
Vor Sonnenaufgang
von Ewald Palmetshofer nach Gerhart Hauptmann
"erschütternd, dass es für das Leben, wie es ist, nicht bessre Gründe gibt"
Noch versprechen der neue Tag und das Licht der aufgehenden Sonne eine hoffnungsvolle Zukunft. Doch in der ausgekühlten Welt, in der Familie Krause auf die Geburt eines Babys wartet, stehen die Menschen vereinzelt und entwurzelt, bahnt sich eine neue Liebe an und erlischt, sehen sich zwei Studienfreunde nach langer Zeit wieder und stellen fest, dass eine unüberwindbare Kluft sie und ihre Weltanschauungen nun trennt.
Vor Sonnenaufgang – schon der Titel des 1889 uraufgeführten Dramendebüts von Gerhart Hauptmann deutet eine transitorische Situation, einen Schwellenzustand an. Der österreichische Dramatiker Ewald Palmetshofer seziert in seiner Neubearbeitung die Bruchstellen unserer Gegenwart und macht am Beispiel einer Familie und ihrer Konflikte größere gesellschaftliche Zusammenhänge sichtbar, zeigt die Beschädigungen und Entmenschlichungen hinter einer bürgerlichen Fassade und die Erosionserscheinungen eines demokratischen politischen Systems. In einer scheinbar einfachen Geschichte und profanen Alltagsschilderungen entwickelt der luzide Text eine tragische Wucht.
Noch versprechen der neue Tag und das Licht der aufgehenden Sonne eine hoffnungsvolle Zukunft. Doch in der ausgekühlten Welt, in der Familie Krause auf die Geburt eines Babys wartet, stehen die Menschen vereinzelt und entwurzelt, bahnt sich eine neue Liebe an und erlischt, sehen sich zwei Studienfreunde nach langer Zeit wieder und stellen fest, dass eine unüberwindbare Kluft sie und ihre Weltanschauungen nun trennt.
Vor Sonnenaufgang – schon der Titel des 1889 uraufgeführten Dramendebüts von Gerhart Hauptmann deutet eine transitorische Situation, einen Schwellenzustand an. Der österreichische Dramatiker Ewald Palmetshofer seziert in seiner Neubearbeitung die Bruchstellen unserer Gegenwart und macht am Beispiel einer Familie und ihrer Konflikte größere gesellschaftliche Zusammenhänge sichtbar, zeigt die Beschädigungen und Entmenschlichungen hinter einer bürgerlichen Fassade und die Erosionserscheinungen eines demokratischen politischen Systems. In einer scheinbar einfachen Geschichte und profanen Alltagsschilderungen entwickelt der luzide Text eine tragische Wucht.
Regie Jette Steckel
Bühne Florian Lösche
Kostüme Sibylle Wallum
Musik Mark Badur
Dramaturgie Anika Steinhoff
Deutsche Erstaufführung Ruhrfestspiele Recklinghausen
10. Mai 2018
Berlin-Premiere
9. September 2018, Kammerspiele
Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen
10. Mai 2018
Berlin-Premiere
9. September 2018, Kammerspiele
Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen
Michael GoldbergEgon Krause

Regine ZimmermannAnnemarie Krause

Maike KnirschHelene

Franziska MachensMartha

Felix GoeserThomas Hoffmann

Alexander SimonAlfred Loth

Timo WeisschnurDr. Peter Schimmelpfennig

Egon Krause
Annemarie Krause
Helene
Martha
Thomas Hoffmann
Alfred Loth
Dr. Peter Schimmelpfennig
Da sieht man streckenweise gern zu, vor allem wegen der starken Darsteller. Zum Beispiel in den Streitgesprächen zwischen Thomas Hoffmann, den Felix Groeser überraschend sensibel anlegt, gewiss ein Machtmensch, aber eher nachdenklich als skrupellos. Alexander Simon spielt den Loth zunächst beherrscht und distanziert. Erst später legt er emotionales Feuer in seine Vorwürfe, soweit der Text ihm das erlaubt. Schön auch die spröden Liebesszenen mit der jüngeren Tochter Helene, deren Verletzbarkeit Maike Knirsch unter burschikosen Posen verbirgt. [...] Jette Steckel inszeniert trocken, nüchtern, auf einer fast leeren Bühne (Bühnenbild: Florian Lösche), die beherrscht wird von einem kreisrunden Podest, das sich dauernd dreht, langsam und quietschend. Bis hier die Tragödie durchschlägt, ist der Ton geradezu heiter, wie bei einer Sitcom. Das eingekaufte Paket, das der alte Krause ins Zimmer wuchtet, ist schrankgroß, bleibt aber immer unausgepackt. Der Karton ist mal Esstisch, mal Ruhebank für den posierenden Firmenchef Thomas.
