine 'Jungfrau von Orleans' ist kein naives Mädel, die zum willfährigen Instrument einer «Götterstimme» wird. Sie ist willige Täterin, Schlächterin im Krieg der Franzosen gegen England. "Tödlich ist's, der Jungfrau zu begegnen", heisst es bei Schiller. Für Thalheimer heißt das, seine Johanna ins Rampenspotlicht zu stellen, ein Schwert in der Hand, todesschwarze Farbe im Gesicht, Blut auf dem weißen Kleid. Nur einmal wird sie ihre Schlachtstätte verlassen, nur einmal jemand in die Augen schauen: Lionel, dem Engländer. Für Johanna fängt damit ihr "Verbrechen" an: "Ein blindes Werkzeug fordert Gott." Es ist bei Thalheimer ein Gott ohne festen Wohnsitz und feste Eigenschaften. So wie Johanna in den Augen ihrer Franzosen eine "Heilige", "Gottgesendete" ist und für die Engländer die "Furchtbare", der "Teufel", so ist sie bei Thalheimer ein Konstrukt der jeweiligen Wahrnehmung: Der Blick, die Perspektive entscheidet alles, für das Gottes- wie das Johanna-Bild.
Thalheimer und seine Dramaturgin Sonja Anders am Deutschen Theater Berlin, das die Inszenierung im Herbst in den Spielplan nehmen wird, haben damit Schillers klug eingekürzten Dramentext konzeptionell auf Johanna als überragende Hauptfigur zugespitzt. Und sie haben mit Kathleen Morgeneyer die passgenaue Schauspielerin. Wie entschieden ernst sie auf der leeren, tiefschwarzen Bühne größtenteils ihre strenge Rollenfassung nimmt, wie sie die Worte spitzt und Blicke schleudert, wie sie den Grat zwischen Gott und Teufel, Hass und Liebe immer schmaler werden lässt – die Perspektiven verdichten sich, die Gedanken schärften sich. Alle Stücklinien führt die Augenspielerin Morgeneyer in ihre Johanna-Blicke zusammen, alle Widersprüche, alle Unvereinbarkeiten. Mitunter ist es, als wäre alles Geschehen nur – nur? – eine Vision Johannas, als würde sie alles Schlachten und Scheitern mehr schauen als erleben.
Thalheimer konzentriert sich ganz darauf, die Jungfrau von Orleans zu verstehen, das Mädchen mit dem "männlichen Herzen", das sich kompromisslos einem göttlichen Auftrag verschrieben hat und ohne jegliches Mitleid mordet – bis es die Liebe kennenlernt und dadurch die Mordlust verliert. Erzählt wird – nahezu in Zeitlupe – weniger die Geschichte einer Persönlichkeitsstörung als einer jugendlichen Identitätskrise. (...)
Trotz allem bleibt es in dieser Schiller-Lehrstunde nicht bei einem Solostück. Das ist nicht nur den Nebenrollen zu verdanken, deren Darsteller teilweise unsichtbar, aber stimmgewaltig aus dem Off zu spüren sind. Almut Zilcher glänzt als derbe, schwarz gekleidete und das Leben wild liebende Königin Isabeau, die auf Stöckelschuhen durchs Leben stolziert. Ihr Sohn, Karl der Siebte, König von Frankreich, ist mehr als eine heimliche Hauptfigur. Christoph Franken spielt ihn als durchgedrehten Herrscher, der gar nicht weiß, wie viele Stimmen in seinem Kopf summen. Hin und her gerissen zwischen Vaterlandsliebe, Patriotismus, Feigheit und labilem Selbstwertgefühl tippelt er im Pelzmantel, mit rot geschminkten Lippen und einer simpel gezackten Krone über die Bühne und spricht seine wilden Worte ins Leere. Letztlich ist er seiner Frau Agnes verfallen – mehr interessiert ihn nicht. Ihre Omnipräsenz überschattet alles. Alle anderen Figuren agieren im Dunklen, sie bekommen nur dann ein paar Lichtstrahlen zugeteilt, wenn sie sich der Johanna nähern. Sie sprechen, selbst wenn sie an der Rampe stehen, ohne Unterstützung der Schweinwerfer. Schnell ist also klar, dass hier nicht der Außenraum, sondern Johannas Innensicht gezeigt wird.
