
F: Wenn ich dazu mal etwas sagen dürfte... Eine Sache, auf die ich mich immer verlassen kann, ist, dass ich mich schäme. Darauf kann ich mich immer verlassen. Ja, und das war's auch schon.
B: Was soll das denn heißen? "Juristischer fotografischer Realismus"?
K: Im Gegensatz dazu, wie 'Sichtbarkeit' gerade diskutiert wird, müsste es vielmehr darum gehen, dass Frauen genauso unsichtbar sind wie weiße Männer. Dass überhaupt alles Markierte undeutlich sein kann. Um eine optische Politik müsste es gehen, die das alles in das Dunkle zieht, raus aus der Erhellung, in die Nicht-Transparenz. Auf einer besseren Darstellung der Welt müsste man beharren, die sich nicht in der Suche nach Repräsentation erschöpft. In einem Regime der Überdeutlichkeit, der Erhellung, des Realismus also, ist der weiße Mann ja unsichtbar. Es gibt einen Blick, der bestrebt ist, zu repräsentieren, und zugleich der Repräsentation zu entgehen, und der will auch die vollkommen transparente Vermittlung der Welt. Aber gegen die Gefräßigkeit des Auges ginge es ja gerade darum, 'nicht sichtbar' zu sein.
A: Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit sind nie symmetrisch. Das Privileg liegt eindeutig bei der Unsichtbarkeit. Man müsste so unsichtbar sein wie die weißen Typen. Und wenn Sichtbarkeit was wert wäre, wäre ich wirklich dabei. Aber es geht eher darum: unsichtbar sein wie weiße Typen. Ja, und natürlich versteh ich auch, dass 'Sichtbarkeit' sein muss, dass eine Haltung zugunsten des Sichtbarmachens in kritischer Absicht erfolgen muss, um für Gleichheit einzutreten, aber die dem ganzen zu Grunde liegende Asymmetrie bleibt leider bestehen.
B: Beim Film lässt sich beobachten, dass die meisten, die über ihn nachdenken entweder an die Bewegung glauben und das Bild übergehen, oder am Bild festhalten und die Bewegung übergehen. Sie berücksichtigen dann nicht den Film, der zum Beispiel, wie etwa beim Kinematographen 50 Prozent dessen, was beim Schauen vor den Augen liegt, im Unsichtbaren belässt. Und darum müsste es vielleicht gehen... Ich würde mich gerne im Unsichtbaren lassen. Wie etwa jemand, der versucht illegal eine Grenze zu passieren. Wie jemand, der nicht gesehen werden will, weil es eine Herrschaft der Transparenz gibt, der Beleuchtung, des Erhellens. Die vor allem die betreiben, die nicht gesehen werden. Ich werde gesehen, und will unsichtbar bleiben. Repräsentation ist ja das, was seine eigene Grenze definiert. Und Figuren der Flucht, versuchen das Ziehen einer Grenze zu unterlaufen. Repräsentation versucht immer die Grenzen zu sichern. Das ist genau, was es bedeutet.
Black Maria. So nannte man das 1893 gebaute erste Filmstudio der Welt. Das Schwarz der Dachpappe, aus der es gebaut war, und seine Enge erinnerte an die schwarz lackierten Gefangenentransporter, lahme Pferdekutschen, die man "Black Maria" nannte nach dem damals berühmtesten Rennpferd. Das Haus stand auf Rollen, denn sein Dach, das man öffnen und schließen konnte, folgte der Sonne.
Mit Bildern aus dem Tannhäuser Tor Zyklus des Malers und Zeichners Alekos Hofstetter. Wir danken den Kostümwerkstätten der Salzburger Festspiele für die Leihgabe der Spiegelanzüge.
B: Was soll das denn heißen? "Juristischer fotografischer Realismus"?
K: Im Gegensatz dazu, wie 'Sichtbarkeit' gerade diskutiert wird, müsste es vielmehr darum gehen, dass Frauen genauso unsichtbar sind wie weiße Männer. Dass überhaupt alles Markierte undeutlich sein kann. Um eine optische Politik müsste es gehen, die das alles in das Dunkle zieht, raus aus der Erhellung, in die Nicht-Transparenz. Auf einer besseren Darstellung der Welt müsste man beharren, die sich nicht in der Suche nach Repräsentation erschöpft. In einem Regime der Überdeutlichkeit, der Erhellung, des Realismus also, ist der weiße Mann ja unsichtbar. Es gibt einen Blick, der bestrebt ist, zu repräsentieren, und zugleich der Repräsentation zu entgehen, und der will auch die vollkommen transparente Vermittlung der Welt. Aber gegen die Gefräßigkeit des Auges ginge es ja gerade darum, 'nicht sichtbar' zu sein.
