Behind The Scenes #2 Wenn das Video live komponiert wird

PEACES (Fragments of Love) ist ein Dokumentartheaterstück von Kristina Isaikina, Nastya K. und Volker Schmidt über Freundschaft in Zeiten des Krieges. Darüber hinaus ist es ein Stück über die Entstehung eines Stückes – bei der eine der Schauspielerinnen im Erarbeitungsprozess beschließt, das Projekt zu verlassen. Marie Eisenmann hat mit Stephan und Kuba vom d.band collective, zuständig für Video, Live-Compositing und Visuals, darüber gesprochen, wie man einer solchen Herausforderung technisch begegnet. 

Was ist eure Aufgabe bei der Inszenierung von PEACES (Fragments of Love)?

Stephan: Bei so einer kleinen Produktion sind die Grenzen der Auseinandersetzung mit verschiedenen Medien irgendwie schwer zu ziehen. Wir waren auch nicht von Anfang an involviert, wurden dann aber angefragt, um diese mediale oder transmediale Komponente einzubringen und herauszufinden, wie das Stück durch die Linse des Live-Streamings – oder wie wir es nennen: des Real Time Compositings – funktionieren könnte. Real Time Compositing meint: Man spielt nicht nur Videos ab, sondern produziert und projiziert diese in Echtzeit. Und das ist eines der Kernelemente des Stücks.

Kuba: Dadurch dass eine Schauspielerin nicht auftreten konnte, war diese Liveübertragung auch das Hauptproblem. Denn wie bringt man die Schauspielerin auf die Bühne, wenn sie nicht anwesend ist? 

Macht ihr diese Arbeit auch sonst im Theater?

Kuba: Wir kommen ursprünglich aus der Architektur. Wir haben beide in Wien an der Akademie der bildenden Künste studiert.

Stephan: Das ist an sich schon sehr interdisziplinär aufgebaut.

Kuba: Genau, wir haben dort nicht nur klassisch Gebäude entworfen, sondern uns zum Beispiel auch mit Literatur auseinandergesetzt. Am Ende hat sich rauskristallisiert, dass unsere Interessen in der Architektur immer mehr in Richtung Film und dann auch Performance und Musik gegangen sind. Und die Theaterkomponente kam dann ziemlich schnell dazu. Gerade arbeiten wir an unserer ersten Produktion, die wir komplett selbst gestalten.

Stephan: Als Gruppe war die Arbeit an diesem Stück die erste im Theater, aber einzeln hatten wir immer schon einen Bezug dazu. 

Kuba, du bist Teil der ersten Szene des Stücks. Wie war es denn selbst auf der Bühne zu sein? 

Kuba: Am Anfang war das komisch für mich, aber ich konnte mich dann relativ schnell zurechtfinden, da der ganze Prozess der Stückentstehung eher ein familiäres Ding war. Wir haben uns selbst ganz viel eingebracht, Vorschläge für Verbesserungen gemacht: Wie spielt man eine bestimmte Sache? Wo steht man? Was sollte man vielleicht nicht sagen? Es war dadurch dann auch leichter auf der Bühne zu sein, weil es nicht diese typischen Unterschiede zwischen Schauspieler, Regisseur, Video oder Bühnenbild gab und alle mitgemischt haben. Deswegen hat sich die Anfangsszene nicht anders angefühlt als die restliche Arbeit am Stück. 

Das ganze Stück ist ja eigentlich ein Work-in-progress. An welchem Punkt im Arbeitsprozess seid ihr dazugekommen? 

Stephan: Wir sind dazugekommen, als die ukrainische Schauspielerin sich bereits entschieden hatte, nicht auf der Bühne live aufzutreten, aber noch nicht bekannt war, dass sie sich auch nicht dazuschalten wird. Das ganze Archivmaterial, die persönlichen Aufnahmen aus den Videocalls hatten wir also bereits, mussten uns aber ein paar Monate später, kurz vor der Premiere, die Frage stellen: Wie verfremden oder entfremden wir das Bildmaterial? Und wie gestaltet man diese Verfremdung künstlerisch? 

War die die ganze Arbeit an dem Stück kollektiv gestaltet? 

Kuba: Ich glaube, es gab Momente im Prozess, wo es Arbeitsgruppen gab. Für alle war das Live-Video im Theater etwas Neues, was ausprobiert werden musste. Das ist auch etwas anderes als Sounddesign zum Beispiel, wo man etwas vorproduziert, das im Probenraum anhören und direkt darauf reagieren kann. Dieser Prozess war bei uns viel langsamer, weil wir nicht immer direkt wussten, wie wir Feedback technisch umsetzen können. Wenn also in der Probe etwas angemerkt wurde, gingen im Anschluss erstmal Mails hin und her, dann haben wir uns auf die nächste Probe vorbereitet, dort die Videos wieder abgespielt und so ging der Prozess immer weiter. Daraus hat sich dann diese kollektive Zusammenarbeit ergeben.

Stephan: Das Spannende ist dann mit dem Stück auf Tour zu gehen und sich mit Menschen in anderen Theaterhäusern auszutauschen, die dort die Technik machen. Weil die Sparte noch relativ neu ist, gibt es noch nicht den einen Weg, wie man Live Compositing umsetzt. 

Was war für euch das Besondere an diesem Projekt? 

Kuba: Ich habe von der Tatsache, dass wir live Prozesse getriggert haben, auch technisch total viel gelernt! Das Set-Up an sich war einfach besonders. Man könnte dann noch weitergehen. Könnte man alles, was wir gemacht haben, auch per Knopfdruck oder Regler steuern? Dann hätte man eine Komposition, die auch geremixt werden kann, an der man einfach Spaß haben kann. Und die man auch mal ganz neu interpretieren und anders mischen könnte.

Stephan: Wir hatten das große Glück, dass wir bei solch einem Stück mitmachen durften, wo man auch das Theatermachen reflektiert. Also klar, es gab eine konkrete Geschichte und auch eine sehr persönliche Geschichte, aber die Form ist sehr selbstreflexiv. Das Nachdenken über das Theater, während man ein Stück produziert und die Diskussionen hinter den Kulissen, wo man Sachen auf produktive Weise hinterfragt, sind auch ein Privileg. Das habe ich auf jeden Fall mitgenommen. 

Stephan und Kuba sind Teil von d.band collective. Als „collective for spatial narratives and audiovisual choreography”, also Kollektiv für räumliche Narrative und audiovisuelle Choreographie, bietet d.band sowohl technische Unterstützung bei der Gestaltung und Umsetzung künstlerischer Projekte, als auch eigene performative multimediale Praxis. Das Kollektiv oszilliert zwischen Maßstäben von Architektur- und Ausstellungsdesigns, Szenografien und Modellen mithilfe handwerklicher und virtueller Produktion.