Andreas Döhler
Studierte an der Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" in Leipzig und trat seit 2001 am Nationaltheater Weimar auf. Von 2003 bis 2009 war er Ensemblemitglied am Hamburger Thalia Theater, wo er u. a. mit den Regisseuren Nicolas Stemann, Michael Thalheimer, Dimiter Gotscheff, Armin Petras, Stephan Kimmig, Christiane Pohle und Alize Zandwijk arbeitete. In Film und Fernsehen ist er u. a. zu sehen in Millionen, Regie Fabian Möhrke, Yes, Another Fucking Solo, Regie Katharina Marie Schubert, und Wer wenn nicht wir, Regie Andres Veiel. Von 2009 bis 2017 war er Ensemblemitglied am Deutschen Theater und u. a. in Inszenierungen von Michael Thalheimer, Dimiter Gotscheff, Stefan Pucher, Stephan Kimmig, Martin Laberenz sowie Tom Kühnel und Jürgen Kuttner zu sehen. Seit der Spielzeit 2017/18 ist er festes Ensemblemitglied am Berliner Ensemble.

Foto: Tom Huber
"Wenn Andreas probt, arbeitet er wochenlang intensiv auf die Begegnung mit diesem Text hin, mit seiner Figur. Und wenn diese Begegnung dann nicht stattfindet – weil der andere entweder nicht kommt oder weil Andreas es selbst nicht hin schafft – leidet er tatsächlich wie ein betrogener Hund; völlig unabhängig davon, wie gut oder schlecht der Abend ankommt." Sagt – gar nicht direkt auf den "Fatzer" bezogen, sondern ganz generell – Ivan Panteleev, der den Schauspieler schon lange kennt und "große Liebe" sowie "tiefen Respekt" dafür empfindet, "wie der ist und was er macht". An vielen Produktionen, in denen Döhler spielte – namentlich von Dimiter Gotscheff –, hat Panteleev bereits mitgearbeitet. "Andreas sucht die Überforderung", erklärt er, "dem ist es immer zu wenig, der ist im Prinzip süchtig nach der Unmöglichkeit." Richtig zu interessieren begännen Döhler die Dinge eigentlich erst dann, wenn er sie nicht (mehr) verstehe.
Vor drei Jahren inszenierte Panteleev am DT mit Döhler "Warten auf Godot". Als Pozzos solipsistischer Diener Lucky steht der Schauspieler dort gefühlte Stunden in einem gigantischen Trichter, den Bühnenbilder Mark Lammert in den Boden gelassen hat, und faltet praktisch abendfüllend eine riesige Stoffbahn; wie Sisyphos, nur mit einer deutlich höheren Körperspannung: Immer wieder rutscht Döhler formvollendet linkisch im Trichter aus, droht unter seiner Arbeit buchstäblich begraben zu werden, kämpft und rudert sich aber jedesmal wieder tapfer unter der Stoffbahn hervor.
Dann kommt Luckys Monolog, "dieses Riesending", sagt Panteleev, das "von Ruhr und Rhein" über spektakulär insiderische Anti-Gottesbeweise bis zu "Gottscheds Tod" mäandert – und das man nicht ungern eine Weile vor sich herschiebt, "weil man davor natürlich Schiss hat". Auch Döhler ließ sich bei den Proben im Kreise der Schauspielerkollegen Samuel Finzi, Wolfram Koch und Christian Grashof damit Zeit. "Als er den Monolog dann das erste Mal in voller Länge herausgehauen
hat", erinnert sich Panteleev, "waren wir regelrecht erschlagen. Das war, in einem Atemzug, so klug, komplex und körperlich intensiv dass man sich fast ein bisschen geschämt hat - für seine eigene Einfachheit." [...]
Und noch etwas fällt an Döhler auf: Eine wirkich außergewöhnliche Körperlichkeit, die man – bei aller Vorsicht gegenüber waghalsigen Kategorien – mit Fug und Recht als Alleinstellungsmerkmal bezeichnen kann. Wenn man ihm genau zuschaut, hat man manchmal das Gefühl, einer sehr speziellen Insider-Korrespondenz zwischen Großhirnrinde und Nervenbahnen beiwohnen zu dürfen. Phänotypisch sieht das – auf die denkbar faszinierendste Art – ein bisschen aus, als würde Döhlers Körper stottern. Wobei der Grund eben gerade nicht in einer irgendwie gestörten Impulsübertragung liegt, sondern – im Gegenteil – in einer überdurchschnittlich gut funktionierenden. Als würde alles, was da aus dem Kopf in die Vollzugsorgane wandert, an jeder Synapse noch mal kritisch auf seine Stimmigkeit abgeklopft.
