
Eine Inszenierung des Jungen DT
Katzelmacher
von Rainer Werner Fassbinder
- Das hat mal sein müssen, weil der hier rumläuft, wie wenn er hergehört.
- Der muss weg.
- Genau. Eine Ordnung muss wieder her.
Kleinstadttristesse. Eine Gruppe Jugendlicher hängt ab. Man säuft, macht Party, hat Sex und geht fremd, lästert, ödet sich an und hält sich aus. Man trainiert sein Körperkapital, denn das ist alles, was zu vermarkten ist. Man ist frustriert von der Leere in und um sich herum. Weil das wohl immer schon so war und die Fantasie fehlt, wie es anders sein könnte. Oder das Geld. Ohne Geld kommt man nicht raus. Dann taucht Jorgos auf. Der Fremde stellt die alte Ordnung in Frage, weckt Sehnsüchte nach einem anderen Leben und verwandelt Frustration und Zukunftsangst in Aggression.
Der 24-jährige Fassbinder schrieb Katzelmacher als die ersten "Gastarbeiter" in der BRD ankamen. 2017 leben sie hier in der dritten Generation und Deutschland steht vor der Herausforderung, Hunderttausende Geflüchteter zu integrieren. Währenddessen schüren neue Rechte die alte Angst vor 'Überfremdung' und fordern heute wie damals: "Eine Ordnung muss wieder her.“
Die Regisseurin Jessica Glause und ihr Team befragen das Drama gemeinsam mit elf Jugendlichen neu. Was, wenn alle Beziehungen unter dem Diktat der Ökonomie stehen. Was, wenn es für Fremdenfeindlichkeit gar keinen Fremden braucht? Was, wenn Jorgos nur in den Köpfen existiert? Wenn das gefürchtete Andere eine Projektion des Eigenen ist? Wer ist Jorgos?
Für ihre bisherige Leistungen und ungewöhnliche künstlerische Positionen wurde die Regisseurin Jessica Glause im Mai 2018 mit dem Förderpreis Theater der Landeshauptstadt München ausgezeichnet.
Mit freundlicher Unterstützung der K.S. Fischer Stiftung
- Der muss weg.
- Genau. Eine Ordnung muss wieder her.
Kleinstadttristesse. Eine Gruppe Jugendlicher hängt ab. Man säuft, macht Party, hat Sex und geht fremd, lästert, ödet sich an und hält sich aus. Man trainiert sein Körperkapital, denn das ist alles, was zu vermarkten ist. Man ist frustriert von der Leere in und um sich herum. Weil das wohl immer schon so war und die Fantasie fehlt, wie es anders sein könnte. Oder das Geld. Ohne Geld kommt man nicht raus. Dann taucht Jorgos auf. Der Fremde stellt die alte Ordnung in Frage, weckt Sehnsüchte nach einem anderen Leben und verwandelt Frustration und Zukunftsangst in Aggression.
Der 24-jährige Fassbinder schrieb Katzelmacher als die ersten "Gastarbeiter" in der BRD ankamen. 2017 leben sie hier in der dritten Generation und Deutschland steht vor der Herausforderung, Hunderttausende Geflüchteter zu integrieren. Währenddessen schüren neue Rechte die alte Angst vor 'Überfremdung' und fordern heute wie damals: "Eine Ordnung muss wieder her.“
Die Regisseurin Jessica Glause und ihr Team befragen das Drama gemeinsam mit elf Jugendlichen neu. Was, wenn alle Beziehungen unter dem Diktat der Ökonomie stehen. Was, wenn es für Fremdenfeindlichkeit gar keinen Fremden braucht? Was, wenn Jorgos nur in den Köpfen existiert? Wenn das gefürchtete Andere eine Projektion des Eigenen ist? Wer ist Jorgos?
Für ihre bisherige Leistungen und ungewöhnliche künstlerische Positionen wurde die Regisseurin Jessica Glause im Mai 2018 mit dem Förderpreis Theater der Landeshauptstadt München ausgezeichnet.
Mit freundlicher Unterstützung der K.S. Fischer Stiftung
Regie Jessica Glause
Bühne Jil Bertermann
Kostüme Bettina Werner
Musik Joe Masi
Choreographie Ronni Maciel
Dramaturgie Birgit Lengers
Premiere am 6. Februar 2017, Kammerspiele
Stephanie AmarellMarie