A: Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit sind nie symmetrisch. Das Privileg liegt eindeutig bei der Unsichtbarkeit. Man müsste so unsichtbar sein wie die weißen Typen. Und wenn Sichtbarkeit was wert wäre, wäre ich wirklich dabei. Aber es geht eher darum: unsichtbar sein wie weiße Typen. Ja, und natürlich versteh ich auch, dass 'Sichtbarkeit' sein muss, dass eine Haltung zugunsten des Sichtbarmachens in kritischer Absicht erfolgen muss, um für Gleichheit einzutreten, aber die dem ganzen zu Grunde liegende Asymmetrie bleibt leider bestehen.
B: Beim Film lässt sich beobachten, dass die meisten, die über ihn nachdenken entweder an die Bewegung glauben und das Bild übergehen, oder am Bild festhalten und die Bewegung übergehen. Sie berücksichtigen dann nicht den Film, der zum Beispiel, wie etwa beim Kinematographen 50 Prozent dessen, was beim Schauen vor den Augen liegt, im Unsichtbaren belässt. Und darum müsste es vielleicht gehen... Ich würde mich gerne im Unsichtbaren lassen. Wie etwa jemand, der versucht illegal eine Grenze zu passieren. Wie jemand, der nicht gesehen werden will, weil es eine Herrschaft der Transparenz gibt, der Beleuchtung, des Erhellens. Die vor allem die betreiben, die nicht gesehen werden. Ich werde gesehen, und will unsichtbar bleiben. Repräsentation ist ja das, was seine eigene Grenze definiert. Und Figuren der Flucht, versuchen das Ziehen einer Grenze zu unterlaufen. Repräsentation versucht immer die Grenzen zu sichern. Das ist genau, was es bedeutet.
Black Maria. So nannte man das 1893 gebaute erste Filmstudio der Welt. Das Schwarz der Dachpappe, aus der es gebaut war, und seine Enge erinnerte an die schwarz lackierten Gefangenentransporter, lahme Pferdekutschen, die man "Black Maria" nannte nach dem damals berühmtesten Rennpferd. Das Haus stand auf Rollen, denn sein Dach, das man öffnen und schließen konnte, folgte der Sonne.
Mit Bildern aus dem Tannhäuser Tor Zyklus des Malers und Zeichners Alekos Hofstetter. Wir danken den Kostümwerkstätten der Salzburger Festspiele für die Leihgabe der Spiegelanzüge.
Regie René Pollesch
Bühne und Kostüme Nina von Mechow
Video Ute Schall
Live-Kamera Ute Schall, Hannes Francke
Tonangler Dorian Sorg, Arseniy Kogan
Licht Marco Scherle
Animation Luis Krawen
Dramaturgie Juliane Koepp
Uraufführung
30. Januar 2019, Kammerspiele
30. Januar 2019, Kammerspiele
Franz Beil
Benjamin Lillie

Astrid Meyerfeldt

Jeremy Mockridge

Katrin Wichmann

Zum letzten Mal
20. Juni 2023 20.30 - 22.10
Karten
Karten & Preise
Preisgruppe | Regulär |
---|---|
Preisgruppe 1 | 30,00 € |
Preisgruppe 2 | 23,00 € |
Karten für Schüler_innen und Studierende: DT/Kammerspiele 9 €; Box/Saal 8 bzw. 6 €
Überhaupt setzt Pollesch auf produktive Unklarheit und stellt zahlreiche aktuelle Theaterdiskurse mit maliziöser Rasanz auf den Kopf [...]
Viel komplizierter Text geht da aufs Publikum nieder, aber auch einige herrliche Diskurs-Entkrampfungen, irrlichternder, subversiver Witz und ein vor Charme und Wärme geradezu vibrierendes Darsteller-Quintett. [...]