Da sieht man streckenweise gern zu, vor allem wegen der starken Darsteller. Zum Beispiel in den Streitgesprächen zwischen Thomas Hoffmann, den Felix Groeser überraschend sensibel anlegt, gewiss ein Machtmensch, aber eher nachdenklich als skrupellos. Alexander Simon spielt den Loth zunächst beherrscht und distanziert. Erst später legt er emotionales Feuer in seine Vorwürfe, soweit der Text ihm das erlaubt. Schön auch die spröden Liebesszenen mit der jüngeren Tochter Helene, deren Verletzbarkeit Maike Knirsch unter burschikosen Posen verbirgt. [...]
Regisseurin Jette Steckel macht in der Deutschen Erstaufführung bei den Ruhrfestspielen (die Uraufführung fand in Basel statt) den Zusammenprall der männlichen Protagonisten zum ersten Höhepunkt. Alexander Simon als flammend argumentierender Loth steht am Rand der Scheibe, die sich zweieinhalb Stunden lang sachte dreht, während Felix Goeser als Hoffmann selbstherrlich in der Mitte tafelt. [...]
Interessant, dass Palmetshofer die Figur der Ehefrau Martha neu erschafft: Bei Hauptmann gibt es sie nur indirekt, hier hingegen kokettiert sie mit ihrer Depression und macht das schreckliche Ende der Totgeburt greifbarer. Die kleine Schwester Helene hingegen, von Loth erst geliebt und dann fallengelassen, darf weiterleben. Diese Aneignungen des alten Stücks sind so stimmig und seine kunstvoll rhythmisierte Sprache ist so stark, dass der originale Hauptmann im Vergleich fast museal wirkt. Ewald Palmetshofer hat gründlich aufgeräumt mit den naturalistischen Bestandteilen des Gerhardt-Hauptmann-Stücks „Vor Sonnenaufgang“: So gibt es weder dienende Nebenfiguren noch rustikalen Dialekt. Der österreichische Dramatiker legt aber keineswegs nur eine modernisierte Strichfassung des ursprünglichen Dramas vor, dessen Sozial-Appelle an der Schwelle zum 20. Jahrhundert heute etwas „historisch“ anmuten: Seine Texte, mit denen das Skelett der alten Figuren neues Fleisch bekommt, haben eine dramatische Wucht, auf die sich ein starkes Ensemble mit Wonne stürzen kann.
Regisseurin Jette Steckel macht in der Deutschen Erstaufführung bei den Ruhrfestspielen (die Uraufführung fand in Basel statt) den Zusammenprall der männlichen Protagonisten zum ersten Höhepunkt. Alexander Simon als flammend argumentierender Loth steht am Rand der Scheibe, die sich zweieinhalb Stunden lang sachte dreht, während Felix Goeser als Hoffmann selbstherrlich in der Mitte tafelt. [...]
Interessant, dass Palmetshofer die Figur der Ehefrau Martha neu erschafft: Bei Hauptmann gibt es sie nur indirekt, hier hingegen kokettiert sie mit ihrer Depression und macht das schreckliche Ende der Totgeburt greifbarer. Die kleine Schwester Helene hingegen, von Loth erst geliebt und dann fallengelassen, darf weiterleben. Diese Aneignungen des alten Stücks sind so stimmig und seine kunstvoll rhythmisierte Sprache ist so stark, dass der originale Hauptmann im Vergleich fast museal wirkt.