Lorin BrockhausErich

Chenoa North-HarderHelga

Maximilian DiehlePeter

Lina BookhagenElisabeth

Fabiola KuonenRosy

Emil KollmannFranz

Henry SchlagePaul

Annie NowakGunda

Léon RomeikeKlaus

Katrin KatsMädchen im Auto

Stephanie Amarell
Marie
Lorin Brockhaus
Erich
Chenoa North-Harder
Helga
Maximilian Diehle
Peter
Lina Bookhagen
Elisabeth
Fabiola Kuonen
Rosy
Emil Kollmann
Franz
Henry Schlage
Paul
Annie Nowak
Gunda
Léon Romeike
Klaus
Katrin Kats
Mädchen im Auto
Video Marijana Verhoef
Musik Joe Masi
Musik Joe Masi
Video Marijana Verhoef
jup! unterwegs- Diskriminierung im Theater
Vor der Premiere Katzelmacher hat jup! Berlin dem Jungen DT einen Besuch abgestattet und sich die Proben angeschaut.
Vor der Premiere Katzelmacher hat jup! Berlin dem Jungen DT einen Besuch abgestattet und sich die Proben angeschaut.
Regisseurin Jessica Glause und Dramaturgin Birgit Lengers im Gespräch über Katzelmacher, aufgenommen bei den Früh-Stücken am 15. Januar 2017.
Fabiola Kuonen, Lina Bookhagen und Max Diehle aus dem Katzelmacher-Ensemble im Gespräch mit Jürgen Büsselberg über die Arbeit an dieser Inszenierung, über Schwierigkeiten mit der speziellen Sprache Fassbinders und warum ihnen dieses Stück so wichtig ist.
Stephanie Amarell aus dem Katzelmacher-Ensemble war am 2. Februar zu Gast im Babylon bei radioeins. Mit Marion Brasch sprach sie über die Inszenierung.
Es braucht nicht viel, um urbane Tristesse anzudeuten […] - ein Dach, aber im Verlauf des Abends auch gleichzeitig ein Platz, eine Kneipe, das Dorf, die Kleinstadt, der Vorort. Hier hängt die Jugend ab, trinkt Bier, zickt sich an, lästert, langweilt sich, hat Sex, wartet darauf, dass etwas passiert, aber ohne eine Idee, was das denn sein könnte. In diese Gemengelage aus Frust, Aggression, Verunsicherung, Missgunst und Neid, Sehnsucht nach echter Liebe und einem besseren Leben, nach Geld und Status, platzt eines Tages ein Fremder […] Jorgos selbst ist dabei nie zu sehen. Die jungen Schauspieler sprechen zum Publikum, wenn sie zu Jorgos sprechen. Das ist eine gute Entscheidung: Jorgos könnte jeder sein.
Regisseurin Jessica Glause und ihr Team machen aus dem Fassbinder-Stück einen poppigen Theaterabend. Sie übernehmen die artifiziellen Dialoge aus "Katzelmacher" samt bayrisch eingefärbtem Gossen-Sprech und paaren sie mit pumpender Musik und einer energiegeladenen Choreographie mit viel Körpereinsatz. Mitreißend und modern
Es braucht nicht viel, um urbane Tristesse anzudeuten […] - ein Dach, aber im Verlauf des Abends auch gleichzeitig ein Platz, eine Kneipe, das Dorf, die Kleinstadt, der Vorort. Hier hängt die Jugend ab, trinkt Bier, zickt sich an, lästert, langweilt sich, hat Sex, wartet darauf, dass etwas passiert, aber ohne eine Idee, was das denn sein könnte. In diese Gemengelage aus Frust, Aggression, Verunsicherung, Missgunst und Neid, Sehnsucht nach echter Liebe und einem besseren Leben, nach Geld und Status, platzt eines Tages ein Fremder […] Jorgos selbst ist dabei nie zu sehen. Die jungen Schauspieler sprechen zum Publikum, wenn sie zu Jorgos sprechen. Das ist eine gute Entscheidung: Jorgos könnte jeder sein.
Regisseurin Jessica Glause und ihr Team machen aus dem Fassbinder-Stück einen poppigen Theaterabend. Sie übernehmen die artifiziellen Dialoge aus "Katzelmacher" samt bayrisch eingefärbtem Gossen-Sprech und paaren sie mit pumpender Musik und einer energiegeladenen Choreographie mit viel Körpereinsatz.
Der Clou der Inszenierung aber ist: Jorgos tritt nicht auf, wir alle, das Publikum, sind er. Und so pöbeln und schlagen die Spieler bald munter in unsere Richtung. Das hat den Vorteil, dass die Regisseurin sich des arg defizitären, selbst nur miefigen Ausländerbildes entledigt, mit dem Fassbinder arbeitet. Nur: geht die Übertragung so einfach? Können wir in bequemer Entfernung zu all den Sprüchen und Tritten mal einfach Jorgos sein? Bewundernswert selbstsichere, spielfreudige Darsteller des Jungen DT
