Hunger. Peer Gynt

nach Knut Hamsun / Henrik Ibsen
Regie / Bühne Sebastian Hartmann
Bild / Installation / Video
Ton Marcel Braun, Björn Mauder
Dramaturgie Claus Caesar
Premiere
19. Oktober 2018, Deutsches Theater
Elias Arens
Edgar Eckert
Manuel Harder
Marcel Kohler
Peter René Lüdicke
Linda Pöppel
Linn Reusse
Natali Seelig
Cordelia Wege
Almut Zilcher
nachtkritik.de
Simone Kaempf, 19.10.2018
Sebastian Hartmann mischt Knut Hamsun mit Henrik Ibsen zu einem fiebrigen Bilderrausch am Deutschen Theater Berlin [...]

Eine alptraumhafte Schwarzweiß-Stimmung zelebriert dieser Abend, mit dem Hartmann einem mal wieder eine ausgedehnte Konzentrationsübung abverlangt. "Hunger. Peer Gynt" montiert aus dem Roman von Knut Hamsun (von 1890) und dem frühen Drama von Henrik Ibsen (von 1876) eine Daseins-Erkundung, die auf die düstere Seite romantischer Natur abzielt, optisch wie ein monochromes Foto-Negativ, textlich eine Aneinanderreihung fiebriger menschlicher Stoßseufzer am Rande des Wahnsinns. 

Alle Motiv-Splitter des Abends zu würdigen, würde den Rahmen sprengen [...] Es steckt viel drin. [...]

Als Sinnbild dafür entstehen mehrere große Gemälde live auf der Bühne, abstrakte Landschaftsmalereien, nach Vorlagen des Künstlers Tilo Baumgärtel. Auf riesengroße Leinwände projiziert, zeichnen die Schauspieler die Landschaften nach, übermalen die Umrisse in mehreren Schichten und Korrekturen. Ein Work-in-Progress über den gesamten ersten Teil des Abends.
Auch der Mensch selbst schreibt sich in dieses Bild ein: In einer der herausstechenden Einzelszenen, von denen es tatsächlich einige gibt, steigt Rene Peter Lüdicke auf die Leiter, mit weißer Farbe übertüncht er seine eigene Silhouette, ein Akt der Selbstauslöschung. Die meterhohe Leiter schwankt so sehr, dass man die Luft anhält.

Agiert wird auf höchster Energiestufe. Offiziell wird nicht nach festgelegter Struktur gespielt, sondern improvisierend, nur mit einem Textreservoir, wie es im Programmheft heißt. Die größte Virtuosin darin ist Almut Zilcher. Wenn sie ihren Blick in den Himmel hebt und herausbellt, dass sie ja weiß, dass sie sterben muss, dann spricht da eine Diva der eigensinnigen Überlebenskunst, die es mit jedem aufnehmen kann und auch Gott nicht scheut.

Hartmann schafft keine nachvollziehbare Handlung, sondern einen Assoziations-Strom aus düsteren Stimmungen, fiebrigem Philosophieren, Freilegen eines Wahnsinns, der längst weggesperrt ist aus dem Alltag der Gegenwart. Alles zusammen fließt in ein auf Überwältigung angelegtes Bildertheater: in Nebel tanzende schwarze Menschen-Silhouetten mit Hüten, Kleidern und Formen aus düsterer Jahrhundertwendezeit. Kunst-Projektionen, die sich mit ihren großflächigen Körper-Tätowierungen auf Armen, Beinen und Oberkörpern der Schauspieler überlagern. [...]
Sebastian Hartmann mischt Knut Hamsun mit Henrik Ibsen zu einem fiebrigen Bilderrausch am Deutschen Theater Berlin [...]

Eine alptraumhafte Schwarzweiß-Stimmung zelebriert dieser Abend, mit dem Hartmann einem mal wieder eine ausgedehnte Konzentrationsübung abverlangt. "Hunger. Peer Gynt" montiert aus dem Roman von Knut Hamsun (von 1890) und dem frühen Drama von Henrik Ibsen (von 1876) eine Daseins-Erkundung, die auf die düstere Seite romantischer Natur abzielt, optisch wie ein monochromes Foto-Negativ, textlich eine Aneinanderreihung fiebriger menschlicher Stoßseufzer am Rande des Wahnsinns. 

