
"Ich träumte nie von soviel Glück, als ich noch das hässliche kleine Entlein war."
In den Märchen von Hans Christian Andersen stößt man immer wieder auf Transformationen: Die kleine Meerjungfrau verwandelt sich in einen Menschen, das hässliche Entlein in einen stolzen Schwan. Dass es sich bei diesen Verwandlungen auch um ein maskiertes Spiel mit Geschlechtlichkeit und Sexualität handelt, ist Ausgangspunkt für ein Projekt, das Andersens Märchen den Biografien von Berliner Dragqueens gegenüberstellt. Diese Protagonist_innen des urbanen Nachtlebens machen das Spiel mit Geschlechterrollen zum befreienden Spektakel. Dabei bewegen sie sich an der schillernden Grenze zwischen schamloser Selbstdarstellung und subkulturellem Sendungsbewusstsein. Die Transformation mittels Schminke und Perücken nämlich produziert nicht nur ein neues Ich, sondern damit auch ein neues Selbstbewusstsein. Die so erschaffene Kunstfigur ist der stolze Schwan, in dessen Gestalt sich das hässliche Entlein der Welt stellen kann.
Für seine Inszenierung ugly duckling wurde Bastian Kraft 2019 von Travestie für Deutschland mit dem Ehrenstöckel ausgezeichnet.
Alle Vorstellungen werden mit englischen Übertiteln gezeigt.
Hinweis: In der Vorstellung wird Stroboskop-Licht eingesetzt.
In den Märchen von Hans Christian Andersen stößt man immer wieder auf Transformationen: Die kleine Meerjungfrau verwandelt sich in einen Menschen, das hässliche Entlein in einen stolzen Schwan. Dass es sich bei diesen Verwandlungen auch um ein maskiertes Spiel mit Geschlechtlichkeit und Sexualität handelt, ist Ausgangspunkt für ein Projekt, das Andersens Märchen den Biografien von Berliner Dragqueens gegenüberstellt. Diese Protagonist_innen des urbanen Nachtlebens machen das Spiel mit Geschlechterrollen zum befreienden Spektakel. Dabei bewegen sie sich an der schillernden Grenze zwischen schamloser Selbstdarstellung und subkulturellem Sendungsbewusstsein. Die Transformation mittels Schminke und Perücken nämlich produziert nicht nur ein neues Ich, sondern damit auch ein neues Selbstbewusstsein. Die so erschaffene Kunstfigur ist der stolze Schwan, in dessen Gestalt sich das hässliche Entlein der Welt stellen kann.
Für seine Inszenierung ugly duckling wurde Bastian Kraft 2019 von Travestie für Deutschland mit dem Ehrenstöckel ausgezeichnet.
Alle Vorstellungen werden mit englischen Übertiteln gezeigt.
Hinweis: In der Vorstellung wird Stroboskop-Licht eingesetzt.
Regie Bastian Kraft
Bühne / Video Peter Baur
Kostüme Jelena Miletić
Musik Romain Frequency
Licht Thomas Langguth
Dramaturgie Ulrich Beck
Uraufführung
25. April 2019, Kammerspiele
Dauer: 1 Stunde 55 Minuten
25. April 2019, Kammerspiele
Dauer: 1 Stunde 55 Minuten
Jade Pearl Baker

Gérôme Castell

Judy LaDivina

Helmut Mooshammer

Caner Sunar

Regine Zimmermann

Mit englischen Übertiteln
13. Juni 2023 20.00 - 21.55
Karten
Karten & Preise
Preisgruppe | Regulär |
---|---|
Preisgruppe 1 | 25,00 € |
Preisgruppe 2 | 19,00 € |
Karten für Schüler_innen und Studierende: DT/Kammerspiele 9 €; Box/Saal 8 bzw. 6 €
Kraft bringt die drei Drag Queens mit Helmut Mooshammer, Caner Sunar und Regine Zimmermann aus dem Ensemble des DT zusammen und schickt sie durch eine Stückentwicklung, die autobiographische Erzählstücke mit Motiven aus den Kunstmärchen "Das hässliche Entlein" (engl. The Ugly Duckling) und "Die kleine Meerjungfrau" von Hans Christian Andersen mischt. Es sind Märchen eines großen Außenseiters, die der psychoanalytischen Forschung als Zeugnisse der unterdrückten Homosexualität von Andersen gelten: die Geschichte des falschen Entleins, das vom Mehrheitsgeflügel angefeindet wird, bis es sich als Schwan erweist, und die Erzählung der tragisch liebenden Meerjungfrau, die ihre Schwanzflosse und ihre bezaubernde Stimme wegtauscht, in der Hoffnung, so ihrem Traumprinzen nahezukommen. An diesem Abend werden sie deutlich als Drag-Fantasien markiert: als Erzählungen vom Leben mit Schwanz und ohne. Mit "ugly duckling" blickt er [Bastian Kraft] nunmehr auf die gegenwärtige Drag-Szene in Berlin. Und er hat starke Protagonist*innen aufgetan: Jade Pearl Baker, Judy LaDivina und Gérôme Castell sind Performer*innen ersten Ranges. Jade Pearl Baker, mit der Aura einer Nicole Kidman, besticht mit Songs in bluesiger Gedämpftheit. Judy LaDivina, gebürtig aus Tel Aviv, choreographiert sich szenenapplausumrankte Playback-Performances. Und Gérôme Castell, die in den 1980ern schon auf Partys mit Madonna und Grace Jones ein queeres Catwalk-Dasein feierte, umspielt ihr Mehr an Lebensjahren mit eleganter Selbstironie.