Der Clou der Inszenierung aber ist: Jorgos tritt nicht auf, wir alle, das Publikum, sind er. Und so pöbeln und schlagen die Spieler bald munter in unsere Richtung. Das hat den Vorteil, dass die Regisseurin sich des arg defizitären, selbst nur miefigen Ausländerbildes entledigt, mit dem Fassbinder arbeitet. Nur: geht die Übertragung so einfach? Können wir in bequemer Entfernung zu all den Sprüchen und Tritten mal einfach Jorgos sein?
[...] Fassbinders Stück lässt sich von den 60er Jahren auf die heutige Zeit übertragen. Fremdenfeindlichkeit ist ein großes, ein sehr schweres Thema. Glause gelingt es, durch den nicht sichtbaren Jorgos, diese Feindlichkeit zu charakterisieren. Der Hass nimm stetig zu. Die eigene Unzufriedenheit wird auf die Anderen projiziert. Die Anderen, die Fremden. Die sind Schuld an meiner Tristesse, an meinem Leben. Alles in meinem Kopf. Doch gibt es den Anderen, den Fremden, den Einen, der mein Leben zerstört wirklich? Oder bin ich es nicht selbst am Ende? Passiert alles in nur in meinem Kopf? Grandios gelöst. Die jungen Schauspieler überzeugen durch ihre Kraft und Ausdauer. Der Zuschauer wird die gesamte Zeit durch die wechselnden Charaktere auf Trab gehalten. Viele Nebengeschichten, kleine Rangeleien und Pöbeleien, wie die ständige Erniedrigung Peters durch Elisabeth, beherrschen die ersten Minuten des Stückes. Alles scheint seine Bahnen zu ziehen, als in der Ferne Jorgos auftaucht. Der ist „Griech, aus Griechenland“ und kurz gesagt Gastarbeiter. Jorgos tritt nie leiblich in Erscheinung, sondern bleibt lediglich Gesprächsthema der Anderen.
[...] Fassbinders Stück lässt sich von den 60er Jahren auf die heutige Zeit übertragen. Fremdenfeindlichkeit ist ein großes, ein sehr schweres Thema. Glause gelingt es, durch den nicht sichtbaren Jorgos, diese Feindlichkeit zu charakterisieren. Der Hass nimm stetig zu. Die eigene Unzufriedenheit wird auf die Anderen projiziert. Die Anderen, die Fremden. Die sind Schuld an meiner Tristesse, an meinem Leben. Alles in meinem Kopf. Doch gibt es den Anderen, den Fremden, den Einen, der mein Leben zerstört wirklich? Oder bin ich es nicht selbst am Ende? Passiert alles in nur in meinem Kopf? Grandios gelöst.
Die zweite Setzung des Abends ist, dass die zentrale Rolle des Jorgos eine Leerstelle bleibt. Der griechische ''Gast- oder Fremdarbeiter'' – so nannte man die Zuwanderer bekanntlich Ende der 60er Jahre, als Rainer Werner Fassbinder mit 24 Jahren dieses Stück schrieb – ist eine Projektionsfläche. Bei den einen löst er Sehnsüchte aus. Einige junge Frauen erträumen sich eine Zukunft mit potentem, exotischem Lover, der sie aus der bisherigen Tristesse herausreißt. Die Männer reagieren eher ängstlich auf den ''Eindringling'' in ihr ''Revier''. Sie überspielen ihre Unsicherheit mit Aggression und Hass. [...]
Fraglos passt das Fassbinder-Drama, mit dem der junge Regisseur 1968 am Münchner Action-Theater und ein Jahr später auch im Kino erste Erfolge hatte, gut in unsere Zeit. Die fremdenfeindlichen Töne der Figuren und die Forderung ''Eine Ordnung muss wieder her'' klingen aus aktuellen Diskussionen gefährlich vertraut. Die neue Produktion des Jungen DT in den Kammerspielen des Deutschen Theaters überrascht damit, dass die Jugendlichen auf der Bühne ganz unter sich bleiben. Jessica Glause erarbeitete ihre Fassbinder-Adaption ''Katzelmacher'' mit elf Schülerinnen und Schülern. Anders als in ''Ich wuchs auf einem Schrottplatz auf…'' oder ''2 Uhr 14'' stehen ihnen diesmal keine erfahrenen Profis zur Seite.