Alle Motiv-Splitter des Abends zu würdigen, würde den Rahmen sprengen [...] Es steckt viel drin. [...]

Als Sinnbild dafür entstehen mehrere große Gemälde live auf der Bühne, abstrakte Landschaftsmalereien, nach Vorlagen des Künstlers Tilo Baumgärtel. Auf riesengroße Leinwände projiziert, zeichnen die Schauspieler die Landschaften nach, übermalen die Umrisse in mehreren Schichten und Korrekturen. Ein Work-in-Progress über den gesamten ersten Teil des Abends.
Auch der Mensch selbst schreibt sich in dieses Bild ein: In einer der herausstechenden Einzelszenen, von denen es tatsächlich einige gibt, steigt Rene Peter Lüdicke auf die Leiter, mit weißer Farbe übertüncht er seine eigene Silhouette, ein Akt der Selbstauslöschung. Die meterhohe Leiter schwankt so sehr, dass man die Luft anhält.

Agiert wird auf höchster Energiestufe. Offiziell wird nicht nach festgelegter Struktur gespielt, sondern improvisierend, nur mit einem Textreservoir, wie es im Programmheft heißt. Die größte Virtuosin darin ist Almut Zilcher. Wenn sie ihren Blick in den Himmel hebt und herausbellt, dass sie ja weiß, dass sie sterben muss, dann spricht da eine Diva der eigensinnigen Überlebenskunst, die es mit jedem aufnehmen kann und auch Gott nicht scheut.

Hartmann schafft keine nachvollziehbare Handlung, sondern einen Assoziations-Strom aus düsteren Stimmungen, fiebrigem Philosophieren, Freilegen eines Wahnsinns, der längst weggesperrt ist aus dem Alltag der Gegenwart. Alles zusammen fließt in ein auf Überwältigung angelegtes Bildertheater: in Nebel tanzende schwarze Menschen-Silhouetten mit Hüten, Kleidern und Formen aus düsterer Jahrhundertwendezeit. Kunst-Projektionen, die sich mit ihren großflächigen Körper-Tätowierungen auf Armen, Beinen und Oberkörpern der Schauspieler überlagern. [...]
Berliner Morgenpost
Katrin Pauly, 21.10.2018
"Hunger. Peer Gynt" am Deutschen Theater ist keine leichte Inszenierung, aber wer sich einlässt, wird belohnt [...]

Eine enorme Spannung liegt in diesem starken Ensemble, das sich auch körperlich verausgabt. Einzelne Spieler werden durch weitere verdoppelt oder verdreifacht, Körper entziehen sich der Kontrolle, zucken, tanzen, bäumen sich. Dazu dröhnt ununterbrochen Musik, Streicher, fette Bässe, elektrische Beats. Sebastian Hartmann baut vielstöckige Gedankenhochhäuser, die sehr kunstvoll immer wieder zusammenkrachen. Er führt die Gestalten, die diese ausschließlich in Schwarz-Weiß gehaltene Traum- und Assoziationswelt bevölkern, an ihre Abgründe, treibt sie mit fiebriger Empfindsamkeit ins Nachdenken übers Menschsein. Dieser Abend ist nicht auf Erhellung oder Erlösung angelegt, er ist anstrengend und fordernd, doch wer bereit ist, sich einzulassen, wird reich belohnt.
"Hunger. Peer Gynt" am Deutschen Theater ist keine leichte Inszenierung, aber wer sich einlässt, wird belohnt [...]