Kraft bringt die drei Drag Queens mit Helmut Mooshammer, Caner Sunar und Regine Zimmermann aus dem Ensemble des DT zusammen und schickt sie durch eine Stückentwicklung, die autobiographische Erzählstücke mit Motiven aus den Kunstmärchen "Das hässliche Entlein" (engl. The Ugly Duckling) und "Die kleine Meerjungfrau" von Hans Christian Andersen mischt. Es sind Märchen eines großen Außenseiters, die der psychoanalytischen Forschung als Zeugnisse der unterdrückten Homosexualität von Andersen gelten: die Geschichte des falschen Entleins, das vom Mehrheitsgeflügel angefeindet wird, bis es sich als Schwan erweist, und die Erzählung der tragisch liebenden Meerjungfrau, die ihre Schwanzflosse und ihre bezaubernde Stimme wegtauscht, in der Hoffnung, so ihrem Traumprinzen nahezukommen. An diesem Abend werden sie deutlich als Drag-Fantasien markiert: als Erzählungen vom Leben mit Schwanz und ohne.
Analog zu Andersens Geschichte vom verstoßenen, getretenen und (identitätskrisen-)gebeutelten Hässlichen Entlein, dem titelgebenden "ugly duckling", das nach einer harten Passionsgeschichte zum stolzen Schwan mutiert, verwandeln sich die Bühnen-Stars im Laufe des knappen Zweistünders quasi live und in Echtzeit in ihre Show-Charaktere [...]. Um das befreiende Spiel mit Identitäten, um Existenzformen, die eben nicht einengend und festschreibend wirken, geht [...] an diesem Abend. [...]
Den bewusst irritiert nachfragenden Schauspielkollegen Helmut Mooshammer klärt Judy LaDivina minuziös über verschiedene Varianten der Penisabklebung für Auftritte in engen Abendkleidern auf. Drag-Star Jade Pearl Baker performt einen lustigen Prinzen-Macker, dessen breitbeiniger Schlenkergang bei der Kontaktanbahnung mit der Meerjungfrau für alle Rollennachfolger hohe Maßstäbe setzt. Und die Schauspielerin Regine Zimmermann darf launig darüber räsonieren, was eigentlich diese Jungfräulichkeitszuschreibung im Märchentitel zur Sache tut, warum die Story nicht einfach "Die Meerfrau" heißt [...].
[M]it [...] einem Motiv – nämlich der Stimme, die Andersens Meerjungfrau für ihre Erd-Existenz ebenfalls opfern musste – trifft der von Kraft und dem Ensemble gemeinsam entwickelte Abend einen Punkt. Ausgehend von der traurigen Märchen-Nixe, die sich ihrem Angebeteten nicht mitteilen kann und sterben muss, wird in den besten Momenten aus ganz verschiedenen Perspektiven über Sprech- und Benennungsakte, Ohnmacht und Selbstermächtigung nachgedacht. Gérôme Castell erzählt, wie sie vor sechs Jahren, als sie bei einem homophoben Überfall brutal zusammengeschlagen wurde, das rechte Augenlicht verlor und, bis dato immer selbstbewusst und schlagfertig, in eine Depression geriet. Auf der anderen Seite überführt Judy LaDivina, die Playback-Königin des Abends, den eigenen temporären und freiwilligen Stimmverzicht als künstlerische Methode in einen Aneignungsakt anderer Stimmen, der, performativ betrachtet, wirklich seinesgleichen sucht: ein Erfolgsmodell. So gut ist die Stimmung im Theater selten: Wenn die Berliner Dragqueen Gérôme Castell einen leicht verfremdeten Knef-Song ins Mikro donnert oder ihre Kollegin Judy LaDivina eine ihrer spektakulären Playback-Nummern auf die Bretter haut, tobt der komplette Zuschauersaal in den Kammerspielen des Deutschen Theaters. Keine Frage: Die Qualität der Show Acts liegt bei 100 Prozent an diesem Abend, für den Regisseur Bastian Kraft unter dem Titel "ugly duckling" drei Stars der Berliner Drag-Szene mit drei DT-Schauspielern zusammenbringt. [...]