Nur am Rande und nicht schwerpunktmäßig kapriziert Palmetshofer sich auf Sprachscherze, wie sie seine früheren Texte prägen. In den nächtlichen Debatten zwischen Loth und Hoffmann geht es unzweideutig ans Eingemachte. Loth ironisiert den Aufstieg seines Freundes gegen die "Widerstände", die angeblich "das System" gegen ihn aufgebaut habe. Der von den 68ern kritisch aufgeladene System-Begriff ist zur Rechten abgewandert.
In Passagen wie diesen ist das Stück heutig und brisant. Palmetshofer räumt das Alkohol-Thema fast gänzlich beiseite; Hoffmanns schwangere Frau Martha (Franziska Machens) ist nicht alkoholsüchtig, sondern depressiv. Der Autor hat nicht einmal den Titel geändert, jedoch einige Figuren entschieden aufgewertet. [...]
Palmetshofers Text, mit dem auch das diesjährige Mühlheimer "Stücke"-Festival in einer Baseler Inszenierung eröffnet wurde, kann als Muster einer geglückten Klassiker-Übermalung gelten. [...]
Die gewissermaßen küchenrealistische Verortung der Szenen macht die Regie von Jette Steckel behutsam rückgängig; ein einsames Möbelhaus-Paket (es enthält vielleicht ein Kinderbett) dient als Ess- und Konferenztisch auf einer knirschend rotierenden Drehbühne (entworfen von Florian Lösche). Das Beste sind aber die großartigen Schauspieler des Deutschen Theaters, die ein Gespür dafür entwickeln, wie relevant die hier verhandelten menschlich-politischen Konflikte sich anfühlen. Im Bann der im ausgehenden 19. Jahrhundert grassierenden Vererbungstheorien hat der Naturalist Hauptmann ein Drama geschrieben, wie es düsterer und pessimistischer nicht sein könnte. Spielte man das Stück heute so, wie es auf dem Blatt steht, wäre seine Wirkung immer noch erschütternd, denn es richtet einen eher warmherzigen Blick auf menschliche Ruinen; aber konkrete Bezüge zu heutigen Verhältnissen herzustellen, fiele schwer. Der Österreicher Ewald Palmetshofer, der ein Schauspiel "nach Gerhart Hauptmann" vorlegt, hilft dem heutigen Zuschauer beherzt auf die Sprünge. Er greift dazu aktuelle Debatten auf, namentlich den Konflikt zwischen einem rechts tickenden Neoliberalismus und einem linken Milieu, das alten Idealen treu geblieben ist. Palmetshofer dreht an wenigen entscheidenden Schrauben, um Hauptmanns Personenkonstellation und den Konfliktstoff gleichzeitig zu übernehmen und zu modernisieren. [...]
Nur am Rande und nicht schwerpunktmäßig kapriziert Palmetshofer sich auf Sprachscherze, wie sie seine früheren Texte prägen. In den nächtlichen Debatten zwischen Loth und Hoffmann geht es unzweideutig ans Eingemachte. Loth ironisiert den Aufstieg seines Freundes gegen die "Widerstände", die angeblich "das System" gegen ihn aufgebaut habe. Der von den 68ern kritisch aufgeladene System-Begriff ist zur Rechten abgewandert.
In Passagen wie diesen ist das Stück heutig und brisant. Palmetshofer räumt das Alkohol-Thema fast gänzlich beiseite; Hoffmanns schwangere Frau Martha (Franziska Machens) ist nicht alkoholsüchtig, sondern depressiv. Der Autor hat nicht einmal den Titel geändert, jedoch einige Figuren entschieden aufgewertet. [...]
Palmetshofers Text, mit dem auch das diesjährige Mühlheimer "Stücke"-Festival in einer Baseler Inszenierung eröffnet wurde, kann als Muster einer geglückten Klassiker-Übermalung gelten. [...]