Eine enorme Spannung liegt in diesem starken Ensemble, das sich auch körperlich verausgabt. Einzelne Spieler werden durch weitere verdoppelt oder verdreifacht, Körper entziehen sich der Kontrolle, zucken, tanzen, bäumen sich. Dazu dröhnt ununterbrochen Musik, Streicher, fette Bässe, elektrische Beats. Sebastian Hartmann baut vielstöckige Gedankenhochhäuser, die sehr kunstvoll immer wieder zusammenkrachen. Er führt die Gestalten, die diese ausschließlich in Schwarz-Weiß gehaltene Traum- und Assoziationswelt bevölkern, an ihre Abgründe, treibt sie mit fiebriger Empfindsamkeit ins Nachdenken übers Menschsein. Dieser Abend ist nicht auf Erhellung oder Erlösung angelegt, er ist anstrengend und fordernd, doch wer bereit ist, sich einzulassen, wird reich belohnt.
Die Deutsche Bühne
Reinhard Wengierek, 21.10.2018
Hartmann suche jedoch kein Narrativ im Zusammenspann des Ibsen‘schen Ideendramas vom durch die Welt reisenden Peer mit der Psycho-Tour von Hamsuns Elends-Paranoiker ins Innere, die weit vor Proust oder Joyce in einem radikal subjektivem Bewusstseinsstrom erzählt wird. Vielmehr hinterfrage der Regisseur Instinkte, den Umgang von Liebe, Hass und Tod, so die Ansage. Also keine Story, kein Drama, keine Figuren, vielmehr zehn Spieler (genderkorrekt 50:50), die allerhand Textschnipsel (vor der Pause Hamsun, danach Ibsen) in überwiegend freilich gekonnt erregtem Gestus hersagen oder geheimnisumwölkt flüstern. Dabei war doch – wieder Hartmanns Verlautbarung – die einzige Vereinbarung, miteinander zu spielen sowie obendrein ein großformatiges Bild zu malen, für das Tilo Baumgärtel die Vorlage schuf. [...]

Die Solisten von Adriana Braga Paretzki edel schwarz, gelegentlich in kostbar brautkleidweiß gewandet; unbedeckte Körperteile, abgesehen vom Gesicht, grandios tätowiert; die Maske provoziert den Neid jedes Tattoo-Studios. [...]
Hartmann suche jedoch kein Narrativ im Zusammenspann des Ibsen‘schen Ideendramas vom durch die Welt reisenden Peer mit der Psycho-Tour von Hamsuns Elends-Paranoiker ins Innere, die weit vor Proust oder Joyce in einem radikal subjektivem Bewusstseinsstrom erzählt wird. Vielmehr hinterfrage der Regisseur Instinkte, den Umgang von Liebe, Hass und Tod, so die Ansage. Also keine Story, kein Drama, keine Figuren, vielmehr zehn Spieler (genderkorrekt 50:50), die allerhand Textschnipsel (vor der Pause Hamsun, danach Ibsen) in überwiegend freilich gekonnt erregtem Gestus hersagen oder geheimnisumwölkt flüstern. Dabei war doch – wieder Hartmanns Verlautbarung – die einzige Vereinbarung, miteinander zu spielen sowie obendrein ein großformatiges Bild zu malen, für das Tilo Baumgärtel die Vorlage schuf. [...]

Die Solisten von Adriana Braga Paretzki edel schwarz, gelegentlich in kostbar brautkleidweiß gewandet; unbedeckte Körperteile, abgesehen vom Gesicht, grandios tätowiert; die Maske provoziert den Neid jedes Tattoo-Studios. [...]
Der Tagesspiegel
Christine Wahl, 22.10.2018
Wer wagt und Hamsun mit Ibsen kreuzt, gewinnt: Sebastian Hartmanns großartige Inszenierung "Hunger. Peer Gynt" im Deutschen Theater Berlin. [...]

Die zehn Schauspieler/innen stehen – allesamt in persönlicher Bestform – auf der lichttechnisch heruntergedimmten Bühne tatsächlich wie in einem Bewusstseinszustand. Oder in einem bewegten Schwarzweiß-Bild, gekleidet in maximal (sozial-)realismusferne schwarze Kleider, Hüte und Anzüge der Kostümbildnerin Adriana Braga Peretzki. Sie malen abendfüllend an einem riesigen, von Tilo Baumgärtel vorgezeichneten Schwarzweiß-Bild und wirken dabei selbst fast skulptural. Hartmanns Theater ist Bildertheater: Das Werk wird permanent korrigiert, übermalt, wieder ausgelöscht, neu überschrieben. [...]

Mal abgesehen davon, dass der Abend sich dramaturgisch trotzdem als äußerst klug gebaut erweist: Wie wohltuend schon die Tatsache, dass mal wieder jemand etwas wagt im Theater! Dass jemand eine andere (begründete) Idee hat als die Handlungslinien abklappernde Textbebilderung. Oder die zwar häufig wirksame, am besten aber immer noch bei ihm selbst funktionierende Intellectual-Methode der (Fremd-)Textwucherung à la Frank Castorf.

