
Oedipus
von Sophokles
nach der Übertragung von Friedrich Hölderlin
eingerichtet von Jürgen Gosch und Wolfgang Wiens
In Theben wütet die Pest und hat die Stadt in eine große Krise gestürzt. Alle Hoffnung liegt auf Machthaber Oedipus, der sich Jahre zuvor schon einmal als Retter in der Not bewiesen hat, woraufhin er zum König ernannt und mit Jokaste, der Witwe des vorherigen Herrschers Lajos, vermählt wurde. Nun ersehnt sich die Bevölkerung von ihm einen Weg heraus aus Übel und Ausnahmezustand. Oedipus schickt seinen Schwager Kreon zum Orakel von Delphi, um Rat zu holen, wie Krankheit und Sterben ein Ende zu machen sei. Den Orakelspruch deutet er im Gespräch mit Kreon als einen Hinweis auf den ungesühnten Mord am vormaligen König Lajos. Öffentlich schwört Oedipus den Fall aufzuklären und belegt den unbekannten Täter mit einem Fluch. Es beginnt die Suche nach einem Sündenbock für die Seuche, welche Oedipus auf die Spuren seiner Identität bringt und ihn letztlich nur auf sich selbst und den eigenen blinden Fleck zurückwirft.
In der nervösen und angsterfüllten Atmosphäre der Pestepidemie, untersucht Sophokles‘ Drama das Menschsein zwischen Herkunft und Zukunft, Schicksal und Selbstbestimmung, Schuld und Wut. Regisseur Ulrich Rasche wirft dabei einen besonderen Blick auf das Macht- und Herrschaftsverständnis, den Spalt zwischen Regierenden und Volk sowie die grundlegenden Fragen an die Demokratie.
eingerichtet von Jürgen Gosch und Wolfgang Wiens
In Theben wütet die Pest und hat die Stadt in eine große Krise gestürzt. Alle Hoffnung liegt auf Machthaber Oedipus, der sich Jahre zuvor schon einmal als Retter in der Not bewiesen hat, woraufhin er zum König ernannt und mit Jokaste, der Witwe des vorherigen Herrschers Lajos, vermählt wurde. Nun ersehnt sich die Bevölkerung von ihm einen Weg heraus aus Übel und Ausnahmezustand. Oedipus schickt seinen Schwager Kreon zum Orakel von Delphi, um Rat zu holen, wie Krankheit und Sterben ein Ende zu machen sei. Den Orakelspruch deutet er im Gespräch mit Kreon als einen Hinweis auf den ungesühnten Mord am vormaligen König Lajos. Öffentlich schwört Oedipus den Fall aufzuklären und belegt den unbekannten Täter mit einem Fluch. Es beginnt die Suche nach einem Sündenbock für die Seuche, welche Oedipus auf die Spuren seiner Identität bringt und ihn letztlich nur auf sich selbst und den eigenen blinden Fleck zurückwirft.
In der nervösen und angsterfüllten Atmosphäre der Pestepidemie, untersucht Sophokles‘ Drama das Menschsein zwischen Herkunft und Zukunft, Schicksal und Selbstbestimmung, Schuld und Wut. Regisseur Ulrich Rasche wirft dabei einen besonderen Blick auf das Macht- und Herrschaftsverständnis, den Spalt zwischen Regierenden und Volk sowie die grundlegenden Fragen an die Demokratie.
Regie / Bühne Ulrich Rasche
Komposition und Musikalische Leitung Nico van Wersch
Chorleitung Toni Jessen
Mitarbeit Bühne Leonie Wolf
Kostüme Clemens Leander
Licht Cornelia Gloth
Ton Marcel Braun, Martin Person, Bernd Schindler, Eric Markert
Dramaturgie David Heiligers
Premiere
28. August 2021
Deutsches Theater
Dauer: 2 Stunden 20 Minuten, keine Pause
28. August 2021
Deutsches Theater
Dauer: 2 Stunden 20 Minuten, keine Pause
Manuel HarderOedipus