Die gewissermaßen küchenrealistische Verortung der Szenen macht die Regie von Jette Steckel behutsam rückgängig; ein einsames Möbelhaus-Paket (es enthält vielleicht ein Kinderbett) dient als Ess- und Konferenztisch auf einer knirschend rotierenden Drehbühne (entworfen von Florian Lösche). Das Beste sind aber die großartigen Schauspieler des Deutschen Theaters, die ein Gespür dafür entwickeln, wie relevant die hier verhandelten menschlich-politischen Konflikte sich anfühlen.
ein düsteres, zutiefst trauriges Drama über die neue Volkskrankheit Depression. Eine Depression, in der die Freude auf das Kind von der Angst vor der Vererbbarkeit der Krankheit überlagert wird.Diese Depression äußert sich gleich zu Beginn in Sprachlosigkeit. Obwohl genügend Worte fallen: zunächst aus dem Off, dann weiß man nicht, ob die Schauspieler im Playback sprechen oder ob ihre Worte durch das Sound-Design verfremdet werden. Der Beginn wirkt wie ein luzider Alptraum, einsam, depressiv, zukunftspessimistisch. Die Drehbühne dreht sich: Die Figuren sind nicht vollständig selbstbestimmt, sondern teilweise fremden Kräften ausgeliefert. [...]
Familienpatriarch Egon (Michael Goldberg) ertränkt die Schwermut beim „Saufen mit der Unterschicht“ und treibt die mühsam ihren Pragmatismus behauptende Gattin Annemarie (Regine Zimmermann) in die Verzweiflung. Helene, die Maike Knirsch mit einer perfekten Balance zwischen Unbeholfenheit und Fremdheit einerseits und Sehnsucht nach Harmonie und Zärtlichkeit andererseits zu einem heimlichen Zentrum der Aufführung macht, hat einen unauffälligen Auftritt, der die ganze Trostlosigkeit der Familie Krause aufdeckt: Stumm quert sie die konfliktbeladene Szenerie von links nach rechts, und ihre ganze Unbehaustheit wird deutlich. Alfred, der als einziger noch an das Gute im Menschen glaubt, wird zur Projektionsfläche für ihre Liebessehnsucht. [...]
Die Drehbühne wird zur Metapher, Licht- und Sounddesign (die Krähen schreien, die Uhren ticken, kurze musikalische Einspielungen dräuen) geben der Inszenierung ab und zu etwas Künstliches. Das Mehr an Kunstform tut dem Stück gut. Es schärft die Sinne des Zuschauers für die emotionalen Konflikte der Figuren. [...]
Steckels Inszenierung (...) ist aus einem Guss: Zu Beginn ziehen Wolken auf, am Ende herrscht tiefe Düsternis. Palmetshofers Hauptmann-Überschreibung, so scheint es uns nach dem Besuch der Aufführung, ist ein großartiger, sensibler Text geworden. In der Inszenierung des Deutschen Theaters kann von Hoffnung (...) von Anfang an nicht die Rede sein. Sowohl Martha als auch ihr Gatte Thomas (Felix Goeser) lehnen die Schwangerschaft ab. Keine Gelegenheit lässt die herbe, wenig sympathische Martha (schauspielerisch überzeugend: Franziska Machens) aus, um mit Härte, Zynismus und Selbstekel deutlich zu machen, wie unwillkommen ihr Kind ist. [...]
ein düsteres, zutiefst trauriges Drama über die neue Volkskrankheit Depression. Eine Depression, in der die Freude auf das Kind von der Angst vor der Vererbbarkeit der Krankheit überlagert wird.Diese Depression äußert sich gleich zu Beginn in Sprachlosigkeit. Obwohl genügend Worte fallen: zunächst aus dem Off, dann weiß man nicht, ob die Schauspieler im Playback sprechen oder ob ihre Worte durch das Sound-Design verfremdet werden. Der Beginn wirkt wie ein luzider Alptraum, einsam, depressiv, zukunftspessimistisch. Die Drehbühne dreht sich: Die Figuren sind nicht vollständig selbstbestimmt, sondern teilweise fremden Kräften ausgeliefert. [...]