Und umso erfreulicher, dass Hartmanns Zusammenprall tatsächlich außergewöhnliche Funken schlägt. [...]

Almut Zilcher hadert zum Beispiel expressiv-passioniert mit Gott und Linn Reusse wunderbar energisch mit der Liebe, dem Sinn und "zurückhaltenden Menschen". Cordelia Wege pumpt sich formvollendet mit den Omnipotenzfantasie-Versuchen des Hamsunschen Zeitungsschreibers auf: "Dann zerpflücke ich Ihnen den ganzen Kant!" Linda Pöppel denkt mit furioser Verve über Jagdreportagen nach und Elias Arens über den Wahnsinn. [...]

Großartig, wie Almut Zilcher, an der Rampe liegend, Aases Sterbeszene spielt und der grandiose Manuel Harder als Gynt sich dabei an ihrem Kopf zusammenkauert. Das sind Bilder einfach auch ganz elementar wirken; ohne Textkenntnis.

Die Schauspieler schöpfen übrigens aus einem Textreservoir, das deutlich über die Aufführung hinausgeht und, jeden Abend neu, buchstäblich zusammengespielt wird. Nur Anfang und Ende stehen fest. Der Rest ist Augenblick.
Wer wagt und Hamsun mit Ibsen kreuzt, gewinnt: Sebastian Hartmanns großartige Inszenierung "Hunger. Peer Gynt" im Deutschen Theater Berlin. [...]

Die zehn Schauspieler/innen stehen – allesamt in persönlicher Bestform – auf der lichttechnisch heruntergedimmten Bühne tatsächlich wie in einem Bewusstseinszustand. Oder in einem bewegten Schwarzweiß-Bild, gekleidet in maximal (sozial-)realismusferne schwarze Kleider, Hüte und Anzüge der Kostümbildnerin Adriana Braga Peretzki. Sie malen abendfüllend an einem riesigen, von Tilo Baumgärtel vorgezeichneten Schwarzweiß-Bild und wirken dabei selbst fast skulptural. Hartmanns Theater ist Bildertheater: Das Werk wird permanent korrigiert, übermalt, wieder ausgelöscht, neu überschrieben. [...]

Mal abgesehen davon, dass der Abend sich dramaturgisch trotzdem als äußerst klug gebaut erweist: Wie wohltuend schon die Tatsache, dass mal wieder jemand etwas wagt im Theater! Dass jemand eine andere (begründete) Idee hat als die Handlungslinien abklappernde Textbebilderung. Oder die zwar häufig wirksame, am besten aber immer noch bei ihm selbst funktionierende Intellectual-Methode der (Fremd-)Textwucherung à la Frank Castorf.

Und umso erfreulicher, dass Hartmanns Zusammenprall tatsächlich außergewöhnliche Funken schlägt. [...]

Almut Zilcher hadert zum Beispiel expressiv-passioniert mit Gott und Linn Reusse wunderbar energisch mit der Liebe, dem Sinn und "zurückhaltenden Menschen". Cordelia Wege pumpt sich formvollendet mit den Omnipotenzfantasie-Versuchen des Hamsunschen Zeitungsschreibers auf: "Dann zerpflücke ich Ihnen den ganzen Kant!" Linda Pöppel denkt mit furioser Verve über Jagdreportagen nach und Elias Arens über den Wahnsinn. [...]

Großartig, wie Almut Zilcher, an der Rampe liegend, Aases Sterbeszene spielt und der grandiose Manuel Harder als Gynt sich dabei an ihrem Kopf zusammenkauert. Das sind Bilder einfach auch ganz elementar wirken; ohne Textkenntnis.

