Birthday Candles

von Noah Haidle
Bühne Jo Schramm
Kostüme Lane Schäfer
Musik Hannes Gwisdek
Dramaturgie Franziska Trinkaus
Bewegungschoreographie Martin Buczko
Deutschsprachige Erstaufführung
29. April 2022
Kammerspiele

Dauer: 120 Minuten, ohne Pause

Corinna Harfouch
Alexander Khuon
Franziska Machens
Kathleen Morgeneyer
Bernd Stempel
Enno Trebs
Martin Buczko
Berliner Zeitung
Doris Meierheinrich, 02.05.2022
"Tatsächlich besticht Bergmanns so kühler wie humoristischer Blick auf das naiv privatistische Stück gerade durch die Vermeidung des nur Privaten, Sentimentalen." "Zunächst aber wird Ernestine 17 Jahre alt und weiß schon ganz genau, was sie will: aufbegehren gegen das Alltägliche, [...] ihren eigenen ,,Platz im Universum" finden. Mutter Alice aber weiß längst besser, dass das Universum, von dem Ernestine träumt, schon in der Kuchenschüssel vor ihr liegt […]. Um das zu verstehen, spult „Birthday Candles" Backszenen ab in Wiederholung und Variation über vier Generationen hinweg. Problematisch wird diese Back-Dramaturgie allerdings, weil Autor Noah Haidle darauf besteht, sie streng realistisch zu nehmen […] Anna Bergmanns erste Großtat ist daher zweifellos, dieses Diktum über Bord geworfen zu haben. Keine Backwaren also, vielmehr stellt Bühnenbildner Jo Schramm die kleine Kastenbühnenküche schief und lässt sie sogar rotieren wie eine Lostrommel. Alles hier ist von Beginn an Sternenstaub, diffuses Traumbild in gelbes Licht gehüllt, Lebens- und Geschichtserinnerung einer vorsichtig tastenden Frau, die Corinna Harfouch in sternenhaftem Glitzerkleid mit umwerfender Präzision durch Leben und Welt führt.
Tatsächlich besticht Bergmanns so kühler wie humoristischer Blick auf das naiv privatistische Stück gerade durch die Vermeidung des nur Privaten, Sentimentalen. Vor allem aber auch durch das Ensemble, das mit Leichtigkeit die knappen Flashes auf Emestines Leben in scharfe Bilder zwingt: Kathleen Morgeneyer umreißt die Mutter verhärmt, die Tochter aufsässig, Alexander Khuon macht Ehemann Matt zum pflichtbewussten Schwerenöter, Bernd Stempel drückt dem unglücklich verliebten Nachbarn sein trauriges Narrentum auf und aus dem Rührteig wird so ein charmanter Abend."
tip Berlin
Peter Laudenbach, 11.05.2022
…"Glück, von der garantiert kitschfreien Corinna Harfouch gespielt zu werden, eine kluge Schauspielerin, die selbst so eine Sentiment-Ansammlung wie ihre Ernestine mit Klarsicht ausstattet und ihr die schöne Fähigkeit schenkt, sich mit trockener Ironie über sich selbst und die Zumutungen des Kleinbürgerlebens zu wundern. Diese Frau hat es unbedingt verdient, ihren Gatten zu schassen und ein paar Jahrzehnte zu spät doch noch die Liebe ihres Lebens zu finden, einen gewissen Kenneth, der erfreulicherweise von dem Großkomiker Bernd Stempel gespielt wird." …"Glück, von der garantiert kitschfreien Corinna Harfouch gespielt zu werden, eine kluge Schauspielerin, die selbst so eine Sentiment-Ansammlung wie ihre Ernestine mit Klarsicht ausstattet und ihr die schöne Fähigkeit schenkt, sich mit trockener Ironie über sich selbst und die Zumutungen des Kleinbürgerlebens zu wundern. Diese Frau hat es unbedingt verdient, ihren Gatten zu schassen und ein paar Jahrzehnte zu spät doch noch die Liebe ihres Lebens zu finden, einen gewissen Kenneth, der erfreulicherweise von dem Großkomiker Bernd Stempel gespielt wird."
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Simon Strauss, 02.05.2022
"Anna Bergmann gelingt eine gefühlsstarke,
am Schicksal der Figuren zärtlich
anteilnehmende Arbeit."
"Der gut zweistündige Abend bietet eine großartige Ensembleleistung. Bergmann beweist, welch Glück es für das darstellende Spiel sein kann, sich Rollen anzuvertrauen und nicht nur beim eigenen Ich hängen zu bleiben. [...]