Analog zu Andersens Geschichte vom verstoßenen, getretenen und (identitätskrisen-)gebeutelten Hässlichen Entlein, dem titelgebenden "ugly duckling", das nach einer harten Passionsgeschichte zum stolzen Schwan mutiert, verwandeln sich die Bühnen-Stars im Laufe des knappen Zweistünders quasi live und in Echtzeit in ihre Show-Charaktere [...]. Um das befreiende Spiel mit Identitäten, um Existenzformen, die eben nicht einengend und festschreibend wirken, geht [...] an diesem Abend. [...]
Den bewusst irritiert nachfragenden Schauspielkollegen Helmut Mooshammer klärt Judy LaDivina minuziös über verschiedene Varianten der Penisabklebung für Auftritte in engen Abendkleidern auf. Drag-Star Jade Pearl Baker performt einen lustigen Prinzen-Macker, dessen breitbeiniger Schlenkergang bei der Kontaktanbahnung mit der Meerjungfrau für alle Rollennachfolger hohe Maßstäbe setzt. Und die Schauspielerin Regine Zimmermann darf launig darüber räsonieren, was eigentlich diese Jungfräulichkeitszuschreibung im Märchentitel zur Sache tut, warum die Story nicht einfach "Die Meerfrau" heißt [...].
[M]it [...] einem Motiv – nämlich der Stimme, die Andersens Meerjungfrau für ihre Erd-Existenz ebenfalls opfern musste – trifft der von Kraft und dem Ensemble gemeinsam entwickelte Abend einen Punkt. Ausgehend von der traurigen Märchen-Nixe, die sich ihrem Angebeteten nicht mitteilen kann und sterben muss, wird in den besten Momenten aus ganz verschiedenen Perspektiven über Sprech- und Benennungsakte, Ohnmacht und Selbstermächtigung nachgedacht. Gérôme Castell erzählt, wie sie vor sechs Jahren, als sie bei einem homophoben Überfall brutal zusammengeschlagen wurde, das rechte Augenlicht verlor und, bis dato immer selbstbewusst und schlagfertig, in eine Depression geriet. Auf der anderen Seite überführt Judy LaDivina, die Playback-Königin des Abends, den eigenen temporären und freiwilligen Stimmverzicht als künstlerische Methode in einen Aneignungsakt anderer Stimmen, der, performativ betrachtet, wirklich seinesgleichen sucht: ein Erfolgsmodell.
Das Deutsche Theater ist immer wieder für eine Überraschung gut. Vor einem Jahr setzte es mit Rosa von Praunheims wilder Selbststilisierung "Jeder Idiot hat eine Oma" einen ziemlich schrägen Hit aufs Programm. Jetzt legt es mit Bastian Krafts "ugly duckling" nach.
Dafür bringt [Bastian Kraft] drei Berliner Dragqueens mit drei DT-Ensemblespielern zusammen: Judy LaDivina, die es mit den Stars aus RuPauls "Dragrace" aufnehmen könnte, das "alte Showpferd" Gérôme Castell und Jade Pearl Baker, TV-bekannt aus "Voice of Germany", treffen auf Caner Sunar, Regine Zimmermann und Helmut Mooshammer.
Diese Begegnung schlägt teils helle Funken. Besonders stark wird der Abend immer dann, wenn er zu Glitter, Glamour und Revue steht, wenn Zimmermann und Mooshammer sich neugierig in die Welt der Dragqueens stürzen und sich deren Techniken aneignen. Oder wenn sie alle ihre großen Solo-Auftritte haben. Mit Songs, die mitreißen. Oder mit Tanz: Caner Sunar, der selbst eine Drag-Identität besitzt, trumpft furios mit einer Vogue-Nummer auf.
Zum roten Faden werden dabei Andersens Coming-out-Märchen "Das hässliche Entlein" und "Die kleine Meerjungfrau". [...] Berührend wird [der Abend], wenn Castell von Gewalterfahrungen berichtet oder sich Dragqueen Barbie Breakout aus Protest im Video den Mund zunäht. Toll auch, wenn sie sich auf der Bühne in Schlagfertigkeit überbieten. [...]
Und so lernt man, während sich die Darsteller dank der Kostüme Jelena Miletićs in zauberhafte Wesen verwandeln, dass manchmal erst Masken den wahren Charakter eines Menschen hervorbringen, Drag Leben retten kann – und erstaunlich gut zum Deutschen Theater passt. Was für ein Spektakel: Links steht Regine Zimmermann und singt hinreißend "Arme Seele in Not", jener Song der bösen Meerhexe Ursula, mit der sie im Disneyfilm "Arielle" der Titelfigur Menschenbeine anträgt. In der Mitte aber thront Judy LaDivina in einem herrlich absurden Kostüm mit Tentakelfingern und bewegt synchron die Lippen dazu. [...]