Die Schauspieler schöpfen übrigens aus einem Textreservoir, das deutlich über die Aufführung hinausgeht und, jeden Abend neu, buchstäblich zusammengespielt wird. Nur Anfang und Ende stehen fest. Der Rest ist Augenblick.
Deutschlandfunk
Barbara Behrendt, 22.10.2018
Anhand von Motiven, Satzsplittern und Gedankenfetzen will er zu den großen Fragen durchdringen: Was ist der Mensch, was hält ihn, was macht den Einzelnen aus? Schon in früheren Arbeiten am Deutschen Theater, in "Gespenster" oder "Ulysses" hat er gezeigt, dass er collagenhafte Erzählungen mit eigenen Träumen, Albträumen, Sehnsüchten weiterspinnt. Ein radikal subjektiver Zugang, den er auch hier wählt. Die zehn Schauspieler stehen immer wieder an der Rampe, schütteln und verkrampfen sich und sprechen wild zusammengewürfelte Text-Miniaturen, hauptsächlich aus Hamsuns Roman. Immer wieder wird hier mit dem Tod gerungen, dem Hunger, der eigenen Würde und mit Gott [...]

Almut Zilcher reckt die Arme gen Himmel. Monologisiert wird hier stets mit großer Inbrunst und höchster Erregung. Nicht nur über den Wahnsinn, sondern auch über das Erschaffen von Kunst – was ja bekanntlich nah beieinander liegt.
Dazu malen die Darsteller über die komplette Dauer der dreistündigen Inszenierung an einem gigantischen Schwarz-weiß-Gemälde. Sie kopieren eine Landschaft, die auf die Leinwand projiziert wurde, es folgen weitere Schichten, die Bilder werden übertüncht. [...]

Und so, wie sich die Bilder auf der Leinwand überlagern, legen sich auch die Körper-Bilder in Choreografien übereinander. Sobald ein Schauspieler spricht und expressionistisch gestikuliert, eignen sich andere seine Gesten an, imitieren ihn, ein grotesker Tanz entsteht. Dazu wummern Bässe, überirdische Orgeln und Streicher erklingen – alles an diesem Abend ist auf Stimmungen und Überwältigung angelegt. [...]
Anhand von Motiven, Satzsplittern und Gedankenfetzen will er zu den großen Fragen durchdringen: Was ist der Mensch, was hält ihn, was macht den Einzelnen aus? Schon in früheren Arbeiten am Deutschen Theater, in "Gespenster" oder "Ulysses" hat er gezeigt, dass er collagenhafte Erzählungen mit eigenen Träumen, Albträumen, Sehnsüchten weiterspinnt. Ein radikal subjektiver Zugang, den er auch hier wählt. Die zehn Schauspieler stehen immer wieder an der Rampe, schütteln und verkrampfen sich und sprechen wild zusammengewürfelte Text-Miniaturen, hauptsächlich aus Hamsuns Roman. Immer wieder wird hier mit dem Tod gerungen, dem Hunger, der eigenen Würde und mit Gott [...]

Almut Zilcher reckt die Arme gen Himmel. Monologisiert wird hier stets mit großer Inbrunst und höchster Erregung. Nicht nur über den Wahnsinn, sondern auch über das Erschaffen von Kunst – was ja bekanntlich nah beieinander liegt.
Dazu malen die Darsteller über die komplette Dauer der dreistündigen Inszenierung an einem gigantischen Schwarz-weiß-Gemälde. Sie kopieren eine Landschaft, die auf die Leinwand projiziert wurde, es folgen weitere Schichten, die Bilder werden übertüncht. [...]

Und so, wie sich die Bilder auf der Leinwand überlagern, legen sich auch die Körper-Bilder in Choreografien übereinander. Sobald ein Schauspieler spricht und expressionistisch gestikuliert, eignen sich andere seine Gesten an, imitieren ihn, ein grotesker Tanz entsteht. Dazu wummern Bässe, überirdische Orgeln und Streicher erklingen – alles an diesem Abend ist auf Stimmungen und Überwältigung angelegt. [...]
Süddeutsche Zeitung
Peter Laudenbach, 22.10.2018
Die Selbstgespräche, Wahnbilder und Anklagen gegen Gott sind auf die zehn Darsteller Elias Arens, Edgar Eckert, Manuel Harder, Marcel Kohler, Peter René Lüdicke, Linda Pöppel, Linn Reusse, Natali Seelig, Cordelia Wege und Almut Zilcher verteilt die in altmodischen schwarzen Anzüge oder weißen Brautkleidern (Kostüme: Adriana Braga Peretzki) durch die Nebelschwaden der schwarz ausgeschlagenen Bühne treiben – es ist eine Welt in schwarz-weiß. Zentrales Bühnenbildelement ist die großformatige Projektion eines Landschaftsbilds des Video- und Installationskünstlers Tilo Baumgärtel, das im Lauf der Aufführung von den auf hohen Leitern balancierenden Darstellern über- und nachgemalt wird, ein aus früheren Hartmann-Innszenierungen bekanntes Motiv.