In all diese Konstellationen fügt sich Corinna Harfouch als langsam dahin alternde Ernestine so umstandslos herzlich ein, als wäre sie nie die „große Kühle" gewesen, als die sie oft beschrieben wurde. An diesem Abend jedenfalls ist sie ganz schlagendes Herz und pulsierendes Leben, ist sie die mädchenhaft Schüchterne, ist sie die anziehende Geliebte, ist sie die mild lächelnde Ehefrau, ist sie die beruhigende Mutter, ist sie die noch mal aufbrechende Betrogene, ist sie die glücklich Spätverliebte, ist sie die von allen Geistern Verlassene, die am Schluss wieder in ihrer alten Küche sitzt und einem fremden Paar ihr Kuchenrezept verrät. Harfouch wartet mit einem schier unendlichen Repertoire an Gesten und Blicken auf, die ihr jeweiliges Alter markieren und doch immer auch etwas von ihrem gleichbleibenden Gemütskern offenbaren: Sie ist eine, die ihr Herz aufs Spiel setzt. Eine stille Traumtänzerin, die ihre Geburtstage trotzig gegen den Tod anfeiert. Bergmanns Inszenierung, die sie "Ihrer Mutter und allen Müttern auf dieser Welt" widmet, endet wie Kleists "Amphitryon" mit einem leisen "Ach". Harfouch steht in einem projizierten Sternenmeer und streckt die Arme nach oben: So weit ist dieses Leben. So schnell kann es gehen."
Berliner Morgenpost
Peter Zander, 01.05.2022
"Ein grandioser Abend, leicht und doch tiefsinnig, Tragödie und doch voller komischer Momente, unbeschwert und doch gedankenreich." "Backe, backe, Kuchen: Mit dieser Produktion verteilen die Kammerspiele des Deutschen Theaters ganz -viel Ster_nenstaub. Ein grandioser Abend, leicht und doch tiefsinnig, Tragödie und doch voller komischer Momente, unbe_schwert und doch gedankenreich. Wir blicken auf diesen Mikrokosmos wie durch 'ein Mikroskop. Und damit auch. auf eigene Träume, Lebensziele - und Desillusionen. Am Ende tosender Ap- . plaus. Für das ganze Ensemble . Vor al_lern aber fiir die großartige Harfouch."
Nachtkritik
Simone Kaempf, 30.04.2022
"In Anna Bergmanns Inszenierung wird daraus ein rotierendes Lebenspanorama der ganz großen Gefühle – mit Corinna Harfouch als stabilem, überragendem Zentrum." "Neunzig Geburtstage feiert Autor Noah Haidle mit Ernestine, einer Hausfrau und Mutter. Neunzig Jahre Schmerz, Neuanfang und flüchtiges Glück. In Anna Bergmanns Inszenierung wird daraus ein rotierendes Lebenspanorama der ganz großen Gefühle – mit Corinna Harfouch als stabilem, überragendem Zentrum. [...] Corinna Harfouch spielt diese Ernestine in einer Spanne von gut achtzig Jahren. Sie ist tatsächlich das Zentrum dieses Abends, mit langen Haaren und immer dem gleichen Kleid. Mit kleinen, subtilen Gesten erzählt sie von den Veränderungen des Älterwerdens. Nichts Forderndes trotzt sie der Rolle ab, ein Typus entsteht, wie man ihn aus der Eltern-Generation kennt. Die ihre Familie ohne falsche Scheu umhegt, und alles Fordernde zurücksteckt, ohne die Suche nach dem eigenen Glück ganz zu vergessen. [...] Während Haidles Text genau den Platz im Universum verweigert, von dem so viel die Rede ist, lebt das gefundene Glück in Bergmanns Inszenierung auf und wird groß spürbar, um dann im Vergehen der Zeit geschluckt zu werden. Harfouch geht in der Trauer weinend in die Knie und offenbart die großen Gefühle, ohne kitschig zu werden. Immer wieder überblenden private alte Fotos die Szenerie, es sind auch private darunter, die die Schauspielerin zeigen. Das trägt zwar wenig zum Abend bei, aber erzählt eher vom Identifikationspotential, das in dieser Frauenfigur steckt – und das ein kleines Leben zur Tragödie macht."
Neues Deutschland
Lara Wenzel, 02.05.2022