Das Deutsche Theater ist immer wieder für eine Überraschung gut. Vor einem Jahr setzte es mit Rosa von Praunheims wilder Selbststilisierung "Jeder Idiot hat eine Oma" einen ziemlich schrägen Hit aufs Programm. Jetzt legt es mit Bastian Krafts "ugly duckling" nach.
Dafür bringt [Bastian Kraft] drei Berliner Dragqueens mit drei DT-Ensemblespielern zusammen: Judy LaDivina, die es mit den Stars aus RuPauls "Dragrace" aufnehmen könnte, das "alte Showpferd" Gérôme Castell und Jade Pearl Baker, TV-bekannt aus "Voice of Germany", treffen auf Caner Sunar, Regine Zimmermann und Helmut Mooshammer.
Diese Begegnung schlägt teils helle Funken. Besonders stark wird der Abend immer dann, wenn er zu Glitter, Glamour und Revue steht, wenn Zimmermann und Mooshammer sich neugierig in die Welt der Dragqueens stürzen und sich deren Techniken aneignen. Oder wenn sie alle ihre großen Solo-Auftritte haben. Mit Songs, die mitreißen. Oder mit Tanz: Caner Sunar, der selbst eine Drag-Identität besitzt, trumpft furios mit einer Vogue-Nummer auf.
Zum roten Faden werden dabei Andersens Coming-out-Märchen "Das hässliche Entlein" und "Die kleine Meerjungfrau". [...] Berührend wird [der Abend], wenn Castell von Gewalterfahrungen berichtet oder sich Dragqueen Barbie Breakout aus Protest im Video den Mund zunäht. Toll auch, wenn sie sich auf der Bühne in Schlagfertigkeit überbieten. [...]
Und so lernt man, während sich die Darsteller dank der Kostüme Jelena Miletićs in zauberhafte Wesen verwandeln, dass manchmal erst Masken den wahren Charakter eines Menschen hervorbringen, Drag Leben retten kann – und erstaunlich gut zum Deutschen Theater passt.
Da ist zum Beispiel der Mann, der sich nun Judy La Divina nennt, bei seiner Ankunft in Berlin vor Jahren aber noch gar nichts göttlich an sich fand. Nun erzählt er von seiner Verlorenheit, die erst verschwand, als er die Drag-Kultur kennenlernte. Sich für eine Nacht in eine Göttin zu verwandeln, war für ihn eine Neugeburt. Heute nennt Judy "drag" eine "Lebensrettung" − für jeden. [...]
Helmut Mooshammer gehört der tragisch schönste, gebrochenste Moment: Am Ende steht er da in weiß glitzernder Robe, die über dem nackten Kunstbusen abrutscht, während auch die hohe Schwanenfigur auf der grünen Lockenperücke kaum Halt findet. Er ist nun ein Mischwesen aus dem "hässlichen Entlein", das zum Schwan geworden ist, und der unglücklichen "kleinen Meerjungfrau", deren aufopfernder Weltenwechsel vom Wasser aufs Land ihrer Liebessehnsucht auch nicht half: Die große Geste, die zu Schaum wird. Die Glamourseite feiert Regisseur Bastian Kraft mit seiner Drag-Show "ugly duckling" (das hässliche Entlein) im Deutschen Theater. Es sind imposante Damen, die an diesem Abend an einem sechsseitigen Spiegeltisch sitzen und sich langsam, aber zielsicher in ihre Sehnsuchtsfiguren verwandeln. [...]
Da ist zum Beispiel der Mann, der sich nun Judy La Divina nennt, bei seiner Ankunft in Berlin vor Jahren aber noch gar nichts göttlich an sich fand. Nun erzählt er von seiner Verlorenheit, die erst verschwand, als er die Drag-Kultur kennenlernte. Sich für eine Nacht in eine Göttin zu verwandeln, war für ihn eine Neugeburt. Heute nennt Judy "drag" eine "Lebensrettung" − für jeden. [...]
Helmut Mooshammer gehört der tragisch schönste, gebrochenste Moment: Am Ende steht er da in weiß glitzernder Robe, die über dem nackten Kunstbusen abrutscht, während auch die hohe Schwanenfigur auf der grünen Lockenperücke kaum Halt findet. Er ist nun ein Mischwesen aus dem "hässlichen Entlein", das zum Schwan geworden ist, und der unglücklichen "kleinen Meerjungfrau", deren aufopfernder Weltenwechsel vom Wasser aufs Land ihrer Liebessehnsucht auch nicht half: Die große Geste, die zu Schaum wird.