Transit

von Anna Seghers
Bühne und Kostüme Katharina Kownatzki
Live Musik Tobias Vethake
Dramaturgie Meike Schmitz
Premiere 27. September 2014
Thorsten Hierse
Lorena HandschinMarie
Berliner Zeitung
Ulrich Seidler, 29.09.2014
Thorsten Hierse ist der Erzähler in der DT-Box-Inszenierung von Alexander Riemenschneider. Er sitzt auf einem Stuhl, eine Flasche Rosé neben sich, blickt uns an und entknotet, konzentriert, aber auch abfällig, fast angewidert seine vertrackte Geschichte. Seine Zunge fährt immer wieder zwischen Zahnfleisch und Wange, als fänden sich dort noch lästige Papierkrümel, sein Blick fliegt zur Seite, als müsse er ein Traumbild abschütteln. Er bewältigt nicht nur einen anderthalbstündigen Monolog, sondern vermag es auch, allein über die Konzentration und leichte Duktuswechsel, Figuren hinzutupfen. (...) Und hinten sitzt Tobias Vethake, er zupft Akkorde und drischt Geräusche in die Loop-Maschine, die zur akustischen Hamsterrad-Metapher wird. Mehr braucht ein starker Theaterabend nicht. Thorsten Hierse ist der Erzähler in der DT-Box-Inszenierung von Alexander Riemenschneider. Er sitzt auf einem Stuhl, eine Flasche Rosé neben sich, blickt uns an und entknotet, konzentriert, aber auch abfällig, fast angewidert seine vertrackte Geschichte. Seine Zunge fährt immer wieder zwischen Zahnfleisch und Wange, als fänden sich dort noch lästige Papierkrümel, sein Blick fliegt zur Seite, als müsse er ein Traumbild abschütteln. Er bewältigt nicht nur einen anderthalbstündigen Monolog, sondern vermag es auch, allein über die Konzentration und leichte Duktuswechsel, Figuren hinzutupfen. (...) Und hinten sitzt Tobias Vethake, er zupft Akkorde und drischt Geräusche in die Loop-Maschine, die zur akustischen Hamsterrad-Metapher wird. Mehr braucht ein starker Theaterabend nicht.
Siegener Zeitung
16.05.2017
Die deutsche Schriftstellerin Anna Seghers (1900-1983) gibt in ihrem Roman "Transit" diesem entwurzelten Mann eine Stimme – und es ist in weiten Teilen ihre eigene. Denn auch sie harrte im Marseille der frühen 1940er-Jahre auf die Möglichkeit, nach Südamerika zu gelangen, um mit ihrer Familie den Nazis endgültig zu entkommen. Ihr gelang die Überfahrt über diese magisch gewisperte Route via Martinique, New York und Veracruz nach Mexiko-Stadt, wo sie bis 1947 blieb, um dann nach Deutschland, nach (Ost-)Berlin zurückzukehren.

Ihren sprachlich so dichten Text, der die Sehnsüchte, Verwundungen, das Ver- und das Zerstörte, das zutiefst Menschliche, auch die Brutalität einer Welt, die den Einzelnen in der Masse vergisst, haben Alexander Riemenschneider (Regie), Meike Schmitz (Dramaturgie) und Katharina Kownatzki (Ausstattung) für das Deutsche Theater Berlin auf die Bühne gebracht. Als einen rund anderthalbstündigen Monolog, der mehr ist als das. Denn Thorsten Hierse spielt diese Geschichte derart packend, dass sich beim Zuschauen, Zuhören die Bilder des besetzten Paris, des Gedränges am Hafen, einer urplötzlich gealterten Welt, aber auch der Weite des ersehnten Blicks auf das Meer – bis zum Horizont und weiter – einstellen.

Hierse braucht nicht mehr als den abgewetzten Bistrostuhl, das Glas Rosé in der Hand und den knappen Raum um ihn herum, um eine Vorstellung davon zu geben, was einen Menschen, der sein Zuhause verloren hat und auch innerlich unbehaust geworden ist, ausmacht. Mal schlüpft er in die Rolle eines imaginären Gegenübers, mal wird er zum Echo der "Achtung"-Rufe der Wehrmachtssoldaten, mal zu einem Trichter all des Rufens ("Wer hat mein Kind gesehen?") und Wisperns (über Routen, Dampfer, Destinationen).