Toni JessenChor

Linda PöppelChor

Yannik StöbenerChor
Elias ArensKreon / Chor

Kathleen MorgeneyerTeiresias

Almut ZilcherJokaste

Enno TrebsBote / Chor

Julia WindischbauerHirte / Chor

Carsten BrockerLive-Musik

Katelyn Rose KingLive-Musik

Špela MastnakLive-Musik
Thomsen MerkelLive-Musik

Oedipus
Chor
Kreon / Chor
Teiresias
Jokaste
Bote / Chor
Hirte / Chor
Live-Musik
Außerdem im Spielplan
Zum letzten Mal
Mit englischen Übertiteln
Deutsches Theater
18.00 - 20.30
17.30 Einführung – Saal
Regie: Friederike Drews
Raum 315 – Treffpunkt Haupteingang
20.00 - 21.00
Ausverkauft
Evtl. Restkarten an der Abendkasse
Evtl. Restkarten an der Abendkasse
Hölderlin ins Deutsche übertragenen Sätze entringen. Der gedehnte, druckvolle Vortrag in hohem Ton verstärkt das Manische, Vorwärtsdrängende des antiken Textes, sein um Streit und Drohungen sich drehendes Geschehen.
[...]
Wucht hat dieser Abgesang. Wie immer phantastisch synchron sprechen die von Toni Jessen trainierten Spieler:innen, die im Rhythmus von Text und Musik über die Drehbühne schreiten und ihre Körper im Raum in immer neue Figuren-Konstellationen arrangieren. Farbreiche Klanggebilde entwerfen der Komponist Nico van Wersch und die vier Live-Musiker:innen mit Streichinstrumenten, Schlagwerk und Synthesizern.
[...]
Großartig sind auch die Schauspieler:innen. Zum Beispiel Almut Zilcher, die den rhythmischen Schritten und hochtönenden Sätzen individuelle Schwingungen verleiht, auf ihrem frontal zum Publikum gerichteten Gesicht Momente von Schmerz, Erkenntnis, Schrecken vorüberziehen lässt.
Vornübergebeugt stehen Toni Jessen, Linda Pöppel und Yannik Stöbener als Chor der Thebaner, die Leiber um ihr Zwerchfell gebogen, aus dem sich ihnen die von
Hölderlin ins Deutsche übertragenen Sätze entringen. Der gedehnte, druckvolle Vortrag in hohem Ton verstärkt das Manische, Vorwärtsdrängende des antiken Textes, sein um Streit und Drohungen sich drehendes Geschehen.
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Wucht hat dieser Abgesang. Wie immer phantastisch synchron sprechen die von Toni Jessen trainierten Spieler:innen, die im Rhythmus von Text und Musik über die Drehbühne schreiten und ihre Körper im Raum in immer neue Figuren-Konstellationen arrangieren. Farbreiche Klanggebilde entwerfen der Komponist Nico van Wersch und die vier Live-Musiker:innen mit Streichinstrumenten, Schlagwerk und Synthesizern.
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Großartig sind auch die Schauspieler:innen. Zum Beispiel Almut Zilcher, die den rhythmischen Schritten und hochtönenden Sätzen individuelle Schwingungen verleiht, auf ihrem frontal zum Publikum gerichteten Gesicht Momente von Schmerz, Erkenntnis, Schrecken vorüberziehen lässt.
Dieses Changieren zwischen dem Abstrakten und dem Konkreten, zwischen Prinzip und Figur sieht man in dieser Genauigkeit wirklich selten.
[...]
Für dessen Gesamtgelingen entscheidend mitverantwortlich sind die Kompositionen Nico van Werschs, die ebenso traumwandlerisch wie die Schauspieler der Versuchung zur platten Textillustration widerstehen. Vielmehr erzeugt van Wersch eine komplexe Klangebene als zusätzliche Reibungs- und Kommentarspur, die von den LiveMusikerinnen und Musikern kongenial interpretiert wird.
Der Abend erfordert die große Schauspielkunst, aus den Figuren zwar einerseits markante Charaktere herauszudestillieren, sie dabei aber andererseits nicht (küchen-)psychologisch herunterzudividieren oder pathetisch zu verkitschen: ein schmaler Grat, auf dem neben Harder auch Almut Zilcher als Gattin und Mutter Jokaste sowie Elias Arens als Schwager Kreon oder der Chor in Gestalt von Linda Pöppel, Toni Jessen und Yannick Stöbener beglückend sicher balancieren.