Familienpatriarch Egon (Michael Goldberg) ertränkt die Schwermut beim „Saufen mit der Unterschicht“ und treibt die mühsam ihren Pragmatismus behauptende Gattin Annemarie (Regine Zimmermann) in die Verzweiflung. Helene, die Maike Knirsch mit einer perfekten Balance zwischen Unbeholfenheit und Fremdheit einerseits und Sehnsucht nach Harmonie und Zärtlichkeit andererseits zu einem heimlichen Zentrum der Aufführung macht, hat einen unauffälligen Auftritt, der die ganze Trostlosigkeit der Familie Krause aufdeckt: Stumm quert sie die konfliktbeladene Szenerie von links nach rechts, und ihre ganze Unbehaustheit wird deutlich. Alfred, der als einziger noch an das Gute im Menschen glaubt, wird zur Projektionsfläche für ihre Liebessehnsucht. [...]
Die Drehbühne wird zur Metapher, Licht- und Sounddesign (die Krähen schreien, die Uhren ticken, kurze musikalische Einspielungen dräuen) geben der Inszenierung ab und zu etwas Künstliches. Das Mehr an Kunstform tut dem Stück gut. Es schärft die Sinne des Zuschauers für die emotionalen Konflikte der Figuren. [...]
Steckels Inszenierung (...) ist aus einem Guss: Zu Beginn ziehen Wolken auf, am Ende herrscht tiefe Düsternis. Palmetshofers Hauptmann-Überschreibung, so scheint es uns nach dem Besuch der Aufführung, ist ein großartiger, sensibler Text geworden.
Das Kommando im Haus hat Schwiegersohn Thomas übernommen, Felix Goeser präsentiert ein ganzes Repertoire von Boshaftigkeits-Varianten. [...]
Regine Zimmermann pendelt sehr unterhaltsam zwischen Schnippigkeit und Verletztheit, als Stiefmutter versucht sie, eine Familie zusammenzuhalten, die sich längst vereinzelt hat.
Im Mittelpunkt des Bühnenbildes von Florian Lösche steht eine parkettbedeckte Drehscheibe, die sich in den zweieinhalb pausenlosen Stunden langsam bewegt. Regisseurin Steckel hat das Tragödienhafte des Stoffes durch Einsprengsel wie einen mozartseligen Gesang zum Frühstück etwas abgemildert; relevant bleibt der Abend trotzdem. Palmetshofer verlegt die Handlung in die Gegenwart, sein Stück spielt irgendwo auf dem Land, die Menschen fühlen sich abgehängt und von der Politik nicht ernst genommen. Vertraute Töne in den Tagen nach Chemnitz, nur dass die Gewalt und die Ausbrüche hier auf die Familie beschränkt bleiben, aber stellvertretend für die Gesellschaft stehen. Palmetshofer behält die Hauptmann’sche Grundstruktur bei, die dreifache Tragödie: die vom Untergang einer Familie, die jetzt keine schlesischen Bauern sind, sondern erfolgreich Auto-Karosserieteile produzieren. Die vom verlassenen Mädchen und schließlich die vom Scheitern einer menschheitsbeglückenden Mission. [...]
Das Kommando im Haus hat Schwiegersohn Thomas übernommen, Felix Goeser präsentiert ein ganzes Repertoire von Boshaftigkeits-Varianten. [...]
Regine Zimmermann pendelt sehr unterhaltsam zwischen Schnippigkeit und Verletztheit, als Stiefmutter versucht sie, eine Familie zusammenzuhalten, die sich längst vereinzelt hat.
Im Mittelpunkt des Bühnenbildes von Florian Lösche steht eine parkettbedeckte Drehscheibe, die sich in den zweieinhalb pausenlosen Stunden langsam bewegt. Regisseurin Steckel hat das Tragödienhafte des Stoffes durch Einsprengsel wie einen mozartseligen Gesang zum Frühstück etwas abgemildert; relevant bleibt der Abend trotzdem.
All das rollt in Steckels Inszenierung auf Florian Lösches leerer Drehbühne ab wie auf dem Präsentierteller. Jeder trägt seine Neurosen und jede ihre Befindlichkeiten von Anfang an offen vor sich her. Was sich ändert, ist der Präsentationsmodus. [...] Deutlich gegenwärtig wirkt hier vor allem der politische Konflikt, den der Unternehmer Thomas mit seinem alten Studienkumpel Alfred Loth (Alexander Simon) ausficht. [...]