Die zweite Setzung des Abends ist, dass die zentrale Rolle des Jorgos eine Leerstelle bleibt. Der griechische ''Gast- oder Fremdarbeiter'' – so nannte man die Zuwanderer bekanntlich Ende der 60er Jahre, als Rainer Werner Fassbinder mit 24 Jahren dieses Stück schrieb – ist eine Projektionsfläche. Bei den einen löst er Sehnsüchte aus. Einige junge Frauen erträumen sich eine Zukunft mit potentem, exotischem Lover, der sie aus der bisherigen Tristesse herausreißt. Die Männer reagieren eher ängstlich auf den ''Eindringling'' in ihr ''Revier''. Sie überspielen ihre Unsicherheit mit Aggression und Hass. [...]
Fraglos passt das Fassbinder-Drama, mit dem der junge Regisseur 1968 am Münchner Action-Theater und ein Jahr später auch im Kino erste Erfolge hatte, gut in unsere Zeit. Die fremdenfeindlichen Töne der Figuren und die Forderung ''Eine Ordnung muss wieder her'' klingen aus aktuellen Diskussionen gefährlich vertraut.
Fassbinder porträtiert junge, desillusionnierte Menschen in ihrer Begegnung mit einem griechischen Gastarbeiter. In dieser Begegnung kristallisieren sich ihre Ängste heraus, Gerüchte werden geschürt, Hass entfacht und ihre Vorurteile kommen zum Vorschein. Elf Jugentliche interpretieren Fassbinders Text und stellen das Unbehagen, die Symptome einer statischen in Langweile erstarrten Gesellschaft dar. In dem Bühnenbild von Jil Bertermann, das aus Häuserdächern besteht, trinken sie und streiten sich, hören auf Handys Musik, trainieren, rennen und tanzen sie, um sich auszutoben. Ein Luftballon fliegt hinter ihnen fort - Metapher einer Illusion von Entwicklung, Freiheit und Liebe. Sogar Maries mit Kreide auf den Boden gezeichnetes Herz wird durch den Regen weggewischt.
Stéphanie Amarell, Lorin Brockhaus, Chenoa North-Harder, Henry Schlage, Annie Nowak, Fabiola Kuonen, Emil Kollmann, Lina Bookhagen, Maximilian Diehle, Patrick Nadler und Katrin Kats sind alle überzeugend. Jeder verteidigt seine Rolle mit Geschicklichkeit und Kühnheit, Talent und Ehrlichkeit. Alle lassen eine besondere Frische, Unbefangenheit und Spiellust erkennen. Ihre Stimmen formulieren klar Fragen zu Jugend, Zukunft, Arbeit, zum Glück, zum Berühmtsein usw.
[...] Jessica Glause interessiert es, wie diese mutierten Wesen funktionieren und zeigt die alltägliche Gewalt, den Neid, die aufkommemde Begierden in dem Mikrokosmos der Gruppe. Am Deutschen Theater Berlin inszeniert Jessica Glause mit elf Jugendlichen "Katzelmacher", ein Stück geschrieben von Fassbinder im Jahr 1968, das immer noch erschreckend aktuell ist.
Fassbinder porträtiert junge, desillusionnierte Menschen in ihrer Begegnung mit einem griechischen Gastarbeiter. In dieser Begegnung kristallisieren sich ihre Ängste heraus, Gerüchte werden geschürt, Hass entfacht und ihre Vorurteile kommen zum Vorschein. Elf Jugentliche interpretieren Fassbinders Text und stellen das Unbehagen, die Symptome einer statischen in Langweile erstarrten Gesellschaft dar. In dem Bühnenbild von Jil Bertermann, das aus Häuserdächern besteht, trinken sie und streiten sich, hören auf Handys Musik, trainieren, rennen und tanzen sie, um sich auszutoben. Ein Luftballon fliegt hinter ihnen fort - Metapher einer Illusion von Entwicklung, Freiheit und Liebe. Sogar Maries mit Kreide auf den Boden gezeichnetes Herz wird durch den Regen weggewischt.
Stéphanie Amarell, Lorin Brockhaus, Chenoa North-Harder, Henry Schlage, Annie Nowak, Fabiola Kuonen, Emil Kollmann, Lina Bookhagen, Maximilian Diehle, Patrick Nadler und Katrin Kats sind alle überzeugend. Jeder verteidigt seine Rolle mit Geschicklichkeit und Kühnheit, Talent und Ehrlichkeit. Alle lassen eine besondere Frische, Unbefangenheit und Spiellust erkennen. Ihre Stimmen formulieren klar Fragen zu Jugend, Zukunft, Arbeit, zum Glück, zum Berühmtsein usw.
[...] Jessica Glause interessiert es, wie diese mutierten Wesen funktionieren und zeigt die alltägliche Gewalt, den Neid, die aufkommemde Begierden in dem Mikrokosmos der Gruppe.