Viele der Darsteller-Solos sind dicht und stark: Cordelia Weges Herbsstbeschreibung aus "Hunger" ("...der Karneval der Vergänglichkeit"), Marcel Kohler, der mit ausgebreiteten Armen Gott beschimpft, als würde er ihn am liebsten zum Duell fordern und vor allem eine konzentriert spielende Almut Zilcher, die den Tod der Mutter Peers mit Beckett-Zitaten anreichert "Ende. Es geht zu Ende Es geht vielleicht zu Ende..." [...]

Dass hier aus dem Nichts eine Welt geschaffen wird und das Bühnengeschehen seine eigene Wirklichkeit schafft, macht schon der Prolog klar. Edgar Eckert tanzt durch Nebenwände und ruft, erst das Wort schaffe Bedetung. Das ist zwar ein "Hunger"-Zitat, passt aber auch zum Dauerlügner Peer. [...]
Die Selbstgespräche, Wahnbilder und Anklagen gegen Gott sind auf die zehn Darsteller Elias Arens, Edgar Eckert, Manuel Harder, Marcel Kohler, Peter René Lüdicke, Linda Pöppel, Linn Reusse, Natali Seelig, Cordelia Wege und Almut Zilcher verteilt die in altmodischen schwarzen Anzüge oder weißen Brautkleidern (Kostüme: Adriana Braga Peretzki) durch die Nebelschwaden der schwarz ausgeschlagenen Bühne treiben – es ist eine Welt in schwarz-weiß. Zentrales Bühnenbildelement ist die großformatige Projektion eines Landschaftsbilds des Video- und Installationskünstlers Tilo Baumgärtel, das im Lauf der Aufführung von den auf hohen Leitern balancierenden Darstellern über- und nachgemalt wird, ein aus früheren Hartmann-Innszenierungen bekanntes Motiv.

Viele der Darsteller-Solos sind dicht und stark: Cordelia Weges Herbsstbeschreibung aus "Hunger" ("...der Karneval der Vergänglichkeit"), Marcel Kohler, der mit ausgebreiteten Armen Gott beschimpft, als würde er ihn am liebsten zum Duell fordern und vor allem eine konzentriert spielende Almut Zilcher, die den Tod der Mutter Peers mit Beckett-Zitaten anreichert "Ende. Es geht zu Ende Es geht vielleicht zu Ende..." [...]

Dass hier aus dem Nichts eine Welt geschaffen wird und das Bühnengeschehen seine eigene Wirklichkeit schafft, macht schon der Prolog klar. Edgar Eckert tanzt durch Nebenwände und ruft, erst das Wort schaffe Bedetung. Das ist zwar ein "Hunger"-Zitat, passt aber auch zum Dauerlügner Peer. [...]
Berliner Zeitung
Doris Meierhenrich, 23.10.2018
Durch den eindampfenden Nebel und das glimmende Dunkel muss man sich erst einmal hindurch suchen, um auf das große Naturbild des Abends zu treffen, an dem sich die zehn Schauspieler wie die Bewohner Liliputs malend, auswischend, verschiebend, projizierend und einfach nur betrachtend über drei Spielstunden abarbeiten. Dem Künstler Tilo Baumgärtel ist dieser Bilderkosmos zu verdanken, der im Laufe des Abends manche Gewissheit aufsprengt. [...]

Dieser ebenso großformatigen wie kleinwuseligen Männchenarbeit an der immersiv verfangenen Traum-Wirklichkeit kann man stundenlang zusehen, wobei natürlich auch Frauen wie Almut Zilcher, Natali Seelig, Linda Pöppel, Linn Reusse und Cordelia Wege mit am Werk sind. Als hysterische Kurzzeitbräute gehen sie ganz ein in dieses stilekletische schwarz-weiße Bewegungsbild. 

Bisschen kafkaesk, bisschen Indianerspiel zwischen Natur und Kultur ist das, aber in jedem Detail gedeckt von beiden Textvorlagen, deren zwei Antihelden, wenn auch richtungsverkehrt, zwischen Lüge, Traum und Gewissheit wandern. [...]