Thalheimer konzentriert sich ganz darauf, die Jungfrau von Orleans zu verstehen, das Mädchen mit dem "männlichen Herzen", das sich kompromisslos einem göttlichen Auftrag verschrieben hat und ohne jegliches Mitleid mordet – bis es die Liebe kennenlernt und dadurch die Mordlust verliert. Erzählt wird – nahezu in Zeitlupe – weniger die Geschichte einer Persönlichkeitsstörung als einer jugendlichen Identitätskrise. (...)
Trotz allem bleibt es in dieser Schiller-Lehrstunde nicht bei einem Solostück. Das ist nicht nur den Nebenrollen zu verdanken, deren Darsteller teilweise unsichtbar, aber stimmgewaltig aus dem Off zu spüren sind. Almut Zilcher glänzt als derbe, schwarz gekleidete und das Leben wild liebende Königin Isabeau, die auf Stöckelschuhen durchs Leben stolziert. Ihr Sohn, Karl der Siebte, König von Frankreich, ist mehr als eine heimliche Hauptfigur. Christoph Franken spielt ihn als durchgedrehten Herrscher, der gar nicht weiß, wie viele Stimmen in seinem Kopf summen. Hin und her gerissen zwischen Vaterlandsliebe, Patriotismus, Feigheit und labilem Selbstwertgefühl tippelt er im Pelzmantel, mit rot geschminkten Lippen und einer simpel gezackten Krone über die Bühne und spricht seine wilden Worte ins Leere. Letztlich ist er seiner Frau Agnes verfallen – mehr interessiert ihn nicht.
Auf der Bühne geschieht in den zweieinviertel pausenlosen Stunden wenig – und dennoch unglaublich viel. Am vorderen rechten Bühnenrand steht Kathleen Morgeneyer im schlichten, weißen Kleid, das Schwert in der rechten Hand. Ihre Johanna wird sich kaum bewegen an diesem Abend, ihr Blick geht meist über die Zuschauer hinweg ins Nirgendwo. Die einzige Lichtquelle auf der Bühne trifft sie. Ein heller Strahl hebt das Mädchen, das Frankreich von den Engländern befreien soll, aus dem Dunkel hervor. Alle anderen Figuren lässt Thalheimer aus der Finsternis treten: Sie sprechen meist im Zwielicht, sind nur schemenhaft zu erkennen. Mancher Premierengast begriff das als Provokation, dabei ist Thalheimers Idee so simpel wie einleuchtend: Johanna handelt im göttlichen Auftrag, alle anderen müssen sich an sie drängen, wollen sie auch mal im Licht stehen. Ein Skandal? Nein. Vielmehr eine kluge und stilistisch radikale Sicht auf Schillers Drama. Schlachtengemälde, Kriegsschauplätze, Waffenklirren – all das interessiert den Regisseur dieser Festspielproduktion nicht, die in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Theater Berlin entstanden ist und dort am 27. September herauskommt. Ein paar Schwerter und eine Krone genügen Thalheimer zur historischen Verortung, seine Schauspieler lässt er zurückgenommen agieren. Der Regisseur hat das Stück auf den Kern reduziert, ganz auf Johanna zugeschnitten, der Hirtentochter mit dem göttlichen Kampfauftrag. Ein kluges, eindringliches Destillat.
Auf der Bühne geschieht in den zweieinviertel pausenlosen Stunden wenig – und dennoch unglaublich viel. Am vorderen rechten Bühnenrand steht Kathleen Morgeneyer im schlichten, weißen Kleid, das Schwert in der rechten Hand. Ihre Johanna wird sich kaum bewegen an diesem Abend, ihr Blick geht meist über die Zuschauer hinweg ins Nirgendwo. Die einzige Lichtquelle auf der Bühne trifft sie. Ein heller Strahl hebt das Mädchen, das Frankreich von den Engländern befreien soll, aus dem Dunkel hervor. Alle anderen Figuren lässt Thalheimer aus der Finsternis treten: Sie sprechen meist im Zwielicht, sind nur schemenhaft zu erkennen. Mancher Premierengast begriff das als Provokation, dabei ist Thalheimers Idee so simpel wie einleuchtend: Johanna handelt im göttlichen Auftrag, alle anderen müssen sich an sie drängen, wollen sie auch mal im Licht stehen.
So schlicht Thalheimers Idee der Konzentration auf Johanna ist, so verblüffend intensiv ist die Wirkung. Man sieht nur sie, schweigend, während im Hintergrund die prekäre Lage Frankreichs diskutiert wird. Man sieht vor allem sie, als dem König die Nachrichten von den Wundern auf dem Schlachtfeld überbracht werden. Ist der Gotteskrieg vielleicht nur eine Erinnerung Johannas, ein Versuch der Selbstinszenierung oder gar ihr Wunschtraum? Thalheimer stellt diese Frage, beantwortet sie aber nicht.