All das rollt in Steckels Inszenierung auf Florian Lösches leerer Drehbühne ab wie auf dem Präsentierteller. Jeder trägt seine Neurosen und jede ihre Befindlichkeiten von Anfang an offen vor sich her. Was sich ändert, ist der Präsentationsmodus. [...]
Aber da ist ja noch die junge Regisseurin Jette Steckel, die einen starken Sinn für Formen hat. Also Körper statt Worte, Gespenster statt Zeitgenossen? Alles zugleich. Ihr gelingt es, Palmetshofers Wortstrom in ein irritierendes Dazwischen von Geräuschen mit und ohne Bedeutung zu bringen - Digitalisierung, Depression als neuer Volkskrankheit (nur noch der alte Krause säuft) und ein allgegenwärtiger Rechtspopulismus, vor dem sich eine Linke, der es an Phantasie zu eigenem Aufbruch mangelt, gehetzt fühlt. So entsteht hier etwas wie magischer Realismus, der dem Geschehen, trotz aller rabiaten Vergegenwärtigung etwas elegisch Entrücktes gibt. Wir blicken auf eine Familie, in der keiner mit dem anderen leben kann - aber ohne ihn offenbar auch nicht. Das ist der Strudel der Vernichtung, der bei Hauptmann wie bei Palmetshofer kreist. [...]
Unvergesslich an dieser Inszenierung ist vor allem die Courage der Regisseurin, sich auf das zu konzentrieren, was neben dem Wortstrom liegt und von diesem schier begraben wird. So entsteht dann doch eine innere Spannung, ein starker Sog hin zum Abgrund. [...] Und vor welchem Hintergrund inszeniert nun Jette Steckel "Vor Sonnenaufgang"? Vor dem eines tiefen Risses in der Gesellschaft, der Wiederkehr der Feindbilder, wo es wichtiger scheint, sich zu etwas zu bekennen, als darüber nachzudenken, wie man einen fatalen Kulturkampf verfeindeter Lager verhindern kann. [...]
Aber da ist ja noch die junge Regisseurin Jette Steckel, die einen starken Sinn für Formen hat. Also Körper statt Worte, Gespenster statt Zeitgenossen? Alles zugleich. Ihr gelingt es, Palmetshofers Wortstrom in ein irritierendes Dazwischen von Geräuschen mit und ohne Bedeutung zu bringen - Digitalisierung, Depression als neuer Volkskrankheit (nur noch der alte Krause säuft) und ein allgegenwärtiger Rechtspopulismus, vor dem sich eine Linke, der es an Phantasie zu eigenem Aufbruch mangelt, gehetzt fühlt. So entsteht hier etwas wie magischer Realismus, der dem Geschehen, trotz aller rabiaten Vergegenwärtigung etwas elegisch Entrücktes gibt. Wir blicken auf eine Familie, in der keiner mit dem anderen leben kann - aber ohne ihn offenbar auch nicht. Das ist der Strudel der Vernichtung, der bei Hauptmann wie bei Palmetshofer kreist. [...]
Unvergesslich an dieser Inszenierung ist vor allem die Courage der Regisseurin, sich auf das zu konzentrieren, was neben dem Wortstrom liegt und von diesem schier begraben wird. So entsteht dann doch eine innere Spannung, ein starker Sog hin zum Abgrund. [...]
Der anhaltend freundliche Premierenbeifall galt den Schauspielern und dem Inszenierungsteam. Zu Recht. Die ideenreiche Jette Steckel, die ihren Schauspielern auf der sich in Permanenz bewegenden Drehbühne im wahrsten Sinne des Wortes viel Spielraum lässt, findet für die allein gelassene Helene (Maike Knirsch) ein großartiges Schlussbild. [...]
Der anhaltend freundliche Premierenbeifall galt den Schauspielern und dem Inszenierungsteam. Zu Recht.