Marie, die er zu lieben beginnt, ist von Anfang an da. Sie irrlichtert von hier nach dort auf ihrer vergeblichen Suche nach ihrem Mann, von dem sie sich getrennt hat, den sie aber nun unbedingt braucht, um Wegzukommen aus Europa, fort aus dem alten Leben. Wiebke Mollenhauser gibt dieser mädchenhaft wirkenden Frau etwas Zartes, Zerbrechliches, der Welt Entrücktes. Sie sieht, ohne zu sehen. Ihr Trauma scheint zu stark, als dass sie wahrnehmen könnte, was passiert ist und wer sie tatsächlich liebt. und so resigniert der junge Deutsche, flieht in die hinterste Ecke des Straßencafés. Bleibt. Ohne Perspektive.
Zusätzlich Dramatik in diese ohnehin aufwühlende Handlung bringt Tobias Vethake mit seinen Klangcollagen und wunderschön melancholischen Songs (wie Seidl/Schuberts "Ich wand're fremd von Land zu Land).
Die deutsche Schriftstellerin Anna Seghers (1900-1983) gibt in ihrem Roman "Transit" diesem entwurzelten Mann eine Stimme – und es ist in weiten Teilen ihre eigene. Denn auch sie harrte im Marseille der frühen 1940er-Jahre auf die Möglichkeit, nach Südamerika zu gelangen, um mit ihrer Familie den Nazis endgültig zu entkommen. Ihr gelang die Überfahrt über diese magisch gewisperte Route via Martinique, New York und Veracruz nach Mexiko-Stadt, wo sie bis 1947 blieb, um dann nach Deutschland, nach (Ost-)Berlin zurückzukehren.

Ihren sprachlich so dichten Text, der die Sehnsüchte, Verwundungen, das Ver- und das Zerstörte, das zutiefst Menschliche, auch die Brutalität einer Welt, die den Einzelnen in der Masse vergisst, haben Alexander Riemenschneider (Regie), Meike Schmitz (Dramaturgie) und Katharina Kownatzki (Ausstattung) für das Deutsche Theater Berlin auf die Bühne gebracht. Als einen rund anderthalbstündigen Monolog, der mehr ist als das. Denn Thorsten Hierse spielt diese Geschichte derart packend, dass sich beim Zuschauen, Zuhören die Bilder des besetzten Paris, des Gedränges am Hafen, einer urplötzlich gealterten Welt, aber auch der Weite des ersehnten Blicks auf das Meer – bis zum Horizont und weiter – einstellen.

Hierse braucht nicht mehr als den abgewetzten Bistrostuhl, das Glas Rosé in der Hand und den knappen Raum um ihn herum, um eine Vorstellung davon zu geben, was einen Menschen, der sein Zuhause verloren hat und auch innerlich unbehaust geworden ist, ausmacht. Mal schlüpft er in die Rolle eines imaginären Gegenübers, mal wird er zum Echo der "Achtung"-Rufe der Wehrmachtssoldaten, mal zu einem Trichter all des Rufens ("Wer hat mein Kind gesehen?") und Wisperns (über Routen, Dampfer, Destinationen).

Marie, die er zu lieben beginnt, ist von Anfang an da. Sie irrlichtert von hier nach dort auf ihrer vergeblichen Suche nach ihrem Mann, von dem sie sich getrennt hat, den sie aber nun unbedingt braucht, um Wegzukommen aus Europa, fort aus dem alten Leben. Wiebke Mollenhauser gibt dieser mädchenhaft wirkenden Frau etwas Zartes, Zerbrechliches, der Welt Entrücktes. Sie sieht, ohne zu sehen. Ihr Trauma scheint zu stark, als dass sie wahrnehmen könnte, was passiert ist und wer sie tatsächlich liebt. und so resigniert der junge Deutsche, flieht in die hinterste Ecke des Straßencafés. Bleibt. Ohne Perspektive.
Zusätzlich Dramatik in diese ohnehin aufwühlende Handlung bringt Tobias Vethake mit seinen Klangcollagen und wunderschön melancholischen Songs (wie Seidl/Schuberts "Ich wand're fremd von Land zu Land).

Außerdem im Spielplan

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Zum letzten Mal
Mit englischen Übertiteln
von Sarah Kane
Regie: Ulrich Rasche
Deutsches Theater
18.00 - 20.30
17.30 Einführung – Saal
von Thomas Perle
Regie: András Dömötör
Box
19.30 - 20.35
Zum letzten Mal
Mit englischen Übertiteln
nach August Strindberg
Kammerspiele
20.00 - 21.25
von Yasmina Reza
Ein Abend von und mit Helmut Mooshammer
Regie: Friederike Drews
Raum 315 – Treffpunkt Haupteingang
20.00 - 21.00
Ausverkauft
Evtl. Restkarten an der Abendkasse