"Von Andreas' Körper kann man wahnsinnig viel ablesen", sagt lvan Panteleev. Wenn der Regisseur wissen will, wie es um seine "Godot"-Inszenierung steht, aber keine Zeit für eine komplette Vorstellung hat, stellt er sich bei Döhlers Monolog einfach kurz in die Seitengasse. "Dann weiß ich ziemlich genau, wie der ganze Abend verlaufen ist." Döhler nehme durch seine "Dünnhäutigkeit" so viel vom Vorhergehenden auf, dass man ihn tatsächlich mit einem Barometer vergleichen könne. Panteleev nennt das "Körperklugheit". Andreas ist auch in der Lage, einen (naturgemäß nicht ganz unkomplexen) philosophischen Gedanken richtiggehend in den Körper zu übersetzen", sagt er – ohne ihn zu vereindeutigen oder zu banalisieren. "Das können nicht viele Schauspieler." In Tom Kühnels und Jürgen Kuttners Brecht-Inszenierung vom "Untergang des Egoisten Johann Fatzer" am Berliner Deutschen Theater gibt es eine (Video-)Szene, in der Andreas Döhler als Fatzer über die Warschauer Brücke irrlichtert. Der Schauspieler – seit acht Jahren Ensemblemitglied am DT – attackiert dort in einer erfrischend aggressiven Mischung aus (Passanten-)Angriff und (Selbst-)Verteidigung die unzulängliche Welt und spielt diesen Fatzer ein bisschen wie einen überdurchschnittlich ambivalenten Baal: Irgendwie animalisch, aber immer auch geschlagen mit diesem verfluchten Zwang zum Denken. Sehr Döhler-like. [...]
"Wenn Andreas probt, arbeitet er wochenlang intensiv auf die Begegnung mit diesem Text hin, mit seiner Figur. Und wenn diese Begegnung dann nicht stattfindet – weil der andere entweder nicht kommt oder weil Andreas es selbst nicht hin schafft – leidet er tatsächlich wie ein betrogener Hund; völlig unabhängig davon, wie gut oder schlecht der Abend ankommt." Sagt – gar nicht direkt auf den "Fatzer" bezogen, sondern ganz generell – Ivan Panteleev, der den Schauspieler schon lange kennt und "große Liebe" sowie "tiefen Respekt" dafür empfindet, "wie der ist und was er macht". An vielen Produktionen, in denen Döhler spielte – namentlich von Dimiter Gotscheff –, hat Panteleev bereits mitgearbeitet. "Andreas sucht die Überforderung", erklärt er, "dem ist es immer zu wenig, der ist im Prinzip süchtig nach der Unmöglichkeit." Richtig zu interessieren begännen Döhler die Dinge eigentlich erst dann, wenn er sie nicht (mehr) verstehe.
Vor drei Jahren inszenierte Panteleev am DT mit Döhler "Warten auf Godot". Als Pozzos solipsistischer Diener Lucky steht der Schauspieler dort gefühlte Stunden in einem gigantischen Trichter, den Bühnenbilder Mark Lammert in den Boden gelassen hat, und faltet praktisch abendfüllend eine riesige Stoffbahn; wie Sisyphos, nur mit einer deutlich höheren Körperspannung: Immer wieder rutscht Döhler formvollendet linkisch im Trichter aus, droht unter seiner Arbeit buchstäblich begraben zu werden, kämpft und rudert sich aber jedesmal wieder tapfer unter der Stoffbahn hervor.
Dann kommt Luckys Monolog, "dieses Riesending", sagt Panteleev, das "von Ruhr und Rhein" über spektakulär insiderische Anti-Gottesbeweise bis zu "Gottscheds Tod" mäandert – und das man nicht ungern eine Weile vor sich herschiebt, "weil man davor natürlich Schiss hat". Auch Döhler ließ sich bei den Proben im Kreise der Schauspielerkollegen Samuel Finzi, Wolfram Koch und Christian Grashof damit Zeit. "Als er den Monolog dann das erste Mal in voller Länge herausgehauen
hat", erinnert sich Panteleev, "waren wir regelrecht erschlagen. Das war, in einem Atemzug, so klug, komplex und körperlich intensiv dass man sich fast ein bisschen geschämt hat - für seine eigene Einfachheit." [...]
Und noch etwas fällt an Döhler auf: Eine wirkich außergewöhnliche Körperlichkeit, die man – bei aller Vorsicht gegenüber waghalsigen Kategorien – mit Fug und Recht als Alleinstellungsmerkmal bezeichnen kann. Wenn man ihm genau zuschaut, hat man manchmal das Gefühl, einer sehr speziellen Insider-Korrespondenz zwischen Großhirnrinde und Nervenbahnen beiwohnen zu dürfen. Phänotypisch sieht das – auf die denkbar faszinierendste Art – ein bisschen aus, als würde Döhlers Körper stottern. Wobei der Grund eben gerade nicht in einer irgendwie gestörten Impulsübertragung liegt, sondern – im Gegenteil – in einer überdurchschnittlich gut funktionierenden. Als würde alles, was da aus dem Kopf in die Vollzugsorgane wandert, an jeder Synapse noch mal kritisch auf seine Stimmigkeit abgeklopft.
"Von Andreas' Körper kann man wahnsinnig viel ablesen", sagt lvan Panteleev. Wenn der Regisseur wissen will, wie es um seine "Godot"-Inszenierung steht, aber keine Zeit für eine komplette Vorstellung hat, stellt er sich bei Döhlers Monolog einfach kurz in die Seitengasse. "Dann weiß ich ziemlich genau, wie der ganze Abend verlaufen ist." Döhler nehme durch seine "Dünnhäutigkeit" so viel vom Vorhergehenden auf, dass man ihn tatsächlich mit einem Barometer vergleichen könne. Panteleev nennt das "Körperklugheit". Andreas ist auch in der Lage, einen (naturgemäß nicht ganz unkomplexen) philosophischen Gedanken richtiggehend in den Körper zu übersetzen", sagt er – ohne ihn zu vereindeutigen oder zu banalisieren. "Das können nicht viele Schauspieler."