Dieses Changieren zwischen dem Abstrakten und dem Konkreten, zwischen Prinzip und Figur sieht man in dieser Genauigkeit wirklich selten.
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Für dessen Gesamtgelingen entscheidend mitverantwortlich sind die Kompositionen Nico van Werschs, die ebenso traumwandlerisch wie die Schauspieler der Versuchung zur platten Textillustration widerstehen. Vielmehr erzeugt van Wersch eine komplexe Klangebene als zusätzliche Reibungs- und Kommentarspur, die von den LiveMusikerinnen und Musikern kongenial interpretiert wird.
[…]
Oedipus ist der Mörder, nach dem er sucht, selbst Ursache der Katastrophen, die er bekämpft. Dieses anthropologische Grundproblem wäre natürlich auch zu Zeiten von Corona und der Klimakatastrophe ein prima Motor für eine Aktualisierung: Der Mensch, tragisch verstrickt in die Folgen des eigenen Tuns. Aber Ulrich Rasche will keine einfachen Rückkopplungen von antiker Tragödie und aktueller Politik. Er erzählt den Oedipus, im ritualhaft verlangsamtem Larghissimo als Oratorium, als Gesamtkunstwerk aus Poesie, von Hell-Dunkel-Malerei inspiriertem Bildrausch und Klangraum. Für den Oedipus hat der Regisseur und Bühnenbildner das Geschehen in einen schwebend unwirklichen Sphärenraum verlegt. Irgendwie spacy wirkt der gigantische Leuchtring über Köpfen der Akteurinnen und Akteure, später kommt ein zweiter hinzu, ein dritter und schließlich ein vierter. Orionnebel, Saturnringe, bombastische Heiligenscheine, ein landendes Ufo: Man mag allerlei assoziieren zu diesen bildmächtigen, langsam die Farben wechselnden Phänomen über in sanftem Bühnenebel gehüllten Gestalten. Alles führt in eine kosmische Entwirklichung des Geschehens: Oedipus und seine unter Pest und Plagen leidende thebanische Gesellschaft haben ein Problem mit den Göttern und das wird nicht auf der Erde ausgetragen, sondern im Irgendwo schwebenden Raum.
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Oedipus ist der Mörder, nach dem er sucht, selbst Ursache der Katastrophen, die er bekämpft. Dieses anthropologische Grundproblem wäre natürlich auch zu Zeiten von Corona und der Klimakatastrophe ein prima Motor für eine Aktualisierung: Der Mensch, tragisch verstrickt in die Folgen des eigenen Tuns. Aber Ulrich Rasche will keine einfachen Rückkopplungen von antiker Tragödie und aktueller Politik. Er erzählt den Oedipus, im ritualhaft verlangsamtem Larghissimo als Oratorium, als Gesamtkunstwerk aus Poesie, von Hell-Dunkel-Malerei inspiriertem Bildrausch und Klangraum.
Die Exaktheit der rhythmischen und dynamischen Gestaltung, eingebunden in musikalisch treibende, eruptive Crescendi, abgelöst von leisen, spannungsgeladenen Phasen, ist höchst eindrucksvoll. Ein spektakuläres Gesamtkunstwerk aus Theater, Bewegung und Musik - und in jedem Fall ein rhythmischer Rausch.
Formstreng und düster ist Ulrich Rasches Inszenierung von Sophokles Oedipus, die jetzt im Deutschen Theater Premiere feierte. Wobei Friedrich Hölderlins metrisches Versmaß in der Übertragung aus dem Griechischen wie geschaffen ist für Rasches knapp dreistündige theatrale Transformation. Denn der Regisseur verlegt die antike Tragödie nicht einfach anspielungsreich in die Gegenwart. Er kreiert vielmehr einen allgemeingültigen zeitlosen Bühnenklassiker auf leerer Bühne. Vollkommen reduziert, zurückgeworfen auf den Text als Ausgangspunkt. Als Partitur.
Die Exaktheit der rhythmischen und dynamischen Gestaltung, eingebunden in musikalisch treibende, eruptive Crescendi, abgelöst von leisen, spannungsgeladenen Phasen, ist höchst eindrucksvoll. Ein spektakuläres Gesamtkunstwerk aus Theater, Bewegung und Musik - und in jedem Fall ein rhythmischer Rausch.