"Während Noah Haidles Stück die Biografie einer weißen Mittelstandsfrau erzählt und dabei nur oberflächlich Abhängigkeits- und Machtverhältnisse zeigt, fesselt an der Inszenierung das Spiel Corinna Harfouchs, die zwei Stunden auf der Bühne der Kammerspiele im Deutschen Theater im Zentrum steht." "Bis zum 40. Geburtstag lebt Ernestine mit ihrem Highschool-Sweetheart Matt und den zwei Kindern in heteronormativer Geborgenheit. Ihre Interessen stellt sie zurück, um sich der unbezahlten Sorgearbeit zu widmen. […] 'Habe ich mein Leben vertan?', fragt sich Ernestine alle paar Jahre. Während Noah Haidles Stück die Biografie einer weißen Mittelstandsfrau erzählt und dabei nur oberflächlich Abhängigkeits- und Machtverhältnisse zeigt, fesselt an der Inszenierung das Spiel Corinna Harfouchs, die zwei Stunden auf der Bühne der Kammerspiele im Deutschen Theater im Zentrum steht. Durch kleine Veränderungen des Gangs und der Gesten fließt die verstrichene Zeit in ihre Darstellung ein.
Den 107. Geburtstagskuchen backt Ernestine auf dem Küchenboden sitzend. In dem Haus, das sie Jahrzehnte bewohnte, lebt jetzt eine andere Familie. […] Ein letztes Mal gibt sie Rezept und Ritual weiter […] 'Teig aus Butter, Zucker, Eier, Mehl, etwas Sternenstaub und Atome. Wenn du einen tieferen Blick darauf wirfst, dann erfährst du, was das Universum erzählt.'"
rbb24 Inforadio
Barbara Behrendt, 30.04.2022
"Dass Ernestines Leben voller Schicksalsschläge und großer Verluste zuletzt doch sehr anrühren kann, ist der Verdienst des so menschlich, zärtlich und humorvoll spielenden Ensembles." "Man kann die Regisseurin schon verstehen: Die Inszenierung am Broadway, die Ernestine in einer naturalistischen Küche tatsächlich Kuchen backen lässt, so wie der Autor Noah Haidle es fordert, wurde selbst von den wenig gefühlsscheuen amerikanischen Kritiker:innen als für zu sentimental befunden. Mann muss bei Haidles realistischen Stücken durchaus vorsichtig sein, dass sie auf der Bühne nicht zu betulich und altbacken daher kommen. Vor allem, wenn eine Frauenfigur ausschließlich als Mutter und Hausfrau charakterisiert wird. Doch Bergmanns verkopftes Konzepttheater ist eben auch nicht die Lösung. Dass Ernestines Leben voller Schicksalsschläge und großer Verluste zuletzt doch sehr anrühren kann, ist der Verdienst des so menschlich, zärtlich und humorvoll spielenden Ensembles."
Der Tagesspiegel
Christine Wahl, 01.05.2022
"Corinna Harfouch, die nicht zum Kitsch neigt, schaut man gern dabei zu, wie sie sich so durch die Jahrzehnte knetet. Und das Ensemble legt sich schwungvoll hinein in die Pointen, die Haidle serviert." "Eier, Butter, Zucker, Salz" - das sind erklärtermaßen die Zutaten, aus denen der jüngste Abend am Deutschen Theater Berlin besteht. Immer wieder wird die Rezeptur heraufbeschworen in Noah Haidles Stück "Birthday Candles", das Anna Bergmann jetzt auf der Kammerbühne zur deutschsprachigen Erstaufführung gebracht hat. Dessen Plot besteht darin, dass eine Frau - gespielt von der Ausnahmeakteurin Corinna Harfouch - Kuchen backt. Jedes Jahr knetet sie denselben Teig, verrührt immer wieder die gleichen; "schlichten Zutaten". Vom 17. bis zum 107. Geburtstag, insgesamt zwei Theaterstunden lang. […]
Corinna Harfouch, die nicht zum Kitsch neigt, schaut man gern dabei zu, wie sie sich so durch die Jahrzehnte knetet. Und das Ensemble legt sich schwungvoll hinein in die Pointen, die Haidle serviert. Tja, und die Quintessenz? Sagen wir mal so: Doch nichts geworden mit der Herausforderung des Universums? Immerhin: Das große Familien-Glück hat am ja geklappt.

Außerdem im Spielplan

Wiederaufnahme
Mit englischen Übertiteln
von Friedrich Schiller
Regie: Anne Lenk
DT Bühne
19.00 - 21.10
Ausverkauft
Evtl. Restkarten an der Abendkasse
Mit englischen Übertiteln
Anti-Stück von Eugène Ionesco
Regie: Anita Vulesica
Kammer
19.30 - 21.15
Ausverkauft
Evtl. Restkarten an der Abendkasse