"Black Maria" ist eine furiose Liebeserklärung an die Kunst der Uneindeutigkeit, ein vor jeder selbstgerechten Besserwisserei gefeites Debattiertheater, das bei geöffnetem Dach künstliches Licht einfängt und komplexe Gedanken, Geschwätz und Humor und einen unerschütterlichen, belebenden, fröhlich stimmenden Widerspruchsgeist. Franz Beil, Benjamin Lillie, Astrid Meyerfeldt, Jeremy Mockridge und Katrin Wichmann steigern sich mit Verve in die an Deleuze, Donna Haraway und andere Theoretiker angelehnten Diskussionen – mitsamt einer Philosophie des filmischen Anschlussfehlers, bei dem zum Beispiel die Zigaretten der Schauspieler nach dem Schnitt weniger weit aufgeraucht sind als vorher. Eine Metapher für ein Leben, das sich nie so entwickelt wie man es erwarten würde, das Lücken und Verluste aufreißt und in dessen Verlauf nur weniges verständlicher wird.
Überhaupt setzt Pollesch auf produktive Unklarheit und stellt zahlreiche aktuelle Theaterdiskurse mit maliziöser Rasanz auf den Kopf [...]
Viel komplizierter Text geht da aufs Publikum nieder, aber auch einige herrliche Diskurs-Entkrampfungen, irrlichternder, subversiver Witz und ein vor Charme und Wärme geradezu vibrierendes Darsteller-Quintett. [...]
"Black Maria" ist eine furiose Liebeserklärung an die Kunst der Uneindeutigkeit, ein vor jeder selbstgerechten Besserwisserei gefeites Debattiertheater, das bei geöffnetem Dach künstliches Licht einfängt und komplexe Gedanken, Geschwätz und Humor und einen unerschütterlichen, belebenden, fröhlich stimmenden Widerspruchsgeist.
Also stolpern die vier bestens aufgelegten Schauspieler Astrid Meyerfeldt, Katrin Wichmann, Franz Beil und Benjamin Lillie mit ihren hochbeschleunigten Gedanken und weiß geschminkten Stummfilmgesichtern durch die Filmfrühgeschichte, zeigen in gespielten Witzen, was ein Anschlussfehler ist, und sind gleich mittendrin in Frageknäueln von Sichtbarkeit und Bilderproduktion. Astrid Meyerfeldt, die große Herbe, die der alten Volksbühne ihre rare Mischung aus schauspielerischer Rabiatheit, trockenster Komik und Momenten zarter Empfindsamkeit geschenkt hat, spielt einen Trapper, der nach Alaska aufbricht, um Gold zu suchen. Aber wenn Meyerfeldt Sätze wie aus alten Goldrausch-Filmen sagt, denkt man bei "Alaska" natürlich an Lou Reeds "It's so cold in Alaska", also an die Kälte der gesellschaftlichen Verhältnisse. Und bei dem Gold, das dieser Trapper sucht, denkt man natürlich an Liebe.
Katrin Wichmann sagt mit größter Glamour-Lässigkeit lauter Sätze, die man sofort mitschreiben und nie wieder vergessen will: "Das Leben variiert seine Attacken." Oder: "Ernsthaftigkeit ist doch die Tarnung der Trottel." [...]
Zu den vielen guten Witzen des Abends gehört ein Gruß an die sanft entschlafene Postdramatik: "Das Drama wurde durchdekliniert bis zur Weltlosigkeit." Polleschs Performer freuen sich am gar nicht genug zu begrüßenden Knacks in der Schüssel wie der Seele ("Am Anfang war der Knacks"), offenbar eine Hommage an den Philosophen Deleuze und seinen berühmten "Knacks"-Essay. Die Bühnen- und Kostümbildnerin Nina von Mechow beschert den Darstellern irre Bigger-than-Life-Glamour-Kostüme aus dem Stil-Fundus bester Hollywood-Ausstattungskünste – vom eleganten, eng anliegenden, mit glitzernden Blumen verzierten Vamp-Dress, ein Kleid wie eine Waffe, bis zum rustikalen Trapper-Outfit. Auf die eigentlich viel zu kleine Bühne der Kammerspiele im Deutschen Theater hat sie ein verwinkeltes, fensterloses Haus mit aufklappbarem Dach und nietenverzierten Außenwänden aus Teerpappe gesetzt. Aber es ist natürlich kein Haus, sondern das erste Filmstudio der Welt, in dem 1893 mit kurzen Filmen die dominierende Kunst des 20. Jahrhunderts ihre Anfänge nahm.