Diese beiden Antipoden "wie in einem Teilchenbeschleuniger", so Hartmann, aufeinander zu schießen, um daraus neue Denk-Energien zu befreien, überzeugt. Zusammen mit den mitlesenden, mitentscheidenden Schauspielern hat er dafür nur wenige Textteile genommen – mehr Hamsun als Ibsen –, die die souveränen Spieler nun wie "freie Radikale" (Hartmann) aus dem Dauerbewegungsbetrieb um das Hintergrundbild heraus nach vorne laufend kreischen, wimmern, hächeln. Jedem Sprecher dienen dabei immer zwei, drei Schattenmitspieler als Auspaltungen des "Ich". Visuell sind das schöne Verdichtungen [...]
Durch den eindampfenden Nebel und das glimmende Dunkel muss man sich erst einmal hindurch suchen, um auf das große Naturbild des Abends zu treffen, an dem sich die zehn Schauspieler wie die Bewohner Liliputs malend, auswischend, verschiebend, projizierend und einfach nur betrachtend über drei Spielstunden abarbeiten. Dem Künstler Tilo Baumgärtel ist dieser Bilderkosmos zu verdanken, der im Laufe des Abends manche Gewissheit aufsprengt. [...]

Dieser ebenso großformatigen wie kleinwuseligen Männchenarbeit an der immersiv verfangenen Traum-Wirklichkeit kann man stundenlang zusehen, wobei natürlich auch Frauen wie Almut Zilcher, Natali Seelig, Linda Pöppel, Linn Reusse und Cordelia Wege mit am Werk sind. Als hysterische Kurzzeitbräute gehen sie ganz ein in dieses stilekletische schwarz-weiße Bewegungsbild. 

Bisschen kafkaesk, bisschen Indianerspiel zwischen Natur und Kultur ist das, aber in jedem Detail gedeckt von beiden Textvorlagen, deren zwei Antihelden, wenn auch richtungsverkehrt, zwischen Lüge, Traum und Gewissheit wandern. [...]

Diese beiden Antipoden "wie in einem Teilchenbeschleuniger", so Hartmann, aufeinander zu schießen, um daraus neue Denk-Energien zu befreien, überzeugt. Zusammen mit den mitlesenden, mitentscheidenden Schauspielern hat er dafür nur wenige Textteile genommen – mehr Hamsun als Ibsen –, die die souveränen Spieler nun wie "freie Radikale" (Hartmann) aus dem Dauerbewegungsbetrieb um das Hintergrundbild heraus nach vorne laufend kreischen, wimmern, hächeln. Jedem Sprecher dienen dabei immer zwei, drei Schattenmitspieler als Auspaltungen des "Ich". Visuell sind das schöne Verdichtungen [...]
Theater heute
Christian Rakow, 06.12.2018
In einen Prozess begeben sich [...] Sebastian Hartmann und seine Spieler am Deutschen Theater. Mit Hunger von Knut Hamsun und Peer Gynt von Ibsen, gemixt zu Hunger. Peer Gynt. Und auch sie bewegt ein Gemälde. Aber eines, das meterhoch aufragt. Ein Triptychon. Über die Dauer der gut dreistündigen Aufführung werden sie es bemalen, übermalen, verwandeln, veredeln – nach Schablonen und Live-Projektionen von Hartmanns kongenialem Bildschöpfer Tilo Baumgärtel [...]

Es sind entäußerte Innenwelten, die auf dieser Leinwand Gestalt annehmen. Skizzen, die sich zu Landschaften auswachsen. Ein Malstrom erst. Später wird das Bild auf den Kopf gestellt und zeigt eine entrückte Insellandschaft mit Vulkan oder eine nordische Bergwelt aus dem Geiste des Peer Gynt. [...]