Das größte Wunder dieses Abends aber ist Kathleen Morgeneyer, die fast unbeweglich, mit sparsamster Gestik und komplett zurückgeworfen auf den nackten Text diesen formt und knetet, flüstert und ausspeit, bis da die leibhaftige Johanna vor uns steht. Das ist ganz große Schauspielkunst. Thalheimer dekonstruiert nicht, er psychologisiert nicht, er hinterfragt nicht, er aktualisiert nicht. Er konzentriert einfach nur, das aber konsequent und radikal. Johanna ist Kind, Jungfrau, Lichtgestalt – eigentlich wie bei Schiller, nun aber ganz buchstäblich. (...)
So schlicht Thalheimers Idee der Konzentration auf Johanna ist, so verblüffend intensiv ist die Wirkung. Man sieht nur sie, schweigend, während im Hintergrund die prekäre Lage Frankreichs diskutiert wird. Man sieht vor allem sie, als dem König die Nachrichten von den Wundern auf dem Schlachtfeld überbracht werden. Ist der Gotteskrieg vielleicht nur eine Erinnerung Johannas, ein Versuch der Selbstinszenierung oder gar ihr Wunschtraum? Thalheimer stellt diese Frage, beantwortet sie aber nicht.
Das größte Wunder dieses Abends aber ist Kathleen Morgeneyer, die fast unbeweglich, mit sparsamster Gestik und komplett zurückgeworfen auf den nackten Text diesen formt und knetet, flüstert und ausspeit, bis da die leibhaftige Johanna vor uns steht. Das ist ganz große Schauspielkunst.
Die junge Kathleen Morgeneyer hat ein unendliches Repertoire an Gesichtern und Stimmfarben, ihr mitreißendes, bewegliches Spiel bricht die starre Eisdecke des Regiekonzepts immer wieder auf. Sie anschauen zu dürfen, das ist ein großes Glück. Johanna strahlt umso kräftiger. Und weil sie sich nicht von der Stelle rühren, nicht bewegen darf, ist es allein ihr Gesicht, mit dem sie kraft- und eindrucksvoll spielt. Auf ihm spiegelt sich in immer neuen Facetten das ganze Glück und Elend ihrer tragischen Geschichte. Der jungfräulichen Hirtin rollen beim Abschied vom väterlichen Hof glitzernde Tränen über die Wangen, am französischen Königshof blähen sich der von Gott erwählten Retterin vor Aufregung und Stolz die Nasenflügel ganz weit auf, und dem grausamen Racheengel auf dem Schlachtfeld verzieht sich der Mund zu einer so hässlichen, blutgierigen Fratze, dass man sich schaudernd abwendet.
Die junge Kathleen Morgeneyer hat ein unendliches Repertoire an Gesichtern und Stimmfarben, ihr mitreißendes, bewegliches Spiel bricht die starre Eisdecke des Regiekonzepts immer wieder auf. Sie anschauen zu dürfen, das ist ein großes Glück.
Dies ist das prägende Zeichen des Abends, die maßgebliche Geste in Michael Thalheimers Inszenierung von Schillers romantischer Tragödie Die Jungfrau von Orleans bei den Salzburger Festspielen: Lichtstrahl trifft Johanna. Beide lösen sich nicht voneinander, beide bedingen einander. Alles, was geschieht, sehen wir durch Johannas Augen. Und dass sie es sieht, verdankt sie dem Licht, von dem sie erleuchtet wird. Die heilige Johanna steht in einem dunklen, geschlossenen, gekrümmten Raum, der so wirkt wie das leere Innere eines Globus, durch ein Loch hoch droben fällt Licht, der Strahl deutet schräg herein, sodass man die dünne Schale ahnt, die den Raum umgibt. Es könnte sein, dass der Lichtstrahl selbst das Loch in sie hineingebrannt hat. Anders gesagt: dass Gott die dunkle Welt aufgebohrt hat, um in ihrem Inneren einen Menschen zu finden.
Dies ist das prägende Zeichen des Abends, die maßgebliche Geste in Michael Thalheimers Inszenierung von Schillers romantischer Tragödie Die Jungfrau von Orleans bei den Salzburger Festspielen: Lichtstrahl trifft Johanna. Beide lösen sich nicht voneinander, beide bedingen einander. Alles, was geschieht, sehen wir durch Johannas Augen. Und dass sie es sieht, verdankt sie dem Licht, von dem sie erleuchtet wird.