Also stolpern die vier bestens aufgelegten Schauspieler Astrid Meyerfeldt, Katrin Wichmann, Franz Beil und Benjamin Lillie mit ihren hochbeschleunigten Gedanken und weiß geschminkten Stummfilmgesichtern durch die Filmfrühgeschichte, zeigen in gespielten Witzen, was ein Anschlussfehler ist, und sind gleich mittendrin in Frageknäueln von Sichtbarkeit und Bilderproduktion. Astrid Meyerfeldt, die große Herbe, die der alten Volksbühne ihre rare Mischung aus schauspielerischer Rabiatheit, trockenster Komik und Momenten zarter Empfindsamkeit geschenkt hat, spielt einen Trapper, der nach Alaska aufbricht, um Gold zu suchen. Aber wenn Meyerfeldt Sätze wie aus alten Goldrausch-Filmen sagt, denkt man bei "Alaska" natürlich an Lou Reeds "It's so cold in Alaska", also an die Kälte der gesellschaftlichen Verhältnisse. Und bei dem Gold, das dieser Trapper sucht, denkt man natürlich an Liebe.
Katrin Wichmann sagt mit größter Glamour-Lässigkeit lauter Sätze, die man sofort mitschreiben und nie wieder vergessen will: "Das Leben variiert seine Attacken." Oder: "Ernsthaftigkeit ist doch die Tarnung der Trottel." [...]
Zu den vielen guten Witzen des Abends gehört ein Gruß an die sanft entschlafene Postdramatik: "Das Drama wurde durchdekliniert bis zur Weltlosigkeit." Polleschs Performer freuen sich am gar nicht genug zu begrüßenden Knacks in der Schüssel wie der Seele ("Am Anfang war der Knacks"), offenbar eine Hommage an den Philosophen Deleuze und seinen berühmten "Knacks"-Essay.
Und schon purzeln die Metaphern: Die in Film geronnene Zeit, belichtete Wirklichkeit, Sichtbarkeit und Transparenz, Spiel und Leben, Identität und Projektion, Besonderheit und Repräsentation, Semiotik und Sex. [...]
Astrid Meyerfeldt ist mal wieder in Berlin: Ihre Westernheldin ist bestens bewaffnet, aber zugleich sehr zutraulich, was die Konsistenz der Wirklichkeit angeht. Bald versteht sie, die doch eigentlich nur auf der Suche nach Gold (oder erst einmal nach einem Drink) ist, die Welt nicht mehr. Diese grundsolide und aufgeräumte Ich-hab’s-gleich-Begriffsstutzigkeit macht sie zur ersten Identifikationsfigur im Kader. Aber auch der Druckkesselschönling Franz Beil lässt uns an seiner etwas spezielleren Not teilhaben: Seine Erscheinung weist ihn, was immer er auch tut, als Zivilpolizisten aus, sodass selbst Geneigte und Freunde keinen vertrauensvollen Kontakt zu seinem Wesen herstellen können. [...]
Die drei DT-Ensemblemitglieder mithin ausgewiesen mittelsichere Verwandlungs- und Figurenschauspieler Katrin Wichmann, Benjamin Lillie und Jeremy Mockridge schlüpfen mit ungeahnter Coolness in den Pollesch-Modus. Dass sie nicht auf die konkrete und festgelegte Kenntlichkeit der Pollesch-Stars Martin Wuttke oder Sophie Rois zurückgreifen können, öffnet die Inszenierung, schafft neue Zugänge zu dem eigentlich hermetischen Theaterkosmos.
Insofern ist die Umtopfung Polleschs, sein schmerzliches Herausgerissensein aus dem aber ja auch so krisen- und routineanfälligen Volksbühnenzusammenhang und sein zumindest örtliches Angebundenwerden an die funktionsfreudige Reinhardt-Traditionsbühne eine produktive Verunsicherung. Schon dass "Black Maria" mit knapp zwei Stunden das wohl längste Pollesch-Stück der Geschichte ist, könnte ein Symptom für den unerschrockenen Schritt auf eine neue Erkenntnisstufe sein. Es ist nur nicht ganz klar, ob diese Stufe hinauf- oder hinabführt, aus der Einsamkeit heraus oder tiefer hinein, ob sie Trost oder Verdammnis bedeutet. Hauptsache − und das ist wirklich wichtig − Hauptsache die Laune stimmt. In "Black Maria" [...] geht es in einer äußeren Sphäre um das erste Filmstudio der Welt, wir schreiben das Jahr 1893. Benannt nach einem verfinsterten Gefängnistransporter besteht diese "Black Maria" in einer bühnenfüllenden Hütte aus Teerpappe. Das Dach lässt sich aufklappen, sodass mit der Sonne stets ein Tageslichtscheinwerfer zur Verfügung steht, der über die für das damalige, wenig lichtempfindliche Material nötige Stärke verfügt. Wie ein Trabant folgt das drehbare Studio dem Sonnenstand, sodass das Licht stets im anschlusskorrekten Winkel einfällt. Wolken denken wir uns weg.
Und schon purzeln die Metaphern: Die in Film geronnene Zeit, belichtete Wirklichkeit, Sichtbarkeit und Transparenz, Spiel und Leben, Identität und Projektion, Besonderheit und Repräsentation, Semiotik und Sex. [...]
Astrid Meyerfeldt ist mal wieder in Berlin: Ihre Westernheldin ist bestens bewaffnet, aber zugleich sehr zutraulich, was die Konsistenz der Wirklichkeit angeht. Bald versteht sie, die doch eigentlich nur auf der Suche nach Gold (oder erst einmal nach einem Drink) ist, die Welt nicht mehr. Diese grundsolide und aufgeräumte Ich-hab’s-gleich-Begriffsstutzigkeit macht sie zur ersten Identifikationsfigur im Kader. Aber auch der Druckkesselschönling Franz Beil lässt uns an seiner etwas spezielleren Not teilhaben: Seine Erscheinung weist ihn, was immer er auch tut, als Zivilpolizisten aus, sodass selbst Geneigte und Freunde keinen vertrauensvollen Kontakt zu seinem Wesen herstellen können. [...]
Die drei DT-Ensemblemitglieder mithin ausgewiesen mittelsichere Verwandlungs- und Figurenschauspieler Katrin Wichmann, Benjamin Lillie und Jeremy Mockridge schlüpfen mit ungeahnter Coolness in den Pollesch-Modus. Dass sie nicht auf die konkrete und festgelegte Kenntlichkeit der Pollesch-Stars Martin Wuttke oder Sophie Rois zurückgreifen können, öffnet die Inszenierung, schafft neue Zugänge zu dem eigentlich hermetischen Theaterkosmos.
Insofern ist die Umtopfung Polleschs, sein schmerzliches Herausgerissensein aus dem aber ja auch so krisen- und routineanfälligen Volksbühnenzusammenhang und sein zumindest örtliches Angebundenwerden an die funktionsfreudige Reinhardt-Traditionsbühne eine produktive Verunsicherung. Schon dass "Black Maria" mit knapp zwei Stunden das wohl längste Pollesch-Stück der Geschichte ist, könnte ein Symptom für den unerschrockenen Schritt auf eine neue Erkenntnisstufe sein. Es ist nur nicht ganz klar, ob diese Stufe hinauf- oder hinabführt, aus der Einsamkeit heraus oder tiefer hinein, ob sie Trost oder Verdammnis bedeutet. Hauptsache − und das ist wirklich wichtig − Hauptsache die Laune stimmt.
Franz Beil, Astrid Meyerfeldt und Katrin Wichmann, bestens Pollesch-erprobt, treffen hier auf Benjamin Lillie und Jeremy Mockridge aus dem DT-Ensemble. Vor allem Lillie ist mit seiner oberlehrerhaften Ironie und schlaksigen Gestikulation ein Performance-Naturtalent. Franz Beil gibt hier den begriffsstutzigen Schönling, Astrid Meyerfeldt den labernden Goldgräber mit großen Kulleraugen, Katrin Wichmann die Saloon-Lady, die ihre Sätze abfeuert wie ein Sturmgewehr. Ein ungeheuer lustiges, erfrischendes Zusammenspiel. [...]
Hier wird mehr gepumpt, gequasselt, philosopiert, gewettert und brilliert – es geht mal wieder um etwas. Pollesch widerspricht einmal mehr dem großen Trend (im Theater wie im Leben) hin zum Authentischen. Ein Abend gegen das Repräsentationstheater. Frei ist, wer viele Rollen annehmen kann, wer nicht festgelegt wird. Genauso ist es ein Abend gegen den Realismus und das große Drama. Der kleine Knacks, so Pollesch, kommt dem Leben doch viel näher als die große Tragödie. Als running-gag zieht sich der sogenannte "Anschlussfehler" durch die Inszenierung, etwa, wenn im Film in der ersten Szene die Zigarette kürzer ist als in der zweiten. Eine schöne Metapher – für die Liebe, das Leben und für den sonstigen Murks, der einem täglich begegnet. Film, seine Geschichte, seine Philosophie, seine Mittel bilden die Klammer des Abends. Astrid Meyerfeldt etwa stapft mit Gewehr ums Haus und erzählt von Goldgräbern, dazu dröhnt pathetische Westernmusik. Später wird ein Trailer abgespielt, der an den Vorspann früher James-Bond-Filmen erinnert. Inhaltlich dient diese konstante Debatte über Licht und Rollen als Sinnbild für die Frage nach Sichtbarkeit und Repräsentation: im Film, auf der Bühne – aber auch im wirklichen Leben. [...]
Franz Beil, Astrid Meyerfeldt und Katrin Wichmann, bestens Pollesch-erprobt, treffen hier auf Benjamin Lillie und Jeremy Mockridge aus dem DT-Ensemble. Vor allem Lillie ist mit seiner oberlehrerhaften Ironie und schlaksigen Gestikulation ein Performance-Naturtalent. Franz Beil gibt hier den begriffsstutzigen Schönling, Astrid Meyerfeldt den labernden Goldgräber mit großen Kulleraugen, Katrin Wichmann die Saloon-Lady, die ihre Sätze abfeuert wie ein Sturmgewehr. Ein ungeheuer lustiges, erfrischendes Zusammenspiel. [...]
Hier wird mehr gepumpt, gequasselt, philosopiert, gewettert und brilliert – es geht mal wieder um etwas. Pollesch widerspricht einmal mehr dem großen Trend (im Theater wie im Leben) hin zum Authentischen. Ein Abend gegen das Repräsentationstheater. Frei ist, wer viele Rollen annehmen kann, wer nicht festgelegt wird. Genauso ist es ein Abend gegen den Realismus und das große Drama. Der kleine Knacks, so Pollesch, kommt dem Leben doch viel näher als die große Tragödie. Als running-gag zieht sich der sogenannte "Anschlussfehler" durch die Inszenierung, etwa, wenn im Film in der ersten Szene die Zigarette kürzer ist als in der zweiten. Eine schöne Metapher – für die Liebe, das Leben und für den sonstigen Murks, der einem täglich begegnet.
Sofort ist er wieder da, der typische Pollesch-Sound: die komplizierten, theoriedurchzogenen, aus- und abschweifenden und dabei hochkomischen und absolut gegenwärtigen Gespräche und Gesprächs-Parodien. [...]
Aber worum geht es denn nun eigentlich an diesem Abend? Das ist, wie so oft bei Pollesch, nicht leicht zu beantworten. Leitmotiv ist das Haus, die titelgebende "Black Maria". So hieß das erste Filmstudio der Welt in den 1890er Jahren: ein Haus auf Rädern und mit Dachluke, das sich nach der Sonne richten ließ. [...]
Die Debatten gehen dabei weiter, in gedanklichen Winkelschlägen und Querbezügen, unter anderem zu Lars von Trier und Platon. Diese Bezüge lassen sich im Detail beim Sehen kaum begreifen und im Nachhinein nicht annähernd so federleicht beschreiben, wie sie in Polleschs Text voranfließen und wie sie von diesem hochkomischen Ensemble dargeboten werden. [...]
Film ist folgerichtig nicht nur Thema, sondern auch Mittel der Inszenierung: Was im Haus passiert, wird größtenteils auf die Fassade oder eine davor heruntergelassene Leinwand projiziert. So diskutieren sich die fünf mal drinnen, mal draußen in ständiger Bewegung von einer Idee zur nächsten, greifen dabei immer wieder fallen gelassen geglaubte Themen wieder auf, drehen sich im Kreis und kommen doch irgendwie gedanklich voran. Wenn sich dann noch zu dramatischer Filmmusik die Black Maria dreht und die Scheinwerfersonne erst das Publikum und dann wieder das Maria-Innere erleuchtet, kommt dieser Abend dem perfekten Pollesch-Stück verdammt nahe. "Black Maria" ist ein typisch verwinkelter, sehr komischer und fast perfekt gespielter Abend über die Frühgeschichte des Films - und natürlich über sehr viel mehr. [...]
Sofort ist er wieder da, der typische Pollesch-Sound: die komplizierten, theoriedurchzogenen, aus- und abschweifenden und dabei hochkomischen und absolut gegenwärtigen Gespräche und Gesprächs-Parodien. [...]
Aber worum geht es denn nun eigentlich an diesem Abend? Das ist, wie so oft bei Pollesch, nicht leicht zu beantworten. Leitmotiv ist das Haus, die titelgebende "Black Maria". So hieß das erste Filmstudio der Welt in den 1890er Jahren: ein Haus auf Rädern und mit Dachluke, das sich nach der Sonne richten ließ. [...]
Die Debatten gehen dabei weiter, in gedanklichen Winkelschlägen und Querbezügen, unter anderem zu Lars von Trier und Platon. Diese Bezüge lassen sich im Detail beim Sehen kaum begreifen und im Nachhinein nicht annähernd so federleicht beschreiben, wie sie in Polleschs Text voranfließen und wie sie von diesem hochkomischen Ensemble dargeboten werden. [...]
Film ist folgerichtig nicht nur Thema, sondern auch Mittel der Inszenierung: Was im Haus passiert, wird größtenteils auf die Fassade oder eine davor heruntergelassene Leinwand projiziert. So diskutieren sich die fünf mal drinnen, mal draußen in ständiger Bewegung von einer Idee zur nächsten, greifen dabei immer wieder fallen gelassen geglaubte Themen wieder auf, drehen sich im Kreis und kommen doch irgendwie gedanklich voran. Wenn sich dann noch zu dramatischer Filmmusik die Black Maria dreht und die Scheinwerfersonne erst das Publikum und dann wieder das Maria-Innere erleuchtet, kommt dieser Abend dem perfekten Pollesch-Stück verdammt nahe.
So brilliert Franz Beil als gestikulierender, begriffsstutziger Hilfspolizist im schwarzweißen Kostüm. Astrid Meyerfeldt gibt charmant den Cowboy, Benjamin Lillie und Jeremy Mockridge wirken, als ob sie kein Wässerchen trüben könnten, und die Wichmann ist sowieso immer groß [...]. Pollesch bietet in "Black Maria" alles auf, was er draufhat: Wortspiele, Albernheiten, Selbstironie, Verdrehtheit. Schauspieler am Rande des Textwahnsinns. Video, gute Musik, eine Bühne, die was bietet, und die fast legendären Rauchrunden, in denen endlose Textmengen abgelabert werden. [...] Pollesch at its best. [...]
So brilliert Franz Beil als gestikulierender, begriffsstutziger Hilfspolizist im schwarzweißen Kostüm. Astrid Meyerfeldt gibt charmant den Cowboy, Benjamin Lillie und Jeremy Mockridge wirken, als ob sie kein Wässerchen trüben könnten, und die Wichmann ist sowieso immer groß [...].
Wenn also in Polleschs neuem Stück "Black Maria" [...] in knapp zwei Stunden gefühlte 150-mal das Wort "Knacks" fällt, dann könnte sich das auf F. Scott Fitzgeralds "Der Knacks" und Gilles Deleuzes "Porzellan und Vulkan" beziehen [...], aber auch auf einen alltagssprachlich gemeinten Knacks, den jemand oder etwas, ein Schauspieler oder ein Teller zum Beispiel hat.
Der permanente Wechsel dieser Ebenen erzeugt eine Spannung, schafft Erwartungen und kippt durch überraschende Wendungen wieder ins Komische. Plötzlich fehlt der Sinn, der sich vorher so aufdrängte, als man meinte, man wüsste, was das soll und wo man hier steht. Das Vergnügen am Komischen ist wohl nicht weniger als die Freude am freien Fall, bis man auf einer anderen und unerwarteten Ebene wieder Halt und Sinn findet – ein seit Aristophanes wohlerprobtes Mittel des Komischen im Theater.
Die Textschleifen von Pollesch gehorchen gewissermaßen der Definition Henri Bergsons, nach der es zum Lachen reizt, wenn Lebendiges durch etwas Mechanisches überdeckt wird. Und tatsächlich sind es hier die wie mechanisch ablaufenden theoretischen Exkurse, wobei der Umweg freilich das Ziel ist, die im Publikum einen komischen Effekt hervorufen – ganz abgesehen von der mechanischen Schnupftabakmaschine, die Franz Beil bedient. Der hat überhaupt eine Art, die Hände zu schütteln und dabei die Worte wie aus dem Hirn in die Mundhöhle und von dort in den Raum zu pressen, die wirklich außerordentlich komisch ist. Seine Mitspieler Benjamin Lillie, Astrid Meyerfeldt, Jeremy Mockridge und Katrin Wichmann stehen ihm nicht nach. Während sie alle Zigarettenpause machen und einer etwas sagt, stehen die anderen rum, hören zu, wie man so zuhört, gucken, wie man so guckt, manchmal mit Fragezeichen im Gesicht, alles so nebenher.
Wenn dann noch ein paar Pointen gesetzt werden, die zum Merken und Weitererzählen einladen [...] und eine Verkleidungs- und Verwandlungsorgie geradezu elisabethanischen Ausmaßes mit Hüten und Perücken persifliert wird, dann stellt sich große Heiterkeit im theateraffinen Publikum ein. Die Theaterabende von René Pollesch haben einen sehr besonderen Stil. Sie zeigen die Handlung des Denkens selbst, Mimesis an Theorie und Popkultur. [...]
Wenn also in Polleschs neuem Stück "Black Maria" [...] in knapp zwei Stunden gefühlte 150-mal das Wort "Knacks" fällt, dann könnte sich das auf F. Scott Fitzgeralds "Der Knacks" und Gilles Deleuzes "Porzellan und Vulkan" beziehen [...], aber auch auf einen alltagssprachlich gemeinten Knacks, den jemand oder etwas, ein Schauspieler oder ein Teller zum Beispiel hat.
Der permanente Wechsel dieser Ebenen erzeugt eine Spannung, schafft Erwartungen und kippt durch überraschende Wendungen wieder ins Komische. Plötzlich fehlt der Sinn, der sich vorher so aufdrängte, als man meinte, man wüsste, was das soll und wo man hier steht. Das Vergnügen am Komischen ist wohl nicht weniger als die Freude am freien Fall, bis man auf einer anderen und unerwarteten Ebene wieder Halt und Sinn findet – ein seit Aristophanes wohlerprobtes Mittel des Komischen im Theater.
Die Textschleifen von Pollesch gehorchen gewissermaßen der Definition Henri Bergsons, nach der es zum Lachen reizt, wenn Lebendiges durch etwas Mechanisches überdeckt wird. Und tatsächlich sind es hier die wie mechanisch ablaufenden theoretischen Exkurse, wobei der Umweg freilich das Ziel ist, die im Publikum einen komischen Effekt hervorufen – ganz abgesehen von der mechanischen Schnupftabakmaschine, die Franz Beil bedient. Der hat überhaupt eine Art, die Hände zu schütteln und dabei die Worte wie aus dem Hirn in die Mundhöhle und von dort in den Raum zu pressen, die wirklich außerordentlich komisch ist. Seine Mitspieler Benjamin Lillie, Astrid Meyerfeldt, Jeremy Mockridge und Katrin Wichmann stehen ihm nicht nach. Während sie alle Zigarettenpause machen und einer etwas sagt, stehen die anderen rum, hören zu, wie man so zuhört, gucken, wie man so guckt, manchmal mit Fragezeichen im Gesicht, alles so nebenher.
Wenn dann noch ein paar Pointen gesetzt werden, die zum Merken und Weitererzählen einladen [...] und eine Verkleidungs- und Verwandlungsorgie geradezu elisabethanischen Ausmaßes mit Hüten und Perücken persifliert wird, dann stellt sich große Heiterkeit im theateraffinen Publikum ein.