Stark sind auch die chorischen Szenen des Volkes von Theben. Starke Chöre waren es, mit denen Ulrich Rasche zu Beginn seiner Karriere auf sich aufmerksam gemacht hatte. Bei seinem "Oedipus" stellt das insgesamt glänzende Ensemble in einem kongenialen Setting jetzt eine konzentrierte Atmosphäre her wie vor 2.000 Jahren, als alles anfing mit der demokratischen Kunstform Theater. Verstrickung und Verdammnis des mächtigen Mannes lassen durchaus Parallelen zu Aufstieg und Fall heutiger Herrscher erkennen. Manuel Harder stattet Oedipus erst mit pathetischer Kraft und im Verlauf immer mehr auch mit prophetischer Dünnhäutigkeit aus, bis er am Ende ganz nackt dasteht. Trotz aller Gegenbewegung wird dieses Individuum vom Fluch der Götter getroffen. Geblendet geht Oedipus in die Verdammnis. Obwohl Rasche und sein Ensemble keine platten Aktualitätsmarker setzen – etwa Pest gleich Pandemie - dringen sie doch zu einem Wesenskern des Dramas durch, der uns Heutige berührt.
Stark sind auch die chorischen Szenen des Volkes von Theben. Starke Chöre waren es, mit denen Ulrich Rasche zu Beginn seiner Karriere auf sich aufmerksam gemacht hatte. Bei seinem "Oedipus" stellt das insgesamt glänzende Ensemble in einem kongenialen Setting jetzt eine konzentrierte Atmosphäre her wie vor 2.000 Jahren, als alles anfing mit der demokratischen Kunstform Theater.
Und auch Kathleen Morgeneyer muss erwähnt werden, die den Seher Teiresias spielt. Das Entsetzen über die Weissagung, die von ihr erwartet wird, steht ihr ins Gesicht geschrieben. Sie will Oedipus schonen. Erst als er sie unter Druck setzt, schleudert sie alles heraus. So werden im rauschhaften Bühnengeschehen Geschichten sichtbar – das Individuelle innerhalb der strengen Form. Der Abend dauert drei Stunden, doch die Zeit vergeht wie im Flug. Ulrich Rasche ist eine bildstarke und mitreißende Inszenierung gelungen.
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Rasches Inszenierung wirkt seltsam zeitlos in einer Zeit, in der die Welt mal wieder unterzugehen scheint, und diese Zeitlosigkeit ist auch ihre Stärke. Denn so wie Rasche den Urstoff präsentiert, ist man ganz auf seinen Kern zurückgeworfen, auf einen Menschen, der seinem Schicksal nicht entfliehen kann, egal wie sehr er sich bemüht.
Wie fast der gesamte Abend ist auch er [der Chor] von
den von Nico van Wersch komponierten Klängen eines vierköpfigen Musik-Ensembles unterlegt, das live im Orchestergraben Streichund Zupfinstrumente, Schlagwerk und Synthesizer bedient und damit einen epochalen Sound kreiert, der sich in den besten Momenten in ein Gefühl des überirdischen, alles reinigenden Glücks entlädt.
Die Darsteller sind weniger Charaktere als Transporteure einer Sprache, die rhythmisch ist und artifiziell. Die Sprache folgt dem Takt der Schritte, der Musik. Es wirkt, als werde sie unter großem Leidensdruck hervorgepresst, jedes Wort ein Kraftakt, auf den ein weiterer folgt.
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Rasches Inszenierung wirkt seltsam zeitlos in einer Zeit, in der die Welt mal wieder unterzugehen scheint, und diese Zeitlosigkeit ist auch ihre Stärke. Denn so wie Rasche den Urstoff präsentiert, ist man ganz auf seinen Kern zurückgeworfen, auf einen Menschen, der seinem Schicksal nicht entfliehen kann, egal wie sehr er sich bemüht.
Wie fast der gesamte Abend ist auch er [der Chor] von
den von Nico van Wersch komponierten Klängen eines vierköpfigen Musik-Ensembles unterlegt, das live im Orchestergraben Streichund Zupfinstrumente, Schlagwerk und Synthesizer bedient und damit einen epochalen Sound kreiert, der sich in den besten Momenten in ein Gefühl des überirdischen, alles reinigenden Glücks entlädt.