Hartmann entwirft nicht erst an diesem Abend, aber an diesem mit großer Kraft, ein physiologisches Theater. Seine Spieler zeichnen nicht Figuren, sondern Erregungszustände. Mitunter können sich Szenen herauskristallisieren, wenn etwa Linn Reusse und Edgar Eckert in herrlichster Tragikomik Hamsuns scheiterndes Liebesabenteuer aneinander vorbeigleiten lassen. Oder wenn die machtvolle Almut Zilcher sich für einen langen Moment in der Rolle von Gynts Mutter Aase zur letzten Ruhe bettet und Manuel Harder sich gebuckelt ihr als Kissen bietet. [...] Und Peter René Lüdicke. Er vor allen streift als Gynt umher, stumm über weite Strecken. Einmal betritt er die hoch aufragende Malerleiter und probiert minutenlang, seinen weißen Schattenriss aus dem Gemälde zu tilgen. Die Poesie stiller Arbeit am Verschwinden. [...]

Die meiste Zeit jedoch flackern Hartmanns Spieler auf, ohne festen Figurensitz, aber mit drängender Präsenz und einer fast lyrisch intensiven Durchforschung der dargebotenen Textsplitter, als würde man einem Sprechkonzert folgen. Ambient-Sounds umfangen sie, sie tanzen, zappeln sich die Pein des Hungeralltags aus den Gliedern. Das ist ein inszenierter Bewusstseinsstrom. Ein Bühnenflow, im Dämmerzustand geboren.
In einen Prozess begeben sich [...] Sebastian Hartmann und seine Spieler am Deutschen Theater. Mit Hunger von Knut Hamsun und Peer Gynt von Ibsen, gemixt zu Hunger. Peer Gynt. Und auch sie bewegt ein Gemälde. Aber eines, das meterhoch aufragt. Ein Triptychon. Über die Dauer der gut dreistündigen Aufführung werden sie es bemalen, übermalen, verwandeln, veredeln – nach Schablonen und Live-Projektionen von Hartmanns kongenialem Bildschöpfer Tilo Baumgärtel [...]

Es sind entäußerte Innenwelten, die auf dieser Leinwand Gestalt annehmen. Skizzen, die sich zu Landschaften auswachsen. Ein Malstrom erst. Später wird das Bild auf den Kopf gestellt und zeigt eine entrückte Insellandschaft mit Vulkan oder eine nordische Bergwelt aus dem Geiste des Peer Gynt. [...]

Hartmann entwirft nicht erst an diesem Abend, aber an diesem mit großer Kraft, ein physiologisches Theater. Seine Spieler zeichnen nicht Figuren, sondern Erregungszustände. Mitunter können sich Szenen herauskristallisieren, wenn etwa Linn Reusse und Edgar Eckert in herrlichster Tragikomik Hamsuns scheiterndes Liebesabenteuer aneinander vorbeigleiten lassen. Oder wenn die machtvolle Almut Zilcher sich für einen langen Moment in der Rolle von Gynts Mutter Aase zur letzten Ruhe bettet und Manuel Harder sich gebuckelt ihr als Kissen bietet. [...] Und Peter René Lüdicke. Er vor allen streift als Gynt umher, stumm über weite Strecken. Einmal betritt er die hoch aufragende Malerleiter und probiert minutenlang, seinen weißen Schattenriss aus dem Gemälde zu tilgen. Die Poesie stiller Arbeit am Verschwinden. [...]

Die meiste Zeit jedoch flackern Hartmanns Spieler auf, ohne festen Figurensitz, aber mit drängender Präsenz und einer fast lyrisch intensiven Durchforschung der dargebotenen Textsplitter, als würde man einem Sprechkonzert folgen. Ambient-Sounds umfangen sie, sie tanzen, zappeln sich die Pein des Hungeralltags aus den Gliedern. Das ist ein inszenierter Bewusstseinsstrom. Ein Bühnenflow, im Dämmerzustand geboren.

Außerdem im Spielplan

Vorstellung fällt leider aus
von Ewald Palmetshofer nach Christopher Marlowe
Regie: Jessica Weisskirchen
Leider muss die Vorstellung von Edward II. Die Liebe bin ich entfallen. Der Grund dafür sind Erkrankungen im Ensemble.
Box
19.00
Ausverkauft
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Wiederaufnahme
DT Bühne
20.00 - 21.15
Ausverkauft
Evtl. Restkarten an der Abendkasse
DT Kontext

Popsalon: Peter Urban (Journalist und ESC-Moderator)

mit Jens Balzer und Tobi Müller
Bar
21.00
Ausverkauft
Evtl. Restkarten